BI-Trends 2010

Raus aus den Silos, rein ins Business

01.12.2009 von Thomas Pelkmann
Man kann den Kalender danach stellen: Immer zum Jahresende tauchen Prognosen auf, die dem BI-Markt eine goldene Zukunft auch im kommenden Jahr vorhersagen. Die Realität kann damit nur bedingt Schritt halten.

Auch 2010 stehen die IT-Budgets unter Druck. Fast die Hälfte aller IT-Entscheider in deutschen Unternehmen erwartet der Experton Group zufolge für 2010 einen Rückgang der IT-Budgets. Ein weiteres Drittel plant immerhin mit konstanten Geldmitteln, während nur ein knappes Fünftel damit rechnet, nächstes Jahr mehr Geld zur Verfügung zu haben. "Das große Füllhorn", so Rüdiger Spies, Analyst beim Marktforscher IDC zu den Budget-Aussichten, "wird sich im nächsten Jahr sicher nicht öffnen".

Hinter diesen zurückhaltenden Wachstumsprognosen verbergen sich aber unterschiedliche Kennzahlen. So rechnet Gartner im Segment Software mit einem Ausgabenanstieg von 4,8 Prozent, im Bereich IT-Services um 4,5 Prozent. Und für Business Intelligence, so Barc-Geschäftsführer Carsten Bange im Gespräch mit der Computerwoche, sehe es eigentlich ganz gut aus: "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der BI-Markt schneller als andere zu alten Wachstumsraten zurückkehrt. Meine Prognose ist, dass das auch im kommenden Jahr so sein wird". Ein Indiz dafür sei, dass Unternehmen stärker nach Planungswerkzeugen fragten: "Jetzt brauchen wir die Werkzeuge, die wir vor zwei Jahren nicht eingeführt haben", wie es ein Finanzmanager ausdrückt.

Zwei Drittel des BI-Marktes sind in den Händen der glorreichen Fünf

In der jüngsten Vergangenheit war der BI-Markt von diversen Übernahmeschlachten geprägt. Erst übernahm beispielsweise 2007 das kanadische Unternehmen Cognos den Dashboard-Spezialisten Celequest, um sich nur wenig später von IBM schlucken zu lassen. Auch Business Objects kaufte zunächst Cartesis, Fuzzy und Inxight, um seinerseits im Oktober 2007 für geschätzte 6,8 Milliarden US-Dollar in den Besitz von SAP überzugehen. Nimmt man noch den Kauf von Hyperion durch Oracle hinzu, haben die drei Großen des BI-Marktes damals insgesamt gut 15 Milliarden US-Dollar auf den Kopf gehauen, um über die eigenen Anteile hinaus weitere Stücke des Marktes zu erobern.

Mittlerweile beherrschen die glorreichen Fünf (zu den genannten gesellen sich noch SAS und Microsoft) rund 60 bis 70 Prozent des weltweiten BI-Marktes. Der restliche Teil zerfällt in eine bunte Mischung aus ERP-Anbietern und BI-Spezialisten - mittelgroße, kleine und kleinste Unternehmen bis hinunter zu einem Umsatz von einer Million Euro und weniger?

"Der Markt ist noch nicht endgültig aufgeteilt"

Für 2010 erwarten die Analysten wenig Bewegung im bis dato eher lebhaften Markt. "Die großen Anbieter sind erst einmal versorgt und haben mehr mit der Integration der übernommenen Unternehmen und ihrer Produkte in das eigene Portfolio zu tun", kommentiert Carsten Bange. Andreas Bitterer, Vice President Research bei der Gartner Group, sieht das etwas anders: Es sei denkbar, so Bitterer im Gespräch mit der Computerwoche, dass HP, das bisher nur im Data Warehouse-Geschäft tätig sei, in den BI-Markt dränge. "Das könnte aber nur mit einer Übernahme geschehen", spekuliert der Analyst. Zudem überlege auch Google, in den Markt einzusteigen: "Der Markt ist noch nicht endgültig aufgeteilt."

