Wer hilft bei der Kapitalsuche?

Neue Finanzierungsideen für IT-Gründer

15.01.2014 von Axel Gloger
Die Idee ist wichtig, das Marketing-Konzept, die Mitarbeiter sowieso - aber vor allem auch die Finanzierung. Wir zeigen, wie Gründer an Geld kommen können.

Wer noch schnell eine Visitenkarte für das nächste Gespräch beim Kunden brauchte, hatte es einfach. Adresse eingetippt, Geld eingeworfen - und schon spuckte der Automat einen Satz von 50 Visitenkarten aus. So ein Gerät stand früher am Hamburger Hauptbahnhof nahe der Fahrkartenausgabe - mittlerweile ist es längst abgebaut.

Eine Vielzahl von Quellen stehen Gründern offen, wenn sie auf der Geldsuche sind.
Foto: vege - Fotolia.com

Aber das Konzept mag Aike Baumann zu ihrer Geschäftsidee angeregt haben: Sie gibt Managern und Unternehmern, die in China verkaufen wollen, eine Visitenkarte für ihr Produkt. Elektronisch, versteht sich. Die Hamburgerin gründete im vergangenen Jahr den Internet-Dienst Jiayoo.

Viele Wege führen zum Geld

Das Versprechen ist beinahe so einfach wie das der Automaten an den Bahnhöfen: "Das Unternehmen stellt Text und Produktfotos. Wir übersetzen das ins Chinesiche. Dann präsentieren wir das Angebot in unserer chinesischen Web-Plattform", erzählt die Gründerin. So würden deutsche Angebote von Käufern in China gefunden. "Und wer in Shanghai mit seinem Kunden spricht, zeigt sein Angebot auf dem Bildschirm des Tablet-PC, ohne Sprachbarriere." Die ersten Kunden waren begeistert.

Kopie oder Innovation?
Evernote
Stepan Pachikov konnte einige Millionen für seinen virtuellen Notizzettel einsammeln.
Dropbox
Dropbox, Gratis Archivservice für Bilder und Videos, hat über 25 Millionen Nutzer.
Zalando
Der auf Bekleidung spezialisierte Online-Shop Zalando gehört zu den erfolgreichsten Startups.

Für ihren Start schuf sich die 35-Jährige die passende Finanzierung. Weil Jiayoo beim Aufbau zwar Kosten verursachte, aber noch keine Gewinne abwarf, musste sie vorbauen. "Eigene Ersparnisse. Geld von Familie und Freunden. Gründermittel von der Bank", zählt die Unternehmerin auf, wie sie den nötigen Treibstoff für ihre Gründung beschaffte. So wie Aike Baumann geht es vielen. "Am Anfang der Gründung steht eine zündende Idee - und die braucht dann ihre Finanzierung", beschreibt Stephan Stubner, Professor für Strategie und Familienunternehmen der HHL Leipzig Graduate School of Management, die Agenda.

So kommen Gründer an Geld

Beispiele für Finanzierungsquellen jenseits des Bankkredits:

Friends & Family: Gründer beschaffen sich das Kapital aus ihrem persönlichen Netzwerk. Finanzierungsvolumen sind sehr unterschiedlich, meist vier- bis fünfstellige Euro-Beträge.

Business Angels: Mit Gründungen erfahrene Privatpersonen, die eigenes Geld in Form von Beteiligungen investieren. 10.000 bis 50.000 Euro.

Venture-Capital-Geber: Professionelle Investoren, die Mittel investieren, die zuvor von privaten Anlegern eingesammelt wurden. 150.000 bis 2.000.000 Euro.

Crowdfunding: Finanzierungsplattformen wie Seedmatch oder United Equity sprechen Kapitalgeber im Internet an. 50 bis 1000 Euro.

Gründerfonds: Die Finanzierer reichen Kapital aus Fonds weiter, die vornehmlich aus Steuermitteln (Bund, Land, EU) gespeist werden, etwa High-Tech Gründerfonds (Bonn) oder Technologiegründerfonds Sachsen (Leipzig). 250.000 bis 500.000 Euro.

