Jobrotation mit Plan

Quiet Hiring - schon wieder ein HR-Trend?

09.03.2023 von Heinrich Vaske
Wenn Talente knapp werden, müssen Unternehmen umdenken. Gartner ruft den "Quiet-Hiring"-Trend aus: Es geht um einen flexibleren internen Einsatz knapper Know-how-Träger.
Wer kennt schon die Leuchten in seinem Unternehmen und setzt sie bestmöglich ein?
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"Stille Anwerbungen" gibt es in jedem Unternehmen, doch so richtig systematisch gehen die Betriebe beim Aufspüren, Weiterbilden und Neueinsetzen vorhandener Talente meist nicht vor. Emily Rose McRae, Senior Director bei Gartner, findet das falsch: Menschen dort zu beschäftigen, wo sie ihre bestmögliche Wirkung erzielen könnten, sei für beide Seiten vernünftig. Die Angestellten könnten sich besser entfalten und würden oft aufblühen. Das sei ein Umstand, von dem jedes Unternehmen profitieren könne. McRae widerspricht Kritikern, die fürchten, dass ein solches Vorgehen zur Ausbeutung von Arbeitskräften führen könnte.

Nach der langen Corona-Phase und dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Abschwung haben viele Unternehmen Schwierigkeiten, Talente zu finden und zu halten, zumal auch die Personal-Budgets schrumpfen. Hinzu kommt, dass sich im Zuge der Digitalisierung die Anforderungen an benötigte Qualifikationen in hoher Geschwindigkeit ändern. Also müssen sich Personalverantwortliche etwas einfallen lassen, um die Lücken zu füllen.

Schlüsselfrage: Wo werden welche Skills benötigt?

Manche Unternehmen gehen deshalb dazu über, ihre besten Leute zu identifizieren und flexibel dort einzusetzen, wo sie eine besonders große Wirkung entfalten können. Dazu bewerten sie die Skills der Mitarbeitenden im Detail und überlegen, wo diese gerade am dringendsten benötigt werden. Natürlich schauen diese Firmen auch genau hin, wo sie Personal abziehen können. Dort werden dann Projekte auch einmal auf Eis gelegt oder langsamere Arbeitsfortschritte akzeptiert.

Quiet Hiring bedeutet also auch, Kompromisse einzugehen. Führungskräfte entscheiden strategisch darüber, wo Talente schnell und flexibel positioniert werden sollen und wo es erträglich ist, Opfer zu bringen. Wie McRae ausführt geht es auch darum, Aufgaben so umzugestalten, dass sie von Menschen übernommen werden können, die ursprünglich andere Skills mitbringen.

Weiterführende Beiträge zum "War for Talents":

Ein Beispiel: Ein Betrieb, der sofort einen Data Scientist in seiner IT-Abteilung braucht, könnte sich dafür entscheiden, einen Datenanalysten aus dem Marketing oder der Personalabteilung abzuziehen und in sein IT-Team zu versetzen. Dabei müsste der Neuling nicht sofort die gleichen komplexen Programmieraufgaben wie die Datenwissenschaftler übernehmen. Er könnte sich beispielsweise zunächst auf das Kommunizieren von Analyseergebnissen an andere Stakeholder konzentrieren, damit diese auf der Grundlage von Daten die richtigen Entscheidungen treffen können. Von dieser Aufgabe wären dann die Hardcore-Programmierer entbunden und könnten sich ganz auf ihre Kernaufgaben einlassen.

Flexiblere Rollen = bessere Aufstiegschancen

Die Gartner-Analysten glauben, dass Unternehmen von einem flexibleren Rollenverständnis stark profitieren könnten. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten etwas davon: Sie könnten anspruchsvollere Aufgaben übernehmen, ihre Fähigkeiten ausbauen, Neues dazulernen und an ihrer Karriere basteln. Letztendlich würden sie nicht nur für ihr Unternehmen wertvoller, sondern auch am Arbeitsmarkt gefragter.

Zudem hätten sie oft auch direkt etwas davon, etwa indem ihr Gehalt erhöht wird. Gartner schlägt den Betrieben entsprechend vor, Anreize zu schaffen. Flexible Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten beispielsweise Prämien für einen Rollen- oder Abteilungswechsel erhalten, ein höheres Fixgehalt beziehen oder in den Genuss flexiblerer Arbeitszeiten und -bedingungen kommen.

Die Analysten empfehlen den Unternehmen schon seit Jahren, im Einstellungsprozess weniger auf Zeugnisse und mehr auf individuelle Fähigkeiten zu achten. Es lohne sich, mit ein wenig Phantasie zu hinterfragen, wo überall Menschen mit einem ganz bestimmten Skillset einsetzbar wären. Dabei sollten die Verantwortlichen die Option der Weiterentwicklung immer im Hinterkopf haben.

Quiet Hiring: Das rät Gartner

Quiet Hiring kann nach Ansicht von Gartner eine langfristige Strategie für die Personalentwicklung sein. Der Ansatz sorgt dafür, dass Mitarbeiterbindung und -erfahrung verbessert werden. Gleichzeitig lassen sich die Personalkosten unter Kontrolle halten. Hinzu kommt, dass es für viele Unternehmen immer schwieriger wird, neue Vollzeitkräfte anzuheuern. Daher kann die "stille Personalbeschaffung" ein Schlüssel sein, um Qualifikationslücken zu schließen. Und für die Mitarbeitenden ist es eine gute Chance, mit ihren Skills am Ball zu bleiben und ihren Marktwert zu steigern.

Allerdings gibt es auch Risiken. Manche Beschäftigte könnten sich in der neuen Rolle überfordert fühlen, die Burnout-Gefahr könnte zunehmen. Deshalb müssen die Betriebe genau darauf achten, eine gute Balance zwischen dem Upskilling ihrer Mitarbeiter und dem Schutz ihres Wohlbefindens zu halten. Gelingt das, können sich Unternehmen laut Gartner einen deutlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen. (hv)