Salesforce.com-Deutschlandchef

"Private Clouds sind keine Clouds"

04.07.2013 von Simon Hülsbömer
Joachim Schreiner leitet das Deutschlandgeschäft von Salesforce.com. Der SaaS-Anbieter wächst in Europa derzeit massiv - auch im deutschen Mittelstand. Wir wollten von ihm wissen, wie weit die Cloud-Integration hierzulande schon fortgeschritten ist, was er zum PRISM-Skandal und zur Oracle-Partnerschaft sagt.

CW: Für welche Art von Cloud-Projekten können Sie sich selbst besonders begeistern?

SCHREINER: Ich finde es toll, wenn wir einem Kunden nicht nur Produkte liefern, sondern auch Stück weit unsere "DNA" mitgeben. Dabei geht es vor allem um Kultur. Wenn wir es schaffen, nicht nur den Bestand abzubilden, sondern einem Kunden helfen, auf die nächste Ebene zu kommen, einen Schritt weiter zu denken, dann macht mich das stolz.

CW: Wie oft kommt das vor?

Joachim Schreiner begleitet Unternehmen auf ihrem Weg zur Neuausrichtung in die Cloud.
Foto: Salesforce.com

SCHREINER: Zum Glück immer häufiger. Wir begleiten nicht mehr nur einen einzigen Vertriebs- oder Serviceprozess, sondern Unternehmen, die sich komplett neu aufstellen möchten. Das Backoffice mit ERP- und Verwaltungssystemen wurde in den vergangenen Jahren optimiert, jetzt geht es um das Frontoffice. Ein Beispiel ist der Touring Club Schweiz (TCS), eine Institution wie der ADAC bei uns. Dort haben wir gemeinsam mit unserem Partner Capgemini das Frontoffice gänzlich neu gestaltet. TCS hat sich von einem Dienstleister, der auf Pannen reagiert zu einem Dienstleister, der vielfältige Services anbietet, gewandelt. Versicherungen, Fahrtraining, Bergung, Rückholtransporte - alles über eine zentrale Sicht auf den Kunden.

CW: Was sagen Sie zu den in Deutschland beliebten Private-Cloud-Modellen?

SCHREINER: Private Clouds sind keine Clouds. Das ist nichts anderes als ein Application-Server-Provider-Vertrag, der auch schon im Jahr 2000 hätte abgeschlossen werden können, wenn die nötige Bandbreite verfügbar gewesen wäre. Die wirklichen Vorzüge des Cloud Computing lassen sich nur mit einer Public Cloud erreichen. Aber auch hier gibt es Unterschiede, wir beispielsweise bieten eine Enterprise Public Cloud an. Wir legen Wert auf Sicherheit und Datenschutz, der Kunde allein hat Zugriff auf seine Daten und die Verwaltung der Zugriffsrechte. Infrastrukturen und Datenbanken wiederum werden geteilt, damit die Skalierbarkeit gegeben ist, deshalb ist dieses Modell als öffentliche Cloud anzusehen.

Deutschland-Umsätze gedrittelt

CW: Und wie weit ist die deutsche Anwenderlandschaft mit der Cloud-Integration?

SCHREINER: Gehe ich von unserer Umsatzverteilung aus, gibt es ein gesundes Verhältnis zwischen Enterprise, Mittelstand und KMU. Auf jede der drei Unternehmensgrößen entfällt ungefähr ein Drittel unserer Umsätze in Deutschland. Natürlich muss ich immer noch für die Cloud werben, aber eine große Skepsis kann ich nicht feststellen. Die Unternehmen beschäftigen sich mit Fragen wie "Wo sind meine Daten" und "Welche Zugriffsrechte bestehen", die wir aber beantworten können und damit ist das Thema durch.

CW: Wie wichtig wird die Eröffnung des ersten europäischen Salesforce-Rechenzentrums in London im nächsten Jahr?

SCHREINER: Das Rechenzentrum in UK ist ein deutliches Zeichen für das immense Momentum, das wir derzeit in Europa erleben. Es verändert aber die emotionale Sicht des Kunden - seine Daten liegen nicht mehr jenseits des Atlantiks, sondern diesseits. Es wird die Skalierbarkeit und Geschwindigkeit unserer Leistungen in Europa verändern. Unser Wachstum in Europa ist massiv.

CW: Haben PRISM und Tempora dem Vertrauen in die Cloud geschadet?

SCHREINER: Für salesforce.com ist das Vertrauen unserer Kunden und der Schutz ihrer Daten die oberste Priorität. Wir sind in das PRISM-Programm nicht involviert und ermöglichen keinen Regierungen der Welt den direkten Zugriff auf unsere Server. Wir können unseren Kunden gut erklären, warum das so ist. In unseren Verträgen ist festgehalten, wann und unter welchen Umständen Regierungen Daten bei uns anfordern könnten. In den USA ist das im Patriot Act geregelt, in Deutschland im Anti-Terror-Gesetz. Natürlich ist das Ganze ein Kommunikationsthema, weil eine gewisse Verunsicherung entsteht, wenn die Bild-Zeitung 17 Tage lang Edward Snowden auf der Titelseite abdruckt.

