Weltweit gibt es zwei große Verbände, die sich dem klassischen Projektmanagement verschrieben haben: das amerikanische Project Management Institute (PMI) und die International Project Management Association (IPMA). Hinzu kommt die vor allem in Großbritannien und den Niederlanden verbreitete Methode PRINCE2 (Projects in Controlled Environments), deren Rechte bei der AXELOS Limited, vormals Office of Government Commerce (OGC) liegen.
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Mit den im globalisierten Markt immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen sind klassische Ansätze häufignicht mehr ausreichend leistungsstark. In den letzten Jahren ist daher in vielen Unternehmen eine Entwicklung weg von den traditionellen Projektmanagement-Methoden hin zu agilem Projektmanagement zu beobachten, weil dieses mehr Flexibilität und Praktikabilität verspricht. Bereits 2012 lag laut der Studie "Status Quo Agile" der Hochschule Koblenz die Quote für den Einsatz agiler Methoden in Nicht-IT-Projekten bei 25 Prozent. Das wohl bekannteste Konzept für agiles Projektmanagementvorgehen ist derzeit SCRUM.
Während die klassischen Projektmanagement-Methoden den Fokus auf Strukturen, langfristige Planung und detaillierte Spezifikationen legen, stellen agile Methoden Werte und Prinzipien in den Vordergrund. Dem Menschen wird in den agilen Vorgehensweisen eine hohe Bedeutung beigemessen. Sie sind darauf ausgerichtet, Kommunikation und Eigenverantwortlichkeit zu stärken. Gleichzeitig fördern sie ein produktives Arbeitsumfeld, das gut mit Veränderungen umgehen kann. Das bereits in 2001 verabschiedete agile Manifest legt die wesentlichen Prioritäten fest.
Prioritäten des agilen Projektmanagements |
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Individuen und Interaktionen vor Prozessen und Werkzeugen |
Funktionierende Produkte vor umfassender Dokumentation |
Zusammenarbeit mit dem Kunden vor Vertragsverhandlungen |
Umgang mit Veränderung vor Planverfolgung |
Die Entscheidung eines Unternehmens für die Implementierung eines dieser Systeme hat immer weitreichende Folgen auf die Arbeitsabläufe und die Projektarbeit in einem Unternehmen. Die Auswahl der Methodik sollte sich deshalb immer zwingend an der Unternehmenskultur orientieren. Stakeholder und Projektmitarbeiter müssen von Anfang an am Entscheidungsprozess beteiligt werden, so dass sie die durch die Implementierung bewirkten Umwälzungen in der Projektarbeit erkennen und mittragen. Ansonsten drohen weitreichende Konflikte, die den Erfolg des Projektmanagements im Unternehmen im Allgemeinen nachhaltig gefährden.
Orientierung an der Methodik des Kunden
Grundsätzlich orientiert sich der Projektmanager bei der Auswahl der Projektmanagement-Methode im Unternehmen immer am Kunden: arbeitet dieser schon mit einem bestimmten Standard, wird jeder Projektmanager diese Methode bevorzugt übernehmen. Das Aufsetzen auf einer bereits gelernten Vorgehensweise spart Zeit und ermöglicht es, gesammelte Erfahrungswerte besser in die Projektarbeit zu integrieren.
Doch häufig kommen Projektmanager in Unternehmen, in denen noch nie auf Grundlage traditioneller oder agiler Projektmanagement-Methoden gearbeitet wurde. In diesem Fall liegt es am Projektmanager und dem projektführenden Unternehmen, sich für die Methode zu entscheiden, die den Bedürfnissen, den Erwartungen und der Kultur des Unternehmens am meisten entsprechen.
Ob eher klassisches Projektmanagement-Vorgehen oder eine agile Methodik angebracht ist und welche der Projektmanagement-Methoden am besten zu einem Unternehmen passt, sollte situativ und anhand pragmatischer Gesichtspunkte beantwortet werden (siehe Abbildung 2). Die Geschäftsführung und der Projektmanager müssen dabei die Unternehmenskultur in einem ersten Schritt kritisch reflektieren. Die folgenden Fragen sind im Entscheidungsprozess entscheidend:
Wie wird Leistung im Unternehmen beurteilt und gemessen?
Wie maßgeblich sind Kennzahlen für die Projektarbeit?
Sind Projekte stark prozessgetrieben?
Welches Verständnis von Führung ist im Unternehmen verankert?
Wird eine offene, auf Vertrauen basierende Unternehmenskultur gepflegt?
Welchen Qualifikationsgrad haben die Projektbeteiligten?
Kann das Projektziel zum Projektstart bereits genau spezifiziert werden?
Wie hoch ist der Reglementierungsgrad des Projektumfeldes?
Agiles Projektmanagement zeichnet sich durch den flexiblen Umgang mit sich ändernden Zielanforderungen und ein durchgängig iteratives Vorgehen aus. Daher ist es gerade bei Entwicklungsprojekten mit hohem Termindruck geeignet, bei dem die Anforderungen an das zu entwickelnde Produkt zu Beginn des Projekts noch unklar sind. Es erfordert jedochhäufig einen Wandel des existierenden Verständnisses von Führung und Verantwortungsbereichen, um die für agile Projekte maßgeblichen Freiräume für Selbstorganisation, Selbstverantwortung und Entscheidungskompetenz der operativen Teams zu schaffen.
