Outsourcing in Nicht-EU-Länder

Nearshoring von Software-Entwicklung? Datenschutz beachten!

01.04.2015 von Sven Krahn
Der Fachkräftemangel verstärkt den Bedarf an externen Software-Entwicklern - oftmals im nichteuropäischen Ausland. Das bringt datenschutzrechtliche Implikationen mit sich, denen sich Anwender bewusst sein müssen.

41.000 Software-Entwickler fehlen derzeit in Deutschland - so Berechnungen des Hightech-Branchenverbands BITKOM. Der akute Fachkräftemangel steigert die Nachfrage nach externen Dienstleistern: Eine Techconsult-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bereits jedes dritte deutsche Unternehmen mit Outsourcing-Partnern zusammen arbeitet, von denen viele im nicht-europäischen Ausland sitzen.

Der Fachkräftemangel schlägt immer unmittelbarer auf die Produktivität deutscher Unternehmen durch.
Foto: techconsult GmbH

Unternehmen, die Dienstleistern Zugriff auf personenbezogene Daten ermöglichen - sei es von Endkunden, Mitarbeitern oder sonstigen Personen -, müssen sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich des Schutzes dieser Daten auseinandersetzen. In Deutschland greift das Bundesdatenschutzgesetz (BSDG), innerhalb der EU die Europäische Datenschutzrichtlinie. Die Zusammenarbeit mit Dienstleistern und Unterauftragnehmern außerhalb der EU gestaltet sich rechtlich hingegen weitaus komplexer.

EU-Datenschutzreform 2014/15: Die zehn wichtigsten Änderungen
Ein Gesetz für alle
EU-weit gelten die gleichen Datenschutzregeln. Das bedeutet auch eine gestiegene Verantwortung und Haftung für alle, die persönliche Daten verarbeiten.
"Recht auf Vergessen"
Wollen Nutzer ihre Daten nicht weiter verarbeitet sehen, werden diese gelöscht - vorausgesetzt, es spricht aus juristischer Sicht nichts dagegen.
"Opt-in" statt "Opt-out"
Sollen persönliche Daten verabeitet werden, müssen Nutzer aktiv zustimmen (und nicht aktiv widersprechen wie bisher).
Recht auf Transparenz
Nutzer haben ein Recht auf Transparenz - sie dürfen erfahren, welche Daten über sie gesammelt und wie diese verarbeitet werden.
Zugang und Portabilität
Der Zugang zu den bei Dritten über einen selbst gespeicherten Daten soll einfacher möglich sein. Zudem ist die Dartenportabilität zu gewährleisten - also sicherzustellen, dass persönliche Informationen leichter von einem Dienstanbieter zu einem anderen übertragen werden können.
Schnellere Meldung
Tritt ein Datenverlust auf, müssen Unternehmen und Organisationen im Regelfall binnen 24 Stunden, mindestens aber so schnell wie möglich ihrer behördlichen Meldepflicht nachkommen.
Weniger Behördenchaos
Unternehmen müssen sich nur noch mit einer einzigen Aufsichtsbehörde auseinandersetzen - und zwar dort, wo sie ihren Hauptsitz haben.
Grenzübergreifend
Privatanwender dürfen jeden Fall von Datenmissbrauch an ihre nationale Aufsichtsbehörde melden - selbst dann, wenn die betroffenen Daten im Ausland verarbeitet wurden.
Erweiterter Geltungsbereich
Die EU-Richtlinie gilt auch für Unternehmen, die keinen Sitz in der EU haben, sobald sie Waren oder Dienstleistungen in der EU anbieten oder auch nur Online-Marktforschung unter EU-Bürgern betreiben.
Höhere Bußgelder
Verstößt ein Unternehmen gegen die Datenschutzbestimmungen, droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes.
Bürokratieabbau
Administrative Umstände wie Meldepflichten für Unternehmen, die persönliche Daten verarbeiten, entfallen.
Erst ab 16
Die rechtswirksame Anmeldung bei Internetnetservices wie Facebook oder Instagr.am soll Jugendlichen im Regelfall erst ab 16 Jahren möglich sein - weil sie erst ab diesem Lebensalter eine gültige Einwilligung in die Verarbeitung ihrer persönlichen Daten geben können. Nationale Gesetze sollen laut Datenschutzverordnung hier aber Ausnahmen möglich machen.
Stärkung der nationalen Aufsichtsbehörden
Nationale Datenschutzbehörden werden in ihren Kompetenzen gestärkt, so dass sie die neuen EU-Regeln besser umsetzen können. Unter anderem dürfen sie einzelnen Unternehmen verbieten, Daten zu verarbeiten. können bestimmte Datenflüsse stoppen und Bußgelder gegen Unternehmen verhängen, die bis zu zwei Prozent der jeweiligen weltweiten Jahreseinkünfte betragen. Darüber hinaus dürfen sie Gerichtsverfahren in Datenschutzfragen anstrengen. <br /><br />(Quelle: Forrester Research)

