Recruiting für Zeitarbeit und Personaldienstleistung

Online-Jobbörsen überflügeln Arbeitsagenturen

01.08.2018 von Hans Königes
Die Digitalisierung macht auch vor dem Recruiting im Markt für Zeitarbeit und Personaldienstleistungen nicht halt. Eine Lünendonk-Studie zeigt, dass Online-Jobörsen den Arbeitsagenturen den Rang ablaufen. Ein wichtige Rolle dürfte künftig auch Programmatic Job Advertising spielen.
  • Die führenden Anbieter rekrutieren 28,4 Prozent der Zeitarbeitnehmer über Online-Jobbörsen.
  • Die "Offline-Rekrutierung" per Brief, Print-Anzeigen oder Jobmessen ist rückläufig.
  • Mit Programmatic Job Advertising hält ein Verfahren aus dem Online-Marketing im Bewerbermarkt Einzug.

Der Wettbewerbsfaktor Nummer eins im deutschen Markt für Zeitarbeit und Personaldienstleistungen ist die Rekrutierungsstärke. Waren die Arbeitsagenturen bislang stets der wichtigste Kanal im Recruiting, zeigt sich in der aktuellen Lünendonk-Studie "Zeitarbeits- und Personaldienstleistungs-Unternehmen in Deutschland" folgende Zäsur:

In Summe laufen die digitalen Rekrutierungskanäle bereits seit einigen Jahren der "Offline-Rekrutierung" den Rang ab.
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"Die Arbeitsagenturen wurden nach einem Anlauf über mehrere Jahre jetzt sehr deutlich von den Online-Jobbörsen überholt", analysiert Hartmut Lüerßen, Partner bei Lünendonk & Hossenfelder, die Situation. In Summe sind die digitalen Rekrutierungskanäle den Untersuchungen des Research-Unternehmens zufolge bereits seit einigen Jahren wichtiger als die "Offline-Rekrutierung" per Brief, Print-Anzeigen oder Jobmessen. "Diese Zäsur steht symbolisch für die steigende Bedeutung der Digitalisierung im Personaldienstleistungsmarkt", so Lüerßen weiter.

Fragile Balance zwischen Kosten- und Innovationsdruck

Nachdem die Zeitarbeitsunternehmen 2017 viel Zeit und Geld investieren mussten, um die neue Gesetzgebung umzusetzen, Mitarbeiter zu schulen und Kunden auf die neuen Regeln vorzubereiten, geht es jetzt darum, sich für die digitale Zukunft aufzustellen. Diese Balance zwischen Kostendruck, Kandidatenmangel, erwarteten höheren Übernahmequoten und Innovationsdruck sei, so die Studie, schwer auszutarieren.

