Eine Stadt in der Cloud

Private Cloud in der Praxis

19.06.2012
In der Stadtverwaltung Bergheim kommt die IT aus der Wolke. Bei der Einführung standen Wirtschaftlichkeit und Sicherheit im Fokus.
Foto: fotolia.com/crimson

Alle Anwendungen kommen aus der Cloud" - was mancher Experte als Zukunftsvision prophezeit, ist in der Stadt Bergheim längst Realität. Mehr als 100 Applikationen stehen den 350 IT-Anwendern in der Private Cloud der Kommune zur Verfügung. Dazu gehören neben Standardsoftware wie Microsoft Office auch zahlreiche spezifische kommunale Fachverfahren. Diese Anwendungsvielfalt zu virtualisieren war eine große Herausforderung für die IT, doch mit dem Ergebnis sind die Bergheimer heute hochzufrieden. Wolfgang Berger, Fachbereichsleiter Personal und Organisation bei der Stadt Bergheim, sagt dazu: "Unsere IT ist heute wirtschaftlicher, effizienter und leistungsfähiger als je zuvor." Und Theo Kratz, Abteilungsleiter IT, ergänzt: "Darüber hinaus sind unsere Daten und Anwendungen in der Private Cloud bei unserem Partner KDVZ deutlich sicherer."

Entwickelt wurde der Cloud-Gedanke bei der Stadt Bergheim aus akuter Finanznot heraus. Auf der Suche nach Einsparpotenzialen in allen Bereichen der kommunalen Verwaltung kam aus der damaligen DV-Abteilung der Vorschlag, auf Virtualisierung zu setzen, um die vorhandenen Ressourcen wirtschaftlicher zu nutzen. Zunächst wurden einzelne Fachverfahren wie die kommunale Haushaltssoftware auf einer Citrix-XenApp-Umgebung bereitgestellt.

Vorsicht bei der Lizenzierung!
Expertentipp: Vorsicht bei der Lizenzierung!
Jörg Mecke, Area Chief Technology Officer Germany der Comparex AG, gibt Anwendern fünf Tipps für die Lizenzierung in einer Private Cloud:
Skalierbarkeit:
Wer Clouds baut, kann meist weder das Wachstum vorhersagen noch die Anzahl der gleichzeitigen Nutzer. Daher sind "atmende" Lizenzmodelle zu bevorzugen, die nach tatsächlicher Nutzung abgerechnet werden.
Interoperabilität:
Beim Kauf von Produkten ist auf einen möglichst kleinen proprietären Anteil zu achten.
Lizenzeigentum:
Wer eine Virtual Private Cloud für einen Konzern aufbaut, sollte vor dem Kauf festlegen, wer welche Lizenzen beisteuert und was das jeweilige Vertragskonstrukt der Hersteller zulässt.
Freie Endgerätewahl:
Insbesondere in Bring-your-own-Device-Szenarien ist auf "Per-User"- und nicht "Per-Device"-Abrechnung zu achten.
Lizenztypwahl:
Häufig werden Lizenzen für das Rechenzentrum auf Sockel-, Core- oder User-Basis abgerechnet. Aufgrund der immer höheren Leistungsdichte ist der Sockel meist die nachhaltig beste Lösung.

Kosten um 25 Prozent gesenkt

In der Folge hielten wartungsarme und energieeffiziente Thin Clients an den Arbeitsplätzen Einzug. Mit der konsequenten Virtualisierung aller Anwendungen konnten insgesamt rund 25 Prozent der früheren IT-Ausgaben eingespart werden. Als dann im eigenen Rechenzentrum der Austausch der vorhandenen Server anstand, nutzte die Stadt Bergheim die Gelegenheit für einen weiteren Schritt in Richtung mehr Wirtschaftlichkeit. Auf Basis ihrer guten Erfahrungen wollte die Stadtverwaltung nun das Cloud-Konzept verwenden, um die IT-Ausgaben noch flexibler an den tatsächlichen Bedarf anzupassen.

Dabei stand von vorn-herein fest, dass eine Public Cloud nicht in Frage kommt. Wolfgang Berger erklärt den Grund: "Natürlich sind wir uns der besonderen Verantwortung bewusst, die sich aus der Art der von uns verwalteten Daten ergibt. Einwohnerdaten, Sozialdaten, Jugenddaten - das sind ganz sensible Informationen unserer Bürger, bei deren Verarbeitung und Speicherung wir die allerhöchsten Sicherheitsmaßstäbe anlegen."