Datenschutz in Deutschland
Der Prism-Skandal beschäftigt die IT-Branche weiterhin. Wir haben bei Providern wie HP, IBM, Telekom und Google angefragt, wie sie es mit dem Schutz ihrer deutschen Kundendaten halten. Hier kommen die Antworten:
Hewlett-Packard (HP): Werden selten angefragt
„Weder HP global noch HP Deutschland gewähren hier Zugangsrechte zu Kundendaten im Rahmen des „Project Prism“. <br /><br /> Grundsätzlich gilt: In jedem Land werden den staatlichen Sicherheitsbehörden Zugriffsrechte gewährt, wenn die nationale Sicherheit bedroht ist. (…) Anfragen zur Übermittlung von Daten in diesem Kontext beziehen sich zumeist auf Telekommunikationsunternehmen. IT-Infrastrukturanbieter wie HP sind hier äußerst selten betroffen.“
Fujitsu: Deutsche Rechenzentren unterliegen dem deutschen Gesetz.
„Ein Zugriff auf Kundendaten durch Verfolgungsbehörden oder nationale und internationale Geheimdienste wird ausschließlich auf Grundlage eines deutschen Gerichtsbeschlusses gewährt. Die deutschen Rechenzentren unterliegen dem deutschen Datenschutzgesetz, das dies eindeutig regelt. <br /><br /> Da die Muttergesellschaft von Fujitsu Technology Solutions ein japanisches Unternehmen ist, kommt auch der US-amerikanische Patriot Act bei Kunden unseres Unternehmens nicht zur Anwendung.“
Salesforce: Wir ermöglichen keinen Regierungen direkten Zugang.
„Nichts ist für Salesforce.com wichtiger als die Privatsphäre und die Sicherheit der Daten unserer Kunden. Wir sind nicht in das PRISM-Programm involviert und wir ermöglichen keinen Regierungen direkten Zugang zu den Servern von Salesforce.“
Google: Wir prüfen alle Anfragen gewissenhaft.
"Google sorgt sich intensiv um die Sicherheit der Daten unserer Kunden. Wir legen Kundendaten gegenüber den Behörden offen gemäß geltender Gesetze offen, und wir prüfen alle Anfragen gewissenhaft.“

Oracles Pläne?

CW: Stimmt es, dass die Deutsche Bank Salesforce auf der Basis eigener Infrastruktur einsetzt? Also nicht als Cloud-, sondern als On-Premise-Lösung?

SCHREINER: Über die Details zum Einsatz unserer Systeme bei einzelnen Kunden kann ich mich mit Ihnen nicht unterhalten, ich kann Ihnen aber sagen, dass absolut alle unsere Kunden Salesforce-Produkte garantiert nicht als On-Premise-Dienst einsetzen.

CW: Also keine Pläne, Ihr Geschäftsmodell zu erweitern?

SCHREINER: Das ist mir nicht bekannt - da müssten Sie Marc Benioff fragen.

CW: Was ist mit Wachstum durch Zukäufe? Vielleicht sogar in Deutschland?

SCHREINER: Ich leite das Deutschlandgeschäft und bin kein Spezialist zum Thema Akquisitionen.

CW: Sind Kunden wegen der angekündigten Oracle-Kooperation auf Sie zugekommen?

SCHREINER: Ein Kunde hat mich zu diesem Thema befragt.

CW: Nimmt Oracle bald richtig Geld in die Hand?

SCHREINER: Marc Benioff und Larry Ellison haben in einem weltweit öffentlichen Call alle Details, Ziele und Hintergründe dieser strategischen Partnerschaft erklärt. Da kann ich nichts hinzufügen.

ExactTarget
Anfang Juli 2013 für 2,5 Milliarden Dollar. <br/><br/> ExactTarget betreibt eine SaaS-Plattform für das digitale Marketing etwa via SMS, Internet und Social Media.
GoInstant
Im Juli 2012 für 70 Millionen Dollar. <br/><br/> GoInstant bietet eine Lösung für das "Co-Browsing", mit der Anwender ihren Bildschirm vom Mobilgerät mit anderen Nutzern sharen können, um etwa Beratungsgespräche zu führen.
Buddy Media
Im Mai 2012 für knapp 700 Millionen Dollar. <br/><br/>Buddy Media ergänzt das CRM-Portfolio im Vermarktungslösungen in sozialen Netzen.
Rypple
Im Dezember 2011. Rypple formiert heute unter dem Namen work.com. <br/><br/> Die HR-Software bietet Social-Media-Elemente, um Mitarbeiter zu befragen und Meinungen einzuholen.
Model Metrics
Im November 2011. <br/><br/> Mit Model Metrics hat Salesforce die Beratungsleistungen im Mobile- und Social-Media-Geschäft ausgebaut.
Assistly
Im September 2011 für rund 80 Millionen Dollar <br/><br/> Assistly verknüpft die klassische CRM-Welt mit dem Social-Media-Geschäft. Der gleichnamige Dienst sammelt und konsolidiert Einträge in sozialen Netzen.
Navajo Systems
August 2011 für 30 Millionen Dollar <br/><br/> Der israelische Securuity-Spezialist hat eine patentierte Verschlüsselungstechnik für die Sicherheit von SaaS-basierenden Anwendungen und Daten entwickelt.
Radian6
Im März 2011 für 276 Millionen Dollar <br/><br/> Radian6 ist ein Werkzeug zur Analyse von Inhalten in sozialen Netzen.
Dimdim
Im January 2011. <br/><br/> Der Spezialist für Echtzeitkommunikation bietet Funktionen zur Präsenzanzeige sowie für das Messaging und Screen-Sharing an.
Heroku
Im Dezember 2010 für 212 Millionen Dollar. <br/><br/> Heroku betreibt eine Ruby-Anwendungsplattform in der Cloud.
Jigsaw Data Corp
Im April 2010 für 142 Millionen Dollar. <br/><br/> Jigsaw bietet ein Wikipedia-ähnliches Verzeichnis von Unternehmensinformationen und Geschäftskontakten an. Der Dienst firmiert heute unter der Bezeichnung data.com.