Kleinere Anbieter können durchaus auf dem BI-Markt Fuß fassen, meint Carsten Bange, Geschäftsführer des BARC.

Beide Analysten geben auch den kleineren Anbietern durchaus Chancen im Markt: "Die können auf jeden Fall im Konzert der Großen mithalten", meint etwa Andreas Bitterer und verweist auf die guten Bilanzen beispielsweise von SAS oder Micro Strategy. Mitunter müsse man sich aber spezialisieren und in eine Nische zurückziehen, weil man im Vergleich zu den Marktführern überhaupt nicht mehr wahrgenommen werde, so der Gartner-Analyst. Dort, pflichtet Carsten Bange bei, könnten kleinere Anbieter durchaus Fuß fassen, weil sie passende Lösungen oder interessante Preismodelle zu bieten haben. Oft sei auch der Branchen- oder der regionale Bezug besser. "Ich sehe nicht, dass die Großen die Kleinen platt machen werden.

Gartner beklagt Versäumnisse der Anwender bei BI

Die praktische Seite von BI in den Unternehmen können mit den optimistischen Markterwartungen der Analysten aber kaum Schritt halten. Seit Jahren setzen CIOs in Befragungen von Gartner Business Intelligence in der Prioritätenliste regelmäßig auf Platz Eins. Fast ebenso regelmäßig beklagt Gartner aber auch die Versäumnisse der Anwender bei der Umsetzung von Business-Intelligence-Initiativen. Vielleicht liege es daran, spekulierte Gartner-Analyst Bitterer schon vor Jahresfrist, "dass jeder letztlich etwas anderes darunter versteht". Von einem strategischen, ganzheitlichen Vorgehen beim Einsatz von BI sei die große Mehrheit der befragten Unternehmen jedenfalls noch weit entfernt. "Es ist immer wieder überraschend, so Bitterer, "wenn wir irgendwo in der Welt danach fragen, wer eine richtige BI-Strategie formuliert hat und es gehen von 1000 vielleicht fünf Ärmchen hoch. Das ist dann schon ernüchternd."

Das scheint sich in den vergangenen Jahren nicht geändert zu haben. "Häufig fehlt es schon an einem systematischen und strategischen Ansatz, einem übergreifenden ‚holistischen’ Konzept", meint auch Karl-Heinz Land, Vorstand des rheinischen IT-Beratungshauses MT AG und früher Top-Manager der BI-Pioniere MicroStrategy und Business Objects in einem Interview mit dem Nachrichten-Portal "Wort + Welt". "Es liegt aber in der Natur der Sache, dass ein vollständiges Bild ohne Einbeziehung aller betroffenen Geschäftsprozesse, und zwar auch der dynamischen und nicht-deterministischen, überhaupt nicht darstellbar ist."

Aber auch, wenn es die Experten schon seit Jahren predigen - weniger richtig wird es dadurch nicht: "BI-Projekte, die nur von der IT geführt werden, sind nicht erfolgreich, wenn sie an den Anwendern vorbei arbeiten", kritisiert etwa Carsten Bange. Das gilt auch umgekehrt: "Wenn sich nur die Fachbereiche um BI kümmern, haben sie eine gute Chance, schon beim Datenmanagement zu scheitern". Zudem gebe es dann die berüchtigten Silos, in denen jeder Fachbereich seine Daten organisiere, ohne dass der Rest des Unternehmens davon etwas habe.

BI in Competence Centern entwicklen

Hier helfe nur, BI in Competence Centern zu entwickeln, wo Fachbereiche und IT an einem Tisch sitzen. "Wir müssen die Zusammenarbeit organisieren, einen zentralen Anlaufpunkt schaffen, der BI-Projekte unternehmensweit steuert und eine entsprechende Machtbefugnis hat, Werkzeuge und Prozesse zu standardisieren", predigt Bange. Die Erfolgsaussichten von BI-CC bestätigt auch Gartner-Analyst Andreas Bitterer: " Es ist eher erfolgversprechend, wenn Demand (die Business-Seite) und Supply (die IT-Seite) zusammen an einer BI-Strategie arbeiten."