Rechtsrahmen

Wenn ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland oder einem anderen EU-Staat Kunden-, Mitarbeiter- oder andere personenbezogene Daten von einem Dienstleister speichern, nutzen oder verarbeiten lässt, muss das Unternehmen ein "angemessenes Datenschutzniveau" beim Dienstleister sicherstellen. Dies gilt auch dann, wenn der Dienstleister nur Zugriff auf die Daten des Unternehmens erhält, die eigentlichen Daten aber im Unternehmen verbleiben.

Die Sicherstellung eines "angemessenen Datenschutzniveaus" ist im Bundesdatenschutzgesetz definiert, das die EU-Datenschutzrichtlinie umsetzt. Wenn ein angemessenes Datenschutzniveau nicht sichergestellt werden kann, drohen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde und Bußgelder. Die Verarbeitung, Übertragung oder der Zugriff auf Daten durch den Dienstleister ist dann nicht zulässig.

Länder der EU gelten aufgrund der einheitlichen Gesetzgebung per se als "sichere" Länder im Sinne des Datenschutzes. Der Gesetzgeber spricht von einem angemessenen Datenschutzniveau in diesen Ländern und legt lediglich vertragliche Mindestanforderungen zwischen Auftraggeber und Dienstleister hinsichtlich der Auftragsdatenverarbeitung fest.

Außerhalb Europas

Für Dienstleister außerhalb der EU, speziell also auch in den für das Outsourcing von Softwareentwicklung relevanten Nearshore-Regionen, gilt ein "angemessenes Datenschutzniveau" nur dann, wenn zwischen Unternehmen und Dienstleister ein Vertrag mit den "Standardklauseln für Auftragsdatenverarbeitung" der EU-Kommission abgeschlossen wird.

In Ländern wie Armenien boomt derzeit nicht nur die IT: Auch hier werden häufig Software-Entwickler eingekauft.
Foto: Sven Krahn, Singlepoint GmbH

Ist ein Zugriff auf personenbezogene Daten (also Daten von Kunden, Mitarbeitern oder Dritten) durch den Dienstleister definitiv ausgeschlossen (indem beispielsweise Entwicklungs- und Produktionsumgebungen technisch getrennt, in der Testumgebung nur extra angelegte Testdaten verwendet oder im Monitoring lediglich Daten wie Verfügbarkeit, Latenzen, Speicherauslastung etc. überwacht werden), so besteht keine Auftragsdatenverarbeitung und damit im Prinzip keine Notwendigkeit für die beschriebenen Maßnahmen.

Dennoch kann deren Berücksichtigung bei der Vertragsgestaltung zwischen Unternehmen und Dienstleister auch in diesen Fällen sinnvoll sein - um für ein späteres Setup vertraglich bereits vorbereitet zu sein und um den Dienstleister zu sensibilisieren. Zudem müssen der zu Grunde liegende Dienstleistungsvertrag sowie die Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung entsprechend abgestimmt werden, damit sich keine Widersprüche ergeben.

Verantwortlich für die Einhaltung der Vorschriften ist in jedem Fall der Auftraggeber. Dem Auftraggeber obliegt eine umfassende Prüf- und Dokumentationspflicht, sowohl vor als auch nach Vertragsabschluss.

Auftragsdatenverarbeitung

Für Dienstleister innerhalb der EU legt §11 BDSG die Mindestanforderungen an die vertragliche Gestaltung der Auftragsdatenverarbeitung fest. Unter Auftragsdatenverarbeitung versteht man die weisungsgebundene Datenverarbeitung durch Externe, bei der die Verantwortung für die ordnungsgemäße Datenverarbeitung beim Auftraggeber verbleibt. Auftragsdatenverarbeitung liegt auch dann vor, wenn ein Unternehmen beispielsweise ein externes Rechenzentrum nutzt oder externe Programmierer Zugriff auf die Daten des Unternehmens haben oder ein solcher Zugriff zumindest nicht ausgeschlossen werden kann.