Quelle: HHL, COMPUTERWOCHE-Recherchen

Kapital suchende Unternehmen können heute eine Vielzahl von Wegen beschreiten, um an Mittel für den Start zu gelangen. Auch ungewöhnliche Quellen bringen den gewünschten Zugang zur Finanzierung, wie kürzlich zwei Unternehmer aus dem Rheinland zeigten. Die Firma Doms brauchte einen neuen Bagger, Kostenpunkt: ein fünfstelliger Euro-Betrag. Geschäftsführer Christian Kremer und Tobias Backhaus gingen aber nicht zur Bank, sondern bedienten sich eines noch jungen Finanzierungskanals - des sogenannten Crowdfundings. "Crowd" ist Englisch und heißt übersetzt "Masse", und genau darum geht es: Per Internet werden Geldgeber direkt angesprochen, Privatleute ebenso wie Firmen. Bei Doms klappte das gut. 52 Investoren konnten gewonnen werden, in der Summe kamen 34.400 Euro zusammen. "Die Finanzierung stand innerhalb von wenigen Tagen", freut sich Adrian Porger, Geschäftsführer der Crowdfunding-Plattform united-equity.de.

Crowdfunding statt Bankkredit

Auch bei den IT-Gründern ist die frohe Botschaft schon angekommen. Der Berliner Unternehmer Oliver Lünstedt und seine beiden Kompagnons etwa holten sich das Gründungskapital ebenfalls von der Masse: 250.000 Euro sammelte das Trio ein, um den Carsharing-Anbieter Carzapp.net an den Start zu bringen. Ihr Konzept: Über die von Lünstedt betriebene Internet-Plattform können Privatleute ihren Pkw an Dritte vermieten, damit er nicht so viel ungenutzt in der Garage herumsteht. Das Trommeln für die Geldanlage bei Carzapp übernahm die auf Crowdfunding spezialisierte Plattform Seedmatch.de.

Verbündete im Netz suchen

Den Charme dieses Finanzierungsformats für Gründer beschreibt United-Equity-Chef Porger: "Das Verfahren ist für die Gründer unkompliziert. Innovative Unternehmer können hier ihre Story verkaufen." Statt wie bei einer Bank als Bittsteller aufzutreten, gehen sie ins Netz und suchen Verbündete für ihre Wachstumsgeschichte. "Das Geld kommt meist von Leuten, die das Geschäft kennen - und eine interessante Anlage suchen." Das Bagger-Investment etwa bringt den Anlegern einen Zinssatz von 5,5 Prozent. Das ist deutlich mehr, als ein Festgeldkonto bei einer Bank abwirft. Allerdings ist auch das Verlustrisiko höher: Wenn die finanzierte Investition ein Flop wird, ist das Geld mit hoher Wahrscheinlichkeit weg. Diese Botschaft allerdings haben die Baggerfinanzierer verstanden. Sie beteiligten sich mit durchschnittlich 640 Euro bei Doms. Bei so einer Summe ist das Risiko beherrschbar.

Adrian Porger, Geschäftsführer der Crowdfunding-Plattform united-quity.de: "Manchmal steht die Finanzierung innerhalb von wenigen Tagen."
Foto: united-equity.de

Als Aike Baumann auf Geldgeber-Suche ging, war ihr klar, dass sie ihre Finanzierung auf mehrere Beine stellen würde. Das Ersparte aus vorheriger Berufstätigkeit bildete den Grundstock. Ergänzend kam ein Kanal hinzu, den viele IT-Gründer nutzen: In der Branche ist er als "Friends & Family" bekannt. "Das Netzwerk aus Freunden und Familie wird eingeladen, sich mit überschaubaren Einzelbeträgen an der Gründung zu beteiligen", erläutert HHL-Professor Stubner das Finanzierungsformat. Um ihr Gründerkapital weiter aufzufüttern, wandte sich die Hamburger Unternehmerin auch an verschiedene Banken. Sie machte Termine, stellte ihr Konzept vor und lenkte das Gespräch auf einen Gründerkredit. Die Ergebnisse waren durchwachsen. Die Großbanken interessierten sich offenbar nicht für die Finanzierung eines Startups. Anders sah das Bild bei Sparkassen und Volksbanken aus. Hier kam sie nach einigen Vorgesprächen weiter - und schloss schließlich einen Finanzierungsvertrag ab: Über die Bank erhielt sie Zugang zu einer zinsgünstigen Gründerfinanzierung der KfW.

Für die Gründerin von Jiayoo war dieser Weg ideal. "Ich wollte als Sologründerin starten und erst einmal unabhängig bleiben", sagt Aike Baumann. Ihren Aufbruch als digitaler Helfer für Unternehmer auf den Weg in den chinesischen Markt wollte sie selbst gestalten, ihre Idee ohne den Eingriff von Dritten zur Reife bringen. Deshalb wählte sie den Weg über die Gründerfinanzierung über das Geldhaus. "Die Bank gibt die Finanzierung, der Gründer zahlt dafür Zinsen", so lautet die Grundlage für den typischen Kredit.

