HR als proaktiver Partner

Rekrutieren mit HR-Analytics

28.10.2015 von Bernhard Münster
Es wird nicht nur zunehmend schwerer, Fachkräfte zu finden, sondern auch, sie an das Unternehmen zu binden. Darum besteht Handlungsbedarf: Unternehmen, die schnell, transparent und konsequent im Arbeitsmarkt agieren, fällt es leichter, gute Mitarbeiter zu gewinnen und sie zu halten.

Die unbestreitbare Relevanz von Personalentscheidungen macht Recruiting zu einer erwachsenen Disziplin, die ein hohes Maß an ganzheitlicher Aufstellung, gezielter Steuerung und optimierter Prozesse erfordert. Es gilt, schnell über den adäquaten Recruiting-Kanal mit dem Bewerber in Dialog zu treten und diesen für sich zu gewinnen. Und zwar, bevor ein anderes Unternehmen es tut. Die Grundlage für eine gezielte Employer Communication bildet die Auswertung entsprechender Daten mithilfe von Big Data.

Analytisches Recruiting kann helfen, den passenden Bewerbern die Tür zum eigenen Unternehmen zu zeigen.
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"Was man nicht messen kann, kann man nicht managen"

Diese Aussage wird wahlweise dem Physiker W. Edwards Deming oder dem Managementautor Peter F. Drucker zugesprochen. Entscheidend ist: Es reicht nicht, möglichst viele Daten anzusammeln. Wichtig sind die richtigen Tools, um die gesammelten Informationen zu messen und zu analysieren und die richtigen Leute, um sie zu interpretieren und Erkenntnisse daraus abzuleiten. Erst dann führt die Datenmenge zu besseren Entscheidungen und Ergebnissen.

Während komplexe Analysen in den letzten Jahrzehnten vorwiegend der Industrie für Auswertungen zur Optimierung entlang der Wertschöpfungskette vorbehalten waren, sind sie heute aus vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken. HR hinkt da noch hinterher: Die Infrastruktur ist für die Datenauswertung oftmals nicht ausreichend.

Recruiting Analytics

Potenzielle Mitarbeiter informieren sich vor ihrem Entschluss zu einer Bewerbung gründlich in den sozialen Netzwerken und recherchieren die Attraktivität des Arbeitgebers. Gehalt allein ist nicht mehr ausschlaggebendes Entscheidungskriterium für oder gegen eine Stelle. Vielmehr versucht ein Bewerber in Erfahrung zu bringen, ob er sich bei einem bestimmten Arbeitgeber wohl fühlen würde und welchen sinnvollen Beitrag er dort leisten könnte.

Deswegen müssen Unternehmen zunehmend transparenter werden und einen möglichst tiefen Einblick ins Unternehmen schaffen, um für den Bewerber zugänglich und erlebbar zu werden. Dazu ist es hilfreich zu wissen, welche Rekrutierungskanäle beispielsweise am erfolgreichsten genutzt werden und welche Inhalte der Karrierewebsite für den Bewerber besonders interessant sind.

Baumann-Studie über Arbeitgeberattraktivität 2015
Wunsch contra Wirklichkeit
Was macht einen guten Arbeitgeber aus – diese Frage stellte die Unternehmensberatung Baumann aus Frankfurt/M. rund 300 deutschen Führungskräften. Wie die Studie „Arbeitgeberattraktivität für Führungskräfte 2015“ zeigt, stehen Geld und Karriereaussichten mit an erster Stelle. Eben da klaffen allerdings Wunsch und Wirklichkeit auseinander.
Knackpunkt Gehalt
Für 58 Prozent ist das Gehalt „sehr wichtig“ – aber nur 38 Prozent bezeichnen sich als voll zufrieden. Auch in anderen wichtigen Punkten gehen die Prozentzahlen teils zweistellig auseinander.
Gefragte Zusatzleistungen
Ein Blick auf die Branchen zeigt, dass Faktoren wie flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Firmenwagen nicht gleichermaßen gefragt sind.
Werte im Allgemeinen
Bei den weichen Faktoren stehen Ehrlichkeit, Vertrauen und Zuverlässigkeit an erster Stelle.
Werte nach Branchen
Auch bei den allgemeineren Werten zeigt sich, wie unterschiedlich die Branchen ihre Prioritäten setzen.