Die folgende (nicht abschließende) Aufzählung stellt Beispiele für Auftragsdatenverarbeitung dar, wie sie im Rahmen von Softwareentwicklung auftreten können:

Checkliste für den Vertrag

Vor Beginn der Auftragsdatenvereinbarung ist zwischen dem Unternehmen und dem Dienstleister ein entsprechender Vertrag (Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung) zu schließen. Dieser muss nach §11 BDSG mindestens Festlegungen zu diesen zehn Punkten enthalten:

  1. Gegenstand und Dauer des Auftrags;

  2. Umfang, Art und Zweck der vorgesehenen Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Daten, die Art der Daten und der Kreis der Betroffenen;

  3. die nach §9 BDSG zu treffenden technischen und organisatorischen Maßnahmen;

  4. die Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten;

  5. die nach Absatz 4 bestehenden Pflichten des Auftragnehmers, insbesondere die von ihm vorzunehmenden Kontrollen;

  6. die etwaige Berechtigung zur Begründung von Unterauftragsverhältnissen;

  7. die Kontrollrechte des Auftraggebers und die entsprechenden Duldungs- und Mitwirkungspflichten des Auftragnehmers;

  8. mitzuteilende Verstöße des Auftragnehmers oder der bei ihm beschäftigten Personen gegen Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten oder gegen die im Auftrag getroffenen Festlegungen;

  9. der Umfang der Weisungsbefugnisse, die sich der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer vorbehält;

  10. die Rückgabe überlassener Datenträger und die Löschung beim Auftragnehmer gespeicherter Daten nach Beendigung des Auftrags.

In der Regel empfiehlt sich die Verwendung einer Mustervereinbar zur Auftragsdatenverarbeitung.

Standardklauseln für Nicht-EU-Aufträge

Um ein angemessenes Datenschutzniveau auch bei der Zusammenarbeit mit Dienstleistern außerhalb der EU sicherzustellen, hat die EU-Kommission die "Standardklauseln für Auftragsdatenverarbeitung" festgelegt. Die Standardvertragsklauseln werden als gesonderte Vereinbarung neben dem eigentlichen Dienstleistungsvertrag mit Dienstleistern außerhalb der EU geschlossen. Im Anhang zu den Klauseln befinden sich zwei Formulare, in denen Einzelheiten zu den Parteien, den exportierten Daten, der Datenverarbeitung und den Sicherheitsvorkehrungen beim Dienstleister eingetragen werden können.

So wechseln CIOs den Outsourcing-Partner
So wechseln CIOs den Outsourcing-Partner
Bei Unzufriedenheit unbedacht den Dienstleister zu wechseln ist gefährlich. Zu prüfen sind unter anderem Laufzeit, Folgekosten und Optionen wie Multisourcing.
1. Die Gründe für das Outsourcing nochmals überprüfen:
"Rufen Sie sich die Gründe dafür zurück, warum Sie sich ursprünglich zum Auslagern entschieden haben", rät Edward J. Hansen von der Anwaltskanzlei Baker & McKenzie. Wenn diese Gründe immer noch gelten, reicht es, sich einen neuen Dienstleister zu suchen. Falls nicht, muss die ganze Strategie überdacht werden - und das Unternehmen entschließt sich möglicherweise zum Insourcing.
2. An die Vertragslaufzeiten denken:
Wer den Anbieter wechseln will, tut das am besten, wenn das bisherige Abkommen ausläuft. Die Zusammenarbeit während der Laufzeit zu beenden, ist nur in dringenden Fällen ratsam.
3. Den Vertrag genau studieren:
Es kann Streit ums Geld geben, wenn ein Vertrag vorzeitig beendet werden soll. Schon aus diesem Grund muss der bestehende Vertrag genauestens unter die Lupe genommen werden. Wer geschickt ist, baut in künftige Abkommen ein, in welcher Weise ein Dienstleister den Kunden bei einem Provider-Wechsel unterstützen muss.
4. Wiederverhandeln kann sinnvoller sein als Aussteigen:
Ein Anbieterwechsel kann sich kompliziert gestalten. Wer das vermeiden will, sollte den bestehenden Vertrag lieber neu verhandeln. Entscheider müssen die eigenen Motive für den Wunsch nach einem Wechsel überprüfen.
5. Den bestehenden Dienstleister durchleuchten:
Dieser Punkt knüpft an den vorhergehenden an. Wenn der Grund für den Wechsel-Wunsch darin liegt, dass der Dienstleister schlechte Qualität liefert, muss sich auch der Kunde nach den Gründen dafür fragen. Ein offenes Gespräch kann in Neu-Verhandlungen statt im Wechsel enden.
6. Es wird Ärger mit dem Faktor Mensch geben:
Wenn Mitarbeiter des neuen Dienstleisters ins eigene Unternehmen kommen, kann es zu zwischenmenschlichen Reibereien kommen. Das darf nicht unterschätzt werden.
7. Beim Wechsel mit unproblematischeren Teilen beginnen:
Rechenzentrum-Services oder Disaster Recovery bieten sich als Erstes an, wenn der Dienstleister gewechselt werden soll. Generell gilt: Nicht mit dem Kompliziertesten anfangen!
8. Die Kosten eines Wechsels kalkulieren:
Wer durch den Wechsel des Anbieters Kosten senken will, muss bedenken, dass die Neu-Organisation des Outsourcings selbst auch Geld kostet. Diese Ausgaben müssen gegen mögliche Einsparungen abgewogen werden.
9. Multisourcing als Alternative:
Wer das bisherige Abkommen auflösen will, zielt meist auf Multisourcing ab, statt sich wieder für einen einzigen Anbieter zu entscheiden. Das ist zumindest die Beobachtung von Jeffrey Andrews (Anwaltskanzlei Thompson & Knight). Entscheider sollten sich des damit verbundenen Zeitaufwandes bewusst sein.
10. Aus den eigenen bisherigen Fehlern lernen:
Das vielleicht Wichtigste ist, die eigenen Erfahrungen festzuhalten, um beim nächsten Mal daraus zu lernen.

