Outsourcen? Ja, aber nicht alles

18.10.2001 von Joachim Hackmann
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Brauchen Unternehmen angesichts von vielfältigen Outsourcing-Angeboten noch eine eigene IT? Jein, lautete die deutliche Antwort von Anwendern und Beratern auf dem CW-Kongresses „IT meets Business“, denn ein gewisses Maß an IT-Kompetenz im Hause ist in jedem Fall erforderlich.

Das Bekenntnis zum Outsourcing fiel klar aus. In der Diskussionsrunde anlässlich des von der CW veranstalteten Kongresses „IT meets Business“ in München gab es niemanden, der die Auslagerung von IT grundsätzlich abgelehnt hätte. Ein Disput entzündete sich lediglich an der Frage, wie tief man externe Dienstleister ohne Gefahr für das Kerngeschäft in die Unternehmens-IT vordringen lassen könne.

Eine Tabuzone für jeden Outsourcer bleibt ein Bereich, der in den Unternehmen Bezeichnungen wie „IT-Management“, „Business-IT“ oder „IT-Stabsstelle“ trägt. Dort sitzen die Experten, die die Schnittstellen zwischen Geschäftsprozessen und IT im Auge haben, Innovationen für das Unternehmen anstoßen und - soweit Dienstleister beschäftigt werden - Service Levels definieren, deren Qualität im Rahmen des IT-Controllings überprüfen, Verträge gestalten und gegebenenfalls neue Partner suchen. Sie verantworten die IT-Strategie des Unternehmens im Dienste des Kerngeschäfts und beherrschen das Wechselspiel zwischen Fach- und IT-Abteilungen. Ausnahmslos alle anderen die IT betreffenden Bereiche sind prinzipiell auslagerungsfähig.

Zwei extreme Positionen nahmen in dieser Diskussion die Vertreter von dem Bauunternehmen Hochtief und den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ein. Während Hochtief sein Kerngeschäft mittlerweile ohne eigene IT-Tochter betreibt, bauen die BVG-Verantwortlichen ihre interne IT-Kompetenz insbesondere im Bereich der Kernanwendungen kontinuierlich aus.

Beide Standpunkte sind schlüssig und nachvollziehbar:

Die Anfänge des IT-Outsourcings bei Hochtief gehen auf das Jahr 1993 zurück. „Damals standen größere Investitionen an, beispielsweise wollte man auf eine Standardsoftware migrieren“, erinnert sich Frank Schroeder, Leiter des Bereichs IT-Management bei Hochtief.

Allerdings gab es von SAP keine Branchenlösung für das Baugewerbe, so dass die Verantwortlichen sich dazu entschlossen, R/3 an die Bedürfnisse ihres Unternehmens anzupassen und diese selbst entwickelte Lösung außerhalb der Hauses zu verkaufen. Dazu war es jedoch erforderlich, die IT-Abteilung aus dem Konzern zu lösen und als eine eigenständige Gesellschaft am Markt aufzustellen. So ergab es sich, dass die neue GmbH zum einen als Softwareanbieter auftrat, zum anderen die IT-Betreuung für Hochtief übernahm.

Das funktionierte für eine begrenzte Zeit, denn Hochtief wuchs im Ausland, so dass die Kapazität der eigenen IT-Tochter für den Support des gesamten Konzerns nicht ausreichte. Ein weltweit präsenter Partner musste also her. Im Juli dieses Jahres fand man ihn in Cap Gemini Ernst & Young. Der IT-Dienstleister übernahm die komplette IT-Tochter des Essener Unternehmens samt den knapp 250 Mitarbeitern und liefert für die nächsten zehn Jahre IT-Services im Rahmen eines Outsourcing-Vertrags.

Nachteile gegenüber konkurrierenden Baufirmen fürchtet Schroeder nicht, denn die Kompetenz, IT nutzbringend für den Konzern einzusetzen, sei nach wie vor vorhanden: „IT ist nur ein Vehikel, die Geschicklichkeit des Fahrers entscheidet über den Vorteil im Markt. Es kommt auf die Verankerung in den Geschäftsprozessen an. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die konsequente Nutzung von Standardprodukten“ Diese Aufgabe obliegt unter anderem seinem Bereich, dem IT-Management.

Massenware ist unkritisch

An diesem Punkt griff Holger Seedorf, Abteilungsleiter im Zentralbereich Information und Kommunikation bei der BVG, in die Diskussion ein: „Komplettes Outsourcing ist in meinen Augen der falsche Weg, denn die IT hat an Wichtigkeit gewonnen. Ziel eines Unternehmens sollte es sein, ein IT-Management zu installieren und eine kompetente IT-Mannschaft aufzubauen.“

Seine Bedenken rühren aus den schlechten Erfahrungen, die er mit Lieferanten gemacht hat, die im Bereich der Prozesstechnik und bei nicht standardisierten Anwendungen kurzfristig Geschäftsfelder geräumt haben und als Lieferanten plötzlich nicht mehr zur Verfügung standen.

„Für wenige, aber wichtige Anwendungen ist es aus Sicht der Betriebssicherheit und der Verfügbarkeit der unternehmenskritischen Anwendungen erforderlich, internes Know-how vorzuhalten. Aber selbst wenn etwa Entwicklungsaufgaben ausgelagert werden, braucht man enormes Fachwissen im Unternehmen, um diese Aufgaben zu koordinieren sowie um Produkte und Leistungen beschaffen zu können“, argumentiert Seedorf.

Auch beim Outsourcing-Skeptiker Seedorf haben längst externe Serviceunternehmen Einzug gehalten: „An PCs und Servern schrauben wir nicht mehr. Alles, was sich in Stückzahlen und standardisiert einkaufen lässt, zählt nicht zu den wettbewerbsentscheidenden Techniken.“

Der IT-Betrieb insbesondere auf Infrastrukturebene scheint bei vielen Unternehmen auf dem Prüfstand zu stehen: Netz, Rechner, Server und Systemsoftware bieten sich dafür an, von außen unterhalten, gepflegt und verwaltet zu werden, denn selten sind diese Techniken wettbewerbsentscheidend. Wichtig ist allein, dass sie zuverlässig laufen.

Auf Anwendungsebene wird die Entscheidung ungleich schwerer zu treffen sein. Hier lautet die Frage, ob ein Unternehmen die kritische Masse erreicht, um Systeme auch im Vergleich zu externen Anbietern effizient betreuen zu können. Aber auch die Bedeutung einer Applikation für die Prozesse und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmen fließen in eine Outsourcing-Abwägung ein. Wenn IT und Geschäftsabläufe sehr eng verknüpft sind, sollten die Anwender den IT-Betrieb besser im Haus lassen.