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Nicht nur zwischen klassischem und agilem Projektmanagement an sich herrschen große Unterschiede, auch die einzelnen Methoden unterscheiden sich in vielen Punkten voneinander (siehe Abbildung 3).
PMI, IPMA und PRINCE2 decken dabei die ganze Spannbreite zwischen in sich geschlossenem und offenem System sowie zwischen zahlenorientierter und kompetenzbasierter Unternehmenskultur ab. Die Methoden spiegeln so die Projekt- und Business-Kulturen der Länder und Regionen wieder, aus denen sie jeweils stammen.
PMI: Skalierbarkeit und größtmögliche Transparenz
PMI managt Projekte "amerikanisch", ist daher gekennzeichnet durch eine hohe Skalierbarkeit und durch die Orientierung an Geldwerten und Leistungszahlen. Es basiert im Wesentlichen auf dem PMBOK® Guide, einer Zusammenstellung von standardisierten Prozessen, die vom Project Management Institute definiert und gepflegt werden. Zu jedem Prozess beschreibt das PMBOK® Input, Output Werkzeuge und Verfahren. So schafft es die Basis für ein gemeinsames Verständnis von Begriffen und Methoden. Notwendige Kompetenzen für Projektmanager hingegen werden nicht definiert.
Die hohe Transparenz, die PMI mit der Fokussierung auf skalierbare Parameter in einem Unternehmen zwangsläufig schafft, kann im Projekt für Irritationen sorgen. Denn nicht wenige Projektmitarbeiter, gerade in Deutschland, können sich schlechter mit der in diesem System angelegten Transparenz und den dafür offenzulegenden, mitunter sensiblen Daten abfinden.
PMI ermöglicht ein "maßgeschneidertes" Projektmanagement: Prioritäten, Tiefe und Intensität können in den verschiedenen Bereichen problemlos situativ und variabel festgelegt werden.
IPMA stellt die Projekt-Beteiligten in den Vordergrund
Der Mensch, bzw. die Führungskraft und die Projektteilnehmer inklusive ihren verschiedenen, individuellen Kompetenzen stehen bei IPMA am stärksten im Fokus. Zahlenbasierte Parameter und Skalierbarkeit nehmen eine untergeordnete Rolle ein. Auch die "deutsche" Methodik IPMA zeichnet sich durch ihren Werkzeugkastencharakter aus - Projektmanager haben hier am stärksten die Möglichkeit, Aufgaben anzupassen und kompetenzbasierte Entscheidungen zu treffen.
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Rigide Abläufe bei PRINCE2
PRINCE2 hingegen definiert die Rollen von Management, Stakeholdern und Projektmitarbeitern weit stärker als die anderen beiden Methoden und verlangt von allen Projektteilnehmern, dass sie sich voll und ganz dem Erfolg des Projekts unterordnen. Der Projektmanager und sein Team müssen den strikten Anweisungen, die dieses System vorgibt, penibel folgen. Die Stakeholder sind ebenfalls gehalten, sich der Methodik anzupassen - das gilt ausdrücklich auch für das Top-Management. Hinter dieser Rigidität verbirgt sich eine Menge Konfliktpotenzial, denn PRINCE2 ist dadurch gerade in seiner Implementierung das aufwändigste der drei Systeme.
Doch die geschlossene Systematik von PRINCE2 bietet projektführenden Unternehmen auch viele Vorteile: Durch die klare Strukturierung und Aufgabenverteilung, definiert die Methodik genau, was jeder Projektteilnehmer zu tun hat. So kann PRINCE2, nachdem es erfolgreich implementiert wurde, Projekten zu mehr "Selbstlauf" verhelfen. Ein wenig überspitzt lässt sich sagen, dass PRINCE2 "Projektmanagement für Dummies" ist. Netter formuliert ist hier der Begriff "Management by exception" zutreffend: Durch die klaren Vorgaben der Methodik, soll das Management nur in Ausnahmesituationen intervenieren müssen.
SCRUM: Inkrementelles Annähern an das Projektergebnis
Die regelmäßige Lieferung von funktionsfähigen und qualitätsgesicherten Zwischenprodukten in kurzen Intervallen steht bei der agilen Projektmanagement-Methode SCRUM im Vordergrund. Dazu setzt SCRUM auf eine möglichst kurze initiale Entwurfsphase, bei der zunächst der Projektrahmen und die ersten Anforderungen festgelegt werden, und mehrfache, kurze Iterationen (SPRINTS) von Anforderungsanalyse, Design, Umsetzung und Test. So ermöglicht es schnelles Feedback zwischen den Akteuren und eine flexible, situationsbezogene Umsetzung und Anpassung der Ziele.
SCRUM liefert ein klar strukturiertes, in sich geschlossenes Vorgehensmodell für agiles Projektmanagement. Es erfordert idealerweise, dass die Projekt-Teams sich stellende Herausforderungen auf dem kurzen Weg lösen. Starre hierarchische Führungsmodelle und große geographische Distanzen zwischen den verschiedenen Teams sind beim Aufbau agiler Strukturen daher eine Hürde.
Fazit
Das für ein Unternehmen passende Projektmanagement-System ist von individuellen Faktoren abhängig und kann nicht pauschal beantwortet werde. Die Entscheidung für die Implementierung eines dieser Systeme hat immer weitreichende Folgen auf die Arbeitsabläufe und die Projektarbeit in einem Unternehmen. Die Auswahl der Methodik sollte sich deshalb immer zwingend an der Unternehmenskultur und gewünschten Führungsphilosophie orientieren.