Datenschutz hat Priorität

Kommunen wie die Stadt Bergheim sind autorisiert, ihre Datenverarbeitung auch von externen Dienstleistern ausführen zu lassen. Dabei unterliegen sie der Pflicht, für den Schutz personenbezogener Daten zu sorgen. Die Stadt Bergheim musste daher den Dienstleister für ihre Private Cloud sorgfältig auswählen und mit ihm einen Vertrag über die Auftragsdatenverarbeitung schließen.

Zu prüfen waren im Auswahlprozess vor allem die Eignung des Dienstleisters und ob er die technischen und organisatorischen Vorgaben gemäß den landes- und bundesrechtlichen Vorschriften zur Gewährleistung des Datenschutzes einhält. "Deshalb war es für uns von vornherein klar, einen Dienstleister zu wählen, der den gleichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen unterliegt wie wir und seinerseits rechtlich verpflichtet ist, die entsprechenden sicherheitstechnischen und organisatorischen Standards zu erfüllen", sagt Wolfgang Berger.

Stadt Bergheim

Die Stadt Bergheim ist die Kreisstadt des Rhein-Erft-Kreises in Nordrhein-Westfalen. Hier leben mehr als 62.000 Menschen. Die Stadtverwaltung ist für alle kommunalen Bürgerangelegenheiten in Bergheim zuständig und beschäftigt 850 Mitarbeiter. Sie betreibt 350 IT-gestützte Arbeitsplätze.

Externe Unterstützung

Foto: AA+W, Fotolia.de

Hinzu kommt, dass die Stadt Bergheim als Mitglied des Zweckverbands faktisch Miteigentümerin des KDVZ ist und dadurch mehr Einflussmöglichkeiten hat als bei einem Public-Cloud-Anbieter. Geprüft wurde dennoch sehr gewissenhaft: etwa in der Frage, ob der Cloud-Partner über ausreichend Fachpersonal und damit Wissen verfügt, sowie die erforderlichen technischen Voraussetzungen in Form einer adäquaten Cloud-Infrastruktur erfüllt.

Theo Kratz erklärt das vorgeschriebene Vorgehen: "Der Nachweis der Einhaltung der Vorschriften kann über eine vorhandene Zertifizierung gemäß ISO 27001 erfolgen. Ansonsten muss eine Überprüfung durch eigene Mitarbeiter oder eine Fachfirma stattfinden." Mit der Überprüfung wurde die IBM betraut. Sie fungierte im Projekt als Berater für die Einhaltung der Sicherheitsvorgaben sowie der technischen Machbarkeit und bestätigte der Stadt Bergheim, dass die Maßnahmen BSI-konform und "State of the Art" sind. Zusätzlich wurden im Zuge des Vertragsabschlusses die relevanten Komponenten der IT-Sicherheit und des Datenschutzes wie etwa Verfügbarkeitszeiten, Wiederherstellungszeiten, Vorschriften zur Einhaltung des Datenschutzes, Datensicherung etc. schriftlich fixiert.

Basis für den Vertrag war eine detaillierte kritische Analyse der bestehenden IT vor der Verlagerung in die Cloud. Diese Prüfung gehörte ebenso zu den Erfolgsfaktoren wie die modulare Organisation des Projekts und eine frühzeitige Einbeziehung aller Beteiligten inklusive Personalrat. Außerdem, so empfiehlt Theo Kratz, sollten Anwender der Technik nur das glauben, was sie auch sehen - besonders wenn es um die Lauffähigkeit von Spezialanwendungen in virtuellen Umgebungen geht. Der IT-Leiter erinnert sich: "Da hatten wir anfangs große Probleme, und es hat lange gedauert, bis wir mit den Produkten von Citrix die Plattform gefunden hatten, die alle unsere Anforderungen erfüllt." Dass mit der IT-Nutzung aus der Cloud weitere zehn Prozent der IT-Kosten eingespart werden konnten, ermutigt Wolfgang Berger zu neuen Cloud-Aktivitäten: "Jetzt denken wir darüber nach, die Vorteile des Cloud Computings unmittelbar für die Bürger erfahrbar zu machen."