Darüber hinaus kommt es darauf an, auch hier herrscht Einigkeit bei den Analysten, einen konkreten Business Case zu definieren. "Das Ziel von BI ist ja nicht, Reports zu generieren. Es geht doch für ein Unternehmen darum, Kosten zu senken, Risiken zu minimieren oder Profit und Marge zu erhöhen. Das ist der eigentlich Grund, in BI zu investieren", so Andreas Bitterer.

Es geht also vor allem um die Hausaufgaben. Das, so Bitterer, verhindere auch teure (Fehl-)Investitionen. "Es gibt Sachen, die man machen kann, ohne überhaupt Geld auszugeben: Prozesse und Organisationsstrukturen definieren oder die Qualität der vorhandenen Daten eruieren, zum Beispiel". Zudem gebe es bei den meisten großen Unternehmen schon genug Technologie "Da geht es bei vielen erst einmal darum, diesen Zoo von Technologien zu harmonisieren, damit man nicht mit einer Vielzahl unterschiedlicher Tools arbeitet.

Diesem eher ernüchternden Stand der Dinge setzen Anbieter und Auguren von BI ungerührt neue Trends entgegen, die das Thema Business Intelligence in den kommenden Jahren prägen werden. So herrscht beispielsweise Einigkeit darüber, dass Echtzeitanalyse, On-Demand-Betrieb und die Verarbeitung unstrukturierter Daten eine größere Rolle spielen wird als bisher. BI 2.0, sozusagen.

"Der Einsatzbereich von BI-Applikationen verschiebt sich vom klassischen Reporting auf Basis von historischen Bewegungsdaten in Richtung Realtime-Analyse", prognostiziert zum Beispiel SAP-Vorstand John Schwarz in einem Interview mit is-report. "Unternehmen wollen die Performance ihrer Geschäftsbereiche in Echtzeit analysieren und sofort sehen, wie sich beispielsweise Kundenpräferenzen ändern. Zunehmend nutzen Manager in der Führungsebene BI-Tools, um geschäftliche Risiken zu erkennen und möglichst früh gegenzusteuern." Auch für Carsten Bange ist das der "Megatrend der kommenden Jahre". Dennoch bremst der Barc-Geschäftsführer übersteigerte Erwartungen: "Echtzeit-BI wird nicht in wenigen Monaten die Hauptanwendung sein. Aber wir sehen schon, dass die Anforderung an die Aktualität der Daten wächst. Man will schneller steuern und Daten nicht nur taktisch, sondern auch zur Prozesssteuerung nutzen. Das ist eine ganz andere Art von Management als heute."

Sorgenkind unstrukturierte Daten

Einem anderen Trend steht der Experte aber eher skeptisch gegenüber: der Verarbeitung unstrukturierter Daten in BI-Systemen. "Das ist schon seit 20 Jahren ein Trend und bricht aus gutem Grund nie durch", winkt Bange ab. Zwar mache das durchaus Sinn, weil rund 80 Prozent der Daten aus unstrukturierten Quellen wie Word-Dokumenten, Excel-Tabellen oder E-Mails stammen und es toll wäre, diese ebenfalls verarbeiten zu können. Aber: "Bis jetzt ist man über eine Suchfunktion in solchen Dokumenten eigentlich nicht hinaus gekommen. Grundsätzlich haben Maschinen der heutigen Generation Probleme, unstrukturierte Daten überhaupt zu begreifen und zu verarbeiten". Da sei das Entwicklungstempo so gering, dass solche Verfahren von einer praktischen Lösung noch weit entfernt seien, meint der Barc-Geschäftsführer. "Es ist eine größere Herausforderung dafür zu sorgen, dass sich die Datenqualität bei den strukturierten Daten verbessert". Womit wir wieder bei den Hausaufgaben wären.