Oracle bietet Aris als eigenes Produkt an

03.08.2006 von Karin Quack
Vor allem auf Wunsch der US-Kundschaft ist IDS Scheer eine Partnerschaft mit dem SAP-Konkurrenten eingegangen.

Mehr als die Hälfte ihrer Umsätze erzielt die IDS Scheer AG, Saarbrücken, außerhalb Deutschlands. Gute Beziehungen zur SAP AG, Walldorf, und eine tiefe Integration der eigene "Aris"-Werkzeuge in das ESA-Repository des Marktführers genügen vielleicht, um den größten Teil des heimischen Marktes zufrieden zu stellen. Doch in den USA sind die Applikationen der Oracle Corp., Redwood Shores, Kalifornien, ein ernst zu nehmender Mitbewerber für R/3 und Mysap (siehe auch: "Oracle tut sich schwer in Deutschland" und "SAP vs. Oracle: Der Kampf um die Kunden wird härter")

Wolfram Jost, Mitglied des IDS-Scheer-Vorstands

Deshalb suchten die Saarbrücker Mittel und Wege, um den Oracle-Anwendern den gleichen Komfort bieten zu können wie den SAP-Usern. "Viele große Kunden wollen diese Integration, damit sie ihre Prozesse unabhängig von der technischen Plattform mit Aris beschreiben, analysieren und managen können", bestätigt Wolfram Jost, Mitglied des IDS-Scheer-Vorstands und Leiter der Produktsparte.

Diesem Kundenwunsch kommt IDS Scheer durch eine jetzt angekündigte Partnerschaft mit Oracle entgegen. Sie mündet in eine bidirektionale Schnittstelle zwischen Aris und der Oracle-Middleware "Fusion" sowie einem Reseller-Abkommen, in dessen Rahmen Oracle Teile der Aris-Suite an seine Kunden weitergeben darf. Im vierten Quartal dieses Jahres wollen die Kalifornier die "Oracle Business Process Analysis Suite" auf den Markt bringen. Sie besteht im Wesentlichen aus dem Prozessdesign-Teil von Aris sowie einem Zweiwege-Interface auf der Basis des BPEL-Standards (Business Process Execution Language).

Der Produktcharakter der Integration und das Reseller-Abkommen unterscheiden die Partnerschaft mit Oracle von der mit dem anderen großen Middleware-Anbieter, der IBM Corp. Armonk, New York. "Mit IBM kooperieren wir eher auf Projektbasis - wenn auch mit großen Kunden", erläutert Jost, "und zu Websphere gibt es nur eine einseitige Schnittstelle, also keine Rückspiegelung an Aris."

Allerdings habe IDS Scheer, so das Vorstandsmitglied, bereits erste Gespräche geführt, um auch im IBM-Umfeld zu ermöglichen, was in der Oracle-Welt demnächst möglich sein soll: Die in Aris erstellten Prozessmodelle werden in Oracles Fusion-Middleware übertragen, mit Informationen über die "Execution" ergänzt, anschließend ausgeführt und schließlich zu Aris zurückgeschickt, wo sie verändert und verwaltet werden. Eine ähnlich tiefe Integration besteht derzeit nur noch zur "Interstage"-Suite von Fujitsu.

Übersicht der Aris-Oracle-Integration.

Deutlich weiter reicht jedoch die Kooperation mit der SAP AG, Walldorf. Dazu Jost: "Die Partnerschaft mit SAP zeichnet sich dadurch aus, dass es ein gemeinsames Respository, nämlich ESR, gibt, in dem die Daten nur noch einmal physisch vorhanden sind." Eine derart enge Integration haben die Saarbrücker bislang nur einmal verwirklicht - eben mit der SAP, zu der IDS Scheer bereits seit 15 Jahren ein enges Verhältnis pflegt. Eigenen Angaben zufolge erzielen die Saarländer heute schon 35 bis 40 Prozent ihrer Umsätze im direkten SAP-Umfeld. Das gemeinsame Produkt "Aris for Netweaver" dürfte diesen Anteil weiter steigern.

Wie die Walldorfer auf die jüngste IDS-Scheer-Ankündigung reagieren werden, lässt sich derzeit nur vermuten. "SAP ist informiert, und unsere Beziehung wird darunter nicht leiden", lautet Josts Kommentar. IDS Scheer sei "stark kundengetrieben" und die IT-Welt nun einmal nicht homogen, rechtfertigt er die Strategie seines Arbeitgebers: "Da lässt es sich nicht vermeiden, dass man auch einmal mit Partnern kooperieren muss, die untereinander im Wettbeweb stehen." Schließlich biete ja auch die IBM ihr Websphere gegen ESA an - trotz der partnerschaftlichen Beziehungen zu SAP.

Meinung der Redakteurin

Angesichts der selbst genannten Begründung ("auf Drängen der Kunden") ist IDS Scheer mit dieser Integration auf halben Weg stehen geblieben. Um den Oracle-Anwendern die Arbeit mit dem "Aris"-Prozessdesign zu leicht wie möglich zu machen, wäre ein gemeinsames Repository - wie bei der Partnerschaft mit SAP - hilfreich.

Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautete, war ursprünglich auch mit Oracle ein gemeinsames Repository geplant. Dass es - zumindest vorläufig - nicht dazu kam, wird offiziell mit dem Time-to-Market-Argument begründet: Man habe den Oracle-Kunden möglichst schnell eine Lösung bieten wollen.

Das ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Doch darüber hinaus sind die Saarbrücker auch sorgfältig darauf bedacht, den Sonderstatus der SAP unter ihren Softwarepartnern zu wahren. Eine vollständige Integration mit dem Oracle-Repository brächte das Unternehmen in Erklärungsnotstand gegenüber dem ehemaligen Anteilseigner. So allerdings werden wohl einige Kunden Erklärungen fordern. (qua)