Firma läuft, Finanzierer sind zufrieden

"Jetzt haben wir gerade die zweite Finanzierungsrunde abgeschlossen", freut sich Ulrich Beckmann von Data Virtuality.

Das Leipziger Startup befindet sich im Aufwind. Fünf Unternehmenskunden hat der Software-Dienstleister an Bord, drei befinden nach seinen Aussagen im Anmarsch. Das Portal Windeln.de etwa lässt über die neue Software von Data Virtuality sein Data Warehousing organisieren.

Die erste Finanzierungsrunde fand im Jahr 2012 statt: Vom Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS) und dem High-Tech Gründerfonds (HGTF) sammelten sie je 500.000 Euro ein - in Form einer Beteiligung am Eigenkapital. Als immaterielle Mitgift bekamen sie die Kompetenz der Finanzierer. Mit ihren Gründern sind die Investoren so zufrieden, dass beide auch zur zweiten Finanzierungsrunde antraten.

Geldgeber sitzen im Beirat

Andere Wege ziehen mehr Mitsprache nach sich. Sören Schuster etwa gebietet über die Gründerfinanzierung des Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS). Hier werden hauptsächlich von der EU und dem Land bereitgestellte Mittel unter die Gründer gebracht, drei regionale Sparkassen sowie die Landesbank Baden-Württemberg treten als Co-Finanzierer auf Fondsebene auf. "Wir geben Eigenkapital, steigen als Minderheitsgesellschafter in Startups ein", beschreibt der TGFS-Geschäftsführer die Agenda. Seine Spezialität sind die Seed-Finanzierungen ("Seed" steht, wörtlich übersetzt, für "Saat", Anm. d. Red.), hier kommen Gründer in einer sehr frühen Phase ihres Projekts an Kapital. "Meist sind wir schon dabei, wenn eine Idee noch ganz am Anfang steht", sagt Schuster. Der Gründer sollte seinen Geldgebern allerdings plausibel machen können, dass er innerhalb von 18 Monaten ein verkäufliches Produkt auf die Beine stellen kann.

Sören Schuster, Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS): "Wir geben Eigenkapital und steigen als Minderheitsgesellschafter ein."
Foto: Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS)

Die Finanzierung über den Technologiegründerfonds Sachsen oder seine Pendants in anderen Bundesländern folgt einem bestimmten Muster: "Der Gründer bekommt Investitionsmittel. Im Gegenzug gibt er Teile seines Unternehmens und damit seines persönlichen Gewinns ab und räumt den Gesellschaftern Mitspracherechte ein", erläutert der TGFS-Chef den Deal. Der neue Gesellschafter wird damit zum Mitgestalter des Unternehmens: So bringen die Kapitalgeber häufig ihre Kontakte ein, stehen mit Rat und Tat zur Seite und ziehen meist in den Beirat oder den Aufsichtsrat ein - ohne allerdings Aufgaben im operativen Geschäft zu übernehmen.

Kontakte und Tipps von Financiers

Solche Beiträge sind durchaus hilfreich. "Das externe Kapital hat einen wichtigen Erziehungseffekt", preist Frank Thelen die Leistungen der Mitgesellschafter. Über seine Co-Investoren hat der Gründer von Doo.net nicht nur 6,4 Millionen Euro, sondern auch Erfahrungskapital bekommen. "Ich habe Partner gewonnen, die ich auch mal am Wochenende anrufen kann, wenn es eine wichtige Frage zu klären gibt", sagt der Bonner Gründer. Im Jahr 2012 ging er mit Doo an den Start.

Frank Thelen: Doo.net: "Ich habe Finanzierungspartner gefunden, die ich am Wochenende anrufen kann."
Foto: doo.net

Das Versprechen des Internet-Dienstleisters: Er beseitigt das Papierchaos zu Hause - und legt Rechnungen, Briefe, Behördenpost und Versicherungspapiere in einen digitalen Aktenschrank. Finanzierer sind Xing-Gründer Lars Hinrichs, Pricing-Guru Hermann Simon, DuMont Ventures und der Venture-Capital-Geber Target Partners. "Die Investoren sind in unserem Beirat vertreten", beschreibt der Doo-Geschäftsführer die Schnittstelle zu den Geldgebern, "wir diskutieren mit ihnen Budgets, die Strategie sowie wesentliche Investitionen." Zudem hat Thelen eine wichtige Ressource schätzen gelernt, die für jeden Startup-Unternehmer wichtig ist: den informellen Austausch mit seinen Kapitalgebern. "Gute Tipps, wertvolle Kontakte", beschreibt der Internet-Unternehmer einen bedeutenden Beitrag, den die Investoren leisten. (hk)

Axel Gloger ist freier Journalist in Bonn.