Diese Vertragsvorgaben ergänzen und präzisieren die Vertragsbedingungen hinsichtlich der datenschutzrechtlich geforderten Mindeststandards. Zu beachten ist, dass sich neben den Standardvertragsklauseln aus dem BDSG noch weitere datenschutzrechtliche Anforderungen ergeben können. Die Klauseln müssen übernommen werden, sind per se aber noch kein datenschutzrechtlicher "Freifahrtschein".

Die Standardvertragsklauseln sehen in Klausel 11 ausdrücklich auch die Einbindung von Unterauftragnehmern durch den beauftragten Dienstleister vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Einwilligung: Der Auftraggeber hat vorher schriftlich in die Unterauftragsvergabe eingewilligt. Die Einwilligung kann auch als Generaleinwilligung erfolgen, also ohne die Unterauftragnehmer individuell zu benennen.

  2. Weiterreichen der Vertragsregelungen: Dienstleister und Unterauftragnehmer schließen einen schriftlichen Vertrag, der dem Unterauftragnehmer die gleichen Pflichten auferlegt, die auch der Dienstleister nach den Standardvertragsklauseln erfüllen muss, die Bedingungen der Auftragsdatenverarbeitung müssen also an den Unterauftragnehmer weitergereicht werden.

Zusammenfassung

Für Nearshore-Softwareentwicklung sind die rechtlichen Rahmenbedingungen klar geregelt. Unternehmen, die Dienstleister aus Nearshore-Ländern wie Armenien, der Ukraine oder Rumänien beauftragen wollen, sind auf der sicheren Seite, wenn sie die folgenden Punkte beachten:

  1. Die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sowie der erforderlichen Prüf- und Dokumentationspflichten liegt beim Auftraggeber. Verstöße können zu Maßnahmen der Aufsichtsbehörde sowie zu Bußgeldern führen. Insbesondere ist durch das Unternehmen sicherzustellen, dass die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Dienstleister nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch in der Praxis erfüllt werden.

  2. Sofern das Unternehmen einen Dienstleister innerhalb der EU beauftragt, gilt die jeweilige Umsetzung der EU-Datenschutzrichtlinie, in Deutschland also §11 BDSG. Zusätzlich zum eigentlichen Dienstleistungsvertrag ist deshalb lediglich eine Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung abzuschließen.

  3. Sofern das Unternehmen einen Dienstleister außerhalb der EU beauftragt, sind zusätzlich zum eigentlichen Dienstleistungsvertrag noch die von der EU-Kommission erstellten Standardklauseln in unveränderter Form vertraglich zu vereinbaren, um den Anforderungen an ein "angemessenes Datenschutzniveau" Rechnung zu tragen.

  4. Sofern der beauftragte Dienstleister einen Unterauftragnehmer außerhalb der EU beauftragt,