Mitarbeiterbeurteilung - den Königsweg gibt es nicht

03.12.2003 von Hans Königes
MÜNCHEN (hk) - Lässt sich die Leistung der Mitarbeiter messen? Viele Unternehmen sind auf der Suche nach dem richtigen Verfahren. Die Realität zeigt, dass jeder Arbeitgeber seinen eigenen Weg finden muss, Konzepte "von der Stange" sind nicht zu empfehlen.

Gerade in den Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnik drehte sich in den vergangenen Jahren das Personalkarussel schnell. Viele Unternehmen, die entlassen mussten, sehen sich nicht imstande, die Leistung ihrer Mitarbeiter zu überprüfen.

In den großen Unternehmen denken die Firmenleitungen verstärkt daran, die Gehälter zu variabilisieren. Das bestätigte auch Vergütungsprofi Dirk Ewert auf dem CW-Kongress "IT meets Business" in München. Um die fixen Vergütungsbestandteile zugunsten der variablen zurückfahren zu können, müssen Meßgrößen eingeführt oder auch erweitert werden, denn der bewegliche Gehaltsbestandteil ist nach nachvollziehbaren Kriterien auszuzahlen.

Dienstleistungsmentalität der Mitarbeiter fördern

Auch Mittelständler arbeiten an ihren Beurteilungs- und Vergütungssystemen. Viele haben schon Beurteilungsverfahren eingeführt und sind dabei, diese nach den ersten Erfahrungen zu verfeinern. Andere starten erst damit, etwa der Münchner IT-Dienstleister Comet Computer. Dessen Chefin, Sissi Closs, hofft, dass so ein System einen zusätzlichen Motivationsschub bringt. Sie möchte Mitarbeiter, die sich überdurchschnittlich engagieren, besser be- und entlohnen, will aber durch ein derartiges System auch eine stärkere Dienstleistungsmentalität und das unternehmerische Denken ihrer Beschäftigten fördern.

Der auf mobile IT-Anwendungen spezialisierte Hersteller Mindmatics mit 50 Beschäftigten hat sein Beurteilungssystem gerade eingeführt. Personalfrau Doris Brockel nutzt es unter anderem als Instrument, um festzustellen, ob noch die richtigen Leute mit den gewünschten Qualifikationen und dem nötigen Engagement im Unternehmen sind. Die Beschäftigten werden nach den Kriterien Arbeitsverhalten, fachliches Know-how, Persönlichkeitsmerkmale sowie Umsatz und Projektarbeit bewertet. Für die einzelnen Abteilungen gibt es noch zusätzliche Kriterien, die auf die jeweilige Arbeitssituation und den Job passen. Die Gespräche finden zweimal im Jahr statt und dauern jeweils eine bis eineinhalb Stunden. Am einen Ende des Tischs sitzt der Mitarbeiter am anderen der direkte Vorgesetzte und die Personalmitarbeiterin.

Mitarbeiter- und Gehaltsgespräch trennen

Mit der Beteiligung der Personalabteilung will Mindmatics die Ernsthaftigkeit und den hohen Stellenwert des Gesprächs hervorheben. Die Führungskräfte sind extra so geschult worden, dass die gleichen Themen diskutiert und Fragen gestellt werden. Die Mitarbeiter sollen gleichermaßen fair behandelt werden. Die Gehaltsrunde findet unabhängig von diesem Beurteilungsgespräch statt. Je nach Lage des Budgets und des Jahresergebnissses wird eine Gehaltserhöhung beschlossen, die für jeden Mitarbeiter anders ausfallen kann. Brockel denkt nun über zusätzliche Zielvereinbarungen nach, um Bonuszahlungen für die Fleißigsten zu ermöglichen.