Personaldienstleister in der Diskussion
Freiberufler-Markt 2017: Gipfeltreffen der Personaldienstleister
Auf in die Allianz Arena: Vertreter der wichtigsten Personaldienstleister diskutierten mit Computerwoche-Redakteurin Karen Funk über Herausforderungen im Freiberufler-Markt.
Nikolaus Reuter, Vorstandschef Etengo:
„Auch für Personaldienstleister stellt Digitalisierung – konkret die Automatisierung von Prozessen sowie der Einsatz innovativer Technologien – eine Herausforderung dar. Gerade in unserer Branche gilt es, künftig mehr Wissen aus seinen Daten zu generieren. 2018 wird ein wirtschaftlich gutes Jahr!“
Stefan Frohnhoff, Geschäftsführer Emagine:
„Die Digitalisierung wird uns noch viele Jahre beschäftigen. Den Digitalisierungsexperten gibt es nicht, Digitalisierung ist ein sehr weites Feld. 2018 erwarte ich spannende Projekte und in unserer Branche eine Professionalisierung der Lieferfähigkeit.“
Simon Gravel, CEO Freelance.de:
„In der Personaldienstleistungsbranche ist Digitalisierung noch nicht viel mehr als ein Buzzword. Das ist kurzsichtig – vor allem, weil wir in anderen Branchen schon sehen können, wohin die Reise geht. Fintech und Insurtech zeigen, dass Nutzer sehr offen dafür sind, auch komplexe Geschäfte rein digital zu managen. Eine digitale Plattform, auf der sie ihr Arbeitsleben selbstbestimmt organisieren, passt da genau rein. Wer diese Entwicklung verschläft, wird bald das Nachsehen haben. Meine Prognose für das kommende Jahr: Es wird mehr Integration von Freelancer-Marktplätzen in bestehenden IT-Landschaften geben, die zu schnelleren und effektiveren Besetzungen führen. Die richtigen Fachkräfte zu finden, wird in vielen Branchen immer schwieriger für Unternehmen. Die Integration bietet eine neue Lösung."
Maxim Probojcevic, Leiter Marketing bei Solcom:
“Der persönliche Kontakt ist für die Freelancer sehr wichtig, das löst kein Chatbot. Ich sage der Branche eine prosperierende Zukunft voraus, wobei sich der Markt weiter konsolidieren wird.“
Markus Reefschläger, Geschäftsführer der Geco Group:
„Digitalisierung birgt viel Unwissenheit und Unsicherheit. So fragen viele Kunden nach DevOps-Experten. Oft, ohne selbst zu wissen, was das ist. Die Beratung hinsichtlich dieser Thematiken wird meines Erachtens essentieller werden. 2018 bewegen uns wir uns in einigen Standardskill-Bereichen stärker in Richtung Arbeitnehmerüberlassung. Dies ist aber weder für IT Experten/-Berater noch für uns oder unsere Kunden eine Alternative für hochwertiges Projektgeschäft.“
Mark Hayes, Country Manager bei Harvey Nash:
“Wir haben in Einzelfällen schon Freie davon überzeugt, in der Arbeitnehmerüberlassung für uns zu arbeiten, wenn es um größere Konzerne mit interessanten Projekten etwa im Bereich Big Data ging. Grundsätzlich aber stellt die AÜ keine Alternativ zum Freelancing dar, sondern muss viel mehr als eigenständiges Einsatzmodell betrachtet werden. 2018 wird es mehr Transformationsprojekte als bisher geben.“
Luuk Houtepen, Director Business Development SThree DACH:
“Deutsche Unternehmen generieren einen Wettbewerbsnachteil, indem sie an Deutsch als Projektsprache festhalten. Unsere noch ziemlich junge Branche wird sich 2018 mittels Verbänden wie ADESW & APSCo weiter professionalisieren und eine positive Entwicklung nehmen.“
Paul Laumann, Director Regional Sales IT & Engineering bei Experis:
„Wir müssen uns überlegen, welche Rolle wir spielen, welche Mehrwerte wir bieten können, wenn Künstliche Intelligenz das Matching übernimmt. Mit Blick auf 2018 bin ich auf die Auswirkungen des neuen Arbeitnehmerüberlassungs-Gesetzes gespannt.“
Stefan Symanek, Marketing-Leiter bei Gulp:
„Nach neun Monaten Equal Pay? Teils verdienen unsere Mitarbeiter in der AÜ mehr Geld als die Stammbelegschaft. Für 2018 erwarte ich, dass wir endlich Ruhe in die Branche bekommen.“

Dabei wollen die führenden Anbieter an erster Stelle in die Rekrutierung investieren. Hier klopft beispielsweise mit Programmatic Job Advertising ein innovatives Verfahren aus der Online-Marketing-Welt an die Tür des stark umkämpften Bewerbermarkts: Services und Plattformen, die anhand von Analytics die jeweils erfolgversprechendsten Kanäle und Stellenbörsen auswählen und auch an den etablierten Bezahlmodellen rütteln dürften. An zweiter Stelle sind Investitionen in den Vertrieb zu nennen, gefolgt von "mobile-optimierten Web-Auftritten" und "Anbindung externer Service-Portale und Dienste".

Digitalisierung bleibt das dominierende Thema

Aus der Marktperspektive betrachtet sollte die Möglichkeit, innovative Technologien oder externe (Online-)Dienste anzubinden, nicht unterschätzt werden. Für die Personaldienstleister geht es darum, flexible und mobile-fähige Prozessketten abzubilden. Dabei sollen auch externe Services wie Stellenmarkt-Suchmaschinen und automatisches Matching mit vorhandenen Kandidatenprofilen eingebunden werden können.

Hartmut Lüerßen: "Die Digitalisierung wird die Entwicklungen im Markt für Personaldienstleistungen auf Jahre hinaus massiv beeinflussen."
Foto: Lünendonk & Hossenfelder

"In wenigen Jahren könnten Kunden daran gewöhnt sein, auch Business-Themen durch die künstliche Intelligenz von Alexa, Google Assistant etc. in den Äther zu sprechen. Wenn dann ‚Google for Jobs‘ in Deutschland verfügbar ist, rufen vielleicht schon die ersten Bewerber an, wenn der Personaler oder Werksleiter noch im Stau auf der Autobahn steht", prophezeit Lüerßen. Voice Commerce, so der Analyst, klinge noch sehr nach Zukunftsmusik. Aber von der Einführung des iPhones im Jahr 2007 und mobile first/mobile only seien es auch nur acht Jahre gewesen. Klar sei: Die Digitalisierung werde die Entwicklungen im Markt für Personaldienstleistungen auf Jahre hinaus massiv beeinflussen.

Die Lünendonk®-Studie "Zeitarbeits- und Personaldienstleistungs-Unternehmen in Deutschland" kann bei Lünendonk ab sofort unter www.luenendonk-shop.de bestellt werden. Die Studie kostet 2000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer.