Web-Services-Pionier Rajiv Gupta

"Private Clouds werden zur Randerscheinung"

06.10.2016 von Simon Hülsbömer
Rajiv Gupta gilt vielen als "Vater von Web-Services und SOA". Er hat bereits vor über 20 Jahren die Vision gehabt, IT-Ressourcen auf Knopfdruck bereitzustellen - die Idee des Cloud Computing war geboren. Wir haben mit Gupta über die Cloud der Zukunft gesprochen.

Gupta ist heute CEO des von ihm mitgegründeten Skyhigh Networks und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen eine sichere Cloud-Nutzung zu ermöglichen. Mit der Technologie des Cloud-Security-Anbieters mit Sitz im amerikanischen Silicon Valley lassen sich Sicherheitslücken identifizieren und Datendiebstähle verhindern.

Rajiv Gupta sieht die Private Cloud auf dem absteigenden Ast.
Foto: Skyhigh Networks

CW: Herr Gupta, wieso ist die Public Cloud auf Dauer die beste Cloud-Technologie? Ist Private-Cloud-Computing tatsächlich ein Auslaufmodell, wie Gartner es prognostiziert?

RAJIV GUPTA: Private-Cloud-Modelle werden auch in Zukunft ihre Berechtigung haben, aber ihr Marktanteil wird sinken. Denn durch ihre Skalierbarkeit können Anwender mit der Public Cloud viel mehr Geld sparen, als mit der privaten Cloud. Zudem haben die meisten Unternehmen bei den wichtigsten Public-Cloud-Anbietern Sicherheitsbedenken überwunden und können Compliance-Vorgaben einhalten. Dennoch wird es weiterhin Private Clouds geben, aber sie werden zu einer Randerscheinung.

"Hard- und Software werden immer einen Markt haben"

CW: Sind die großen IT-Firmen wie IBM, HPE, Dell Technologies "vom Aussterben bedroht", weil die großen CSPs lieber ihre eigene Infrastruktur nutzen?

GUPTA: Hardware und Software werden immer einen Markt haben, wenn auch für weniger Anbieter. Beispielsweise benötigen große Provider von Software as a Service ihre eigene Infrastruktur und kaufen daher ihre Hardware bei diesen "klassischen" Firmen. Jedoch wird wegen des Wachstums von Platform as a Service (PaaS) und Infrastructure as a Service (IaaS) der Kundenkreis schrumpfen. Folglich sollten sie umstrukturieren und sich auf die Cloud konzentrieren.

IaaS-Marktübersicht
IaaS-Provider im Überblick
Hier finden Sie die wichtigsten Anbieter im schnellen Überblick.
Google Compute Engine
Skalierbarkeit ohne Grenzen: Die Google Compute Engine ist für rechenintensive Analyse-Anwendungen rund um Big Data, Data Warehousing sowie für High-Performance-Computing geeignet.
HP Converged Cloud
HPs IaaS-Angebotspaket "Converged Cloud" basiert auf Open-Source-Techniken und orientiert sich dezidiert am Bedarf großer Enterprise-Anwender orientiert.
IBM: Softlayer und Smart Cloud Enterprise
Seit der Softlayer-Übernahme führt IBM IaaS-Lösungen im Portfolio, die nicht ausschließlich virtuelle, sondern auch dedizierte Server zur Verfügung stellen. Ergänzend dazu besteht das "Smart Cloud Enterprise" aus virtuellen Servern und Speicherdiensten.
T-Systems DSI
T-Systems liefert vornehmlich Private-IaaS-Offerten; als eine hybride Variante gibt es die "DSI with vCloud Datacenter Services".
Rackspace Open Cloud
IaaS-Kunden von Rackspace haben die Wahl zwischen 37 (!) Betriebssystemen - meist Linux, aber auch mehrere Windows-Server-Varianten und -Generationen.
Profitbricks
Das Berliner Unternehmen Profitbricks betreibt ein deutsches und ein US-Rechenzentrum, ohne Verbindung zueinander. In einem Public-Modell stellt es Server, Speicher, Netzwerk und Loadbalancer nach Bedarf mithilfe einer Konsole namens "Data Center Designer" zusammen.
vCloud.jpg
vCloud Air unterstützt mehr als 5.000 Anwendungen und Dutzende von Betriebssystemen, die zur Ausführung auf vSphere zertifiziert sind. Für die Ausführung in der Cloud sind keine Änderungen erforderlich.

CW: Welche Chancen haben diese "klassischen" IT-Unternehmen auf dem Cloud-Markt?

GUPTA: Sie müssen den Wechsel schaffen - nur so können sie überleben. Die Cloud-Angebote dieser Firmen sind unterschiedlich weit entwickelt und die erfolgreichsten haben bereits gute Fortschritte auf diesem Gebiet gemacht.

CW: Sind Microservices das gleiche wie SOA, nur neu verpackt? Falls ja, gibt es Unterschiede zu den serviceorientierten Architekturkonzepten?

GUPTA: Das Konzept der Microservices stammt aus der serviceorientierten Architektur (SOA). Die SOA entstand allerdings in der Ära der Enterprise-Level-Architektur, während die Microservices aus dem Zeitalter der Cloud stammen. Der wesentliche Unterschied ist die Granularität. Die Aufgabe von Microservices ist es, das durchgängige Integrationsmodell innerhalb der Cloud zu unterstützen. Sie sind autonom und unabhängig, aber viel kleiner im Umfang als SOA. Ziel ist es, mit ihrer Hilfe in Cloud-Systemen viel mehr Angebote zu haben als in einer traditionellen Unternehmensumgebung. Das geht auf das Prinzip zurück, dass in der Cloud laufend Anwendungen entwickelt und herausgegeben werden.

Anwendungsentwicklung in der Cloud - ein ständig laufender Prozess.
Foto: 3dreams - shutterstock.com

Microservices - weniger Ressourcen, gleiche Leistung

CW: Welche Rolle werden Container-Technologien in zukünftigen Cloud-Installationen spielen?

GUPTA: Container sind der Schlüssel zum Deployment von Anwendungen in der Cloud und korrelieren mit der Funktionalität der Microservices. Grundsätzlich brauchen Microservices weniger Ressourcen für die gleiche Leistung. Container sind von Natur aus auf einer nativen OS-Anwendung aufgebaut, nicht auf expliziten Hypervisoren und benötigen weniger Ressourcen. Als Hosting-Umgebung passen Container perfekt zu Microservices. Zudem sind sie portabel, wenn sie auf OS-nativen Virtualisierungen aufbauen. Wenn man Docker benutzt, kann man Container-basierte Anwendungen auf Linux, Azure und Google Cloud laufen lassen, anstatt eingebettet in den Hypervisor des Anbieters. Container sind also nicht nur die perfekte Hosting-Umgebung für Microservices, sondern erlauben es auch, Komponenten variabler und flexibler zusammenzusetzen.

Zum Video: "Private Clouds werden zur Randerscheinung"

CW: In Deutschland sind Sicherheit und Compliance wichtige Entscheidungskriterien für einen Cloud-Anbieter. Was würden Sie einem Unternehmen empfehlen, wenn es um sichere Cloud-Infrastruktur geht?

GUPTA: Deutsche Unternehmen achten stark auf Datenschutz und eine rechtskonforme Speicherung der Daten. Aus diesem Grund sollten sie einen Cloud-Anbieter mit Sitz in der EU wählen. Sie können auch darauf achten, ob der Provider die Daten verschlüsselt speichert. Skyhigh Networks bewertet Cloud-Anbieter beispielsweise, ob sie die Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung einhalten. Auf dieser Grundlage können deutsche Unternehmen informierte Entscheidungen treffen. Ein weiteres Kriterium sind Zertifizierungen, zum Beispiel nach ISO 27018.

Wie Container den Durchbruch im Unternehmen schaffen
Einbindung ins Rechenzentrum
Um ihre volle Wirkung entfalten zu können, muss es möglich sein, Container in die bestehende IT-Infrastruktur des Unternehmens mit ihren Services einzubetten - seien es beispielsweise Security-, Authentisierungs- oder Netzwerk-Dienste.
VM-Management statt Chaos
Die IT-Verantwortlichen müssen einen Weg finden, ihre virtuellen Maschinen (VM) übersichtlich zu verwalten und die Kunden trotzdem parallel mit den benötigten Services zu versorgen.
Skalierbarkeit
Die heutige, hochdynamische Unternehmens-IT macht es erforderlich, dass Unternehmen ihre Container-Technlogie und die Kapazitäten zur Bereitstellung an die Anwender programmatisch skalieren können.
Orchestrierung
Unternehmen müssen mehrere Container miteinander kombinieren, Container mit anderen Applikationen kombinieren und die Kommunikation zwischen Containern und anderen IT-Ressourcen ermöglichen. Um all das zu erreichen, müssen die Container auch in einer Umgebung entwickelt werden, die diesen Mix aus Technologien und Rechenkapazitäten abbildet.
Legacy-Systeme beachten
Container müssen nicht nur mit den neuesten Anwendungen und Systemen im Unternehmen harmonieren, sondern auch die Altsysteme berücksichtigen.