Die großen Software- und Beratungshäuser wie Softlab und SAP arbeiten schon länger mit Bewertungssystemen. SAP ist gerade dabei, sein System zu überarbeiten, "um es schlanker und global einsatzbar zu machen", wie Vivien Schmitt, Projektleiterin für Performance Management an der SAP-University erläutert. Hier läuft es lehrbuchmäßig ab: Der Vorstand formuliert die Ziele, diese werden dann auf die einzelnen Bereiche, auf die Teams und schließlich auf die Mitarbeiter heruntergebrochen. Jeder Manager steckt gemeinsam mit dem Mitarbeiter individuelle Ziele ab, die im Einklang mit der Firmenstrategie stehen. Mitarbeiter- und Gehaltsgespräch trennen Die Gespräche finden von Anfang des Jahres bis Ende Februar statt und beinhalten einen Rückblick sowie die Vorhaben für das nächste Jahr. Für jeden Mitarbeiter wird dabei ein persönlicher Entwicklungsplan ausgearbeitet.

Wie auch bei Mindmatics, werden keine Noten verteilt, sondern es existiert eine Skala von "++" für "übertrifft die Erwartungen im großen Umfang" bis zu "- - " "erfüllt die Erwartungen nicht". Die Ergebnisse des Performace-Feedback-Gespräches fließen in die individuelle Gehaltsfindung ein. Um ein besseres Bild von den Mitarbeitern zu bekommen, können sich die Manager aufgrund von Projektfragebögen Feedback von den Kunden und den Kollegen des Beurteilten einholen.

Softlab dagegen verzichtet ganz auf Checklisten. Personalchef Uwe Kloos spricht von einem "freien Verfahren". Das bedeutet, jeder Manager muss die Bewertung frei formulieren, sich dabei aber an eine vorgegebene Struktur halten, damit auch alle für das Unternehmen wichtigen Fragen angesprochen werden. Nach so einem Gespräch muss der Mitarbeiter seine Daten in der Wissendatenbank aktualisieren, damit für das Management sichtbar ist, welches Know-how im Unternehmen zur Verfügung steht. Auf einem ganz anderen Blatt steht die Beurteilung der Führungskräfte, die bei Softlab alle zwei Jahre stattfindet und bei SAP noch gar nicht eingeführt wurde.

Beim Erlanger Softwarehaus 3 Soft ist es so, dass in der Beurteilung das Führungsverhalten 50 Prozent der Bewertung ausmacht, weil das zukunftsentscheidend für ein Unternehmen sei, wie deren Personalchefin Corinna Diederichs versichert. Fragebogen im Unternehmen entwickeln Personalexperten sind sich einig, dass die Einführung von Systemen zur Leistungsmessung und - bewertung der Mitarbeiter bald selbstverständlich sind.

Leistungsdefizite früh erkennen

Wichtig sei in erster Linie, so Beraterin und Trainerin Claudia Henrichs von Step-Projekte aus Bad Nauheim, die Ziele klar und offen zu definieren. Für Henrichs geht es beim Verfahren zur Leistungsüberprüfung beispielsweise darum,

- die Effizienz des Mitarbeiters und damit die des gesamten Unternehmens zu steigern,

- die Leistungsdefizite der Beschäftigten frühzeitig zu erkennen, ihre Ursachen zu analysieren und dann die geeigneten Programme zu deren Beseitigung zu ergreifen und

- eine Vergleichbarkeit der Leistungen zu ermöglichen, um damit zu mehr Gehaltsgerechtigkeit beizutragen.

Zwar sei in der Theorie den Unternehmen klar, dass sich die Ziele des Bewertungsverfahrens aus den Unternehmensleitlinien ableiten lassen sollten, in der Praxis werde das aber nicht konsequent beachtet. Ebenfalls vernachlässigten Arbeitgeber klare Stellenbeschreibungen mit Anforderungsprofilen ihrer Beschäftigten, aus denen sich dann die Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiter ableiten ließen. Henrichs empfiehlt aus ihrer langjährigen Erfahrung heraus, den Fragebogen im Unternehmen mit Mitarbeitern aus verschiedenen Hierarchiestufen und dem Betriebsrat zu erarbeiten und keinesfalls ein Bewertungsverfahren "von der Stange" zu wählen.