Ziel der Datenauswertung ist es auch im Recruiting Muster zu erkennen, Prognosen abzuleiten und bereits heute auf zukünftige Entwicklungen zu reagieren. Analytics muss deshalb fester Bestandteil des Bewerbermanagements sein. Integrierte HR-Systeme erleichtern den Umgang mit Big Data, indem sie eine zentrale Datenhaltung sichern und Analytik-Tools bereitstellen. So kann nicht nur rückblickend die Wirksamkeit von Rekrutierungsmaßnahmen geprüft werden. Auch die Prognose wird möglich. Beispielsweise lassen sich Erfolgsaussichten und Kosten der unterschiedlichen Recruiting-Kanäle nach zu besetzenden Stellenarten vorhersagen. Dafür bieten sich Ready-to-Use Recruiting-KPIs an, die über die Zeit fortgeschrieben werden. Somit können Analysen auf Basis vordefinierter, relevanter Kennzahlen erstellt werden.

Wichtige Kennzahlen im Recruiting können zum Beispiel sein:

So werden auch im Personalmanagement Entscheidungen durch handfeste Daten begründbar und ein frühzeitiges Reagieren auf Zustände und Entwicklungen möglich.

Datenoptimierung innen und außen

So wichtig eine strukturierte Sammlung und Auswertung interner Daten ist, so wichtig ist auch der gezielte Arbeitgeberauftritt nach außen. Anhand der erhobenen Analysen kann die Karrierewebsite als Plattform für Stellenausschreibungen, Einblicke ins Unternehmen und aktuelle Informationen gezielter gestaltet werden. Diese muss jedoch zuallererst einmal gefunden werden.

Bereits hier scheitern viele Unternehmen, deren Website von Google gar nicht oder erst ganz hinten gelistet wird. Deshalb sollten Unternehmen bei der Auswahl einer Recruiting-Software nicht nur auf die Analysemöglichkeiten achten, sondern auch darauf, dass das Karriereportal über Responsive Webdesign verfügt. Denn: Google berücksichtigt die Mobiloptimierung von Websites als starkes Ranking-Kriterium. Nicht optimierte Seiten werden dann in den Trefferlisten deutlich weiter unten erscheinen. Google reagiert damit auf die vermehrte Nutzung von mobilen Endgeräten - auch bei Bewerbern.

Die zehn schlimmsten Fragen an Bewerber
Schockfragen im Vorstellungsgespräch
Nicht selten erleben Bewerber im Vorstellungsgespräch eine böse Überraschung, weil sie unerwartet mit kuriosen Fragen konfrontiert werden. Hier finden Sie die zehn härtesten Fragen, die von der Job-Plattform Glassdoor unter mehr als tausend Posts ausgesucht wurden.
Eiertanz
"Erklären Sie, wie man perfekt Eier kocht."
Lieblingstier
"Wenn Sie ein Tier wären, welches Tier würden Sie sein?"
Luftdruckmessung
"Wie würden Sie vorgehen, um die Höhe eines Gebäudes mit einem Barometer zu messen?"
Börsenwissen
"Welche 30 Unternehmen sind im Dax?"
Lieblingsgeschichte
"Welches ist Ihr Lieblingsereignis der Geschichte?"
Geheimnisverrat
"Was ist Ihr persönliches Geheimnis?"
Primzahlen-Genie
"Wie nennt man möglichst schnell alle Primzahlen bis n?"
Hautpflegebedarf
"Bitte versuchen Sie, den jährlichen Verbrauch von Clearasil in Deutschland einzuschätzen."
Sieben Sachen
"Nennen Sie sieben Dinge, die man mit diesem Stift machen kann."
Milchmädchenrechnung
"Man stelle sich eine Maschine vor, die alle Milch produzieren kann, die Starbucks weltweit an einem durchschnittlichen Tag benötigt. Dazu muss nur die richtige Anzahl von Kühen durch diese Maschine gehen. Wie viele Starbucks-Läden gibt es weltweit? Wie viele Kühe würde ich brauchen? Wie schnell müssten sie durchgehen?"

Zusammenarbeit von Mensch und Maschine

Big Data entfernt zwar das Element des Ratens im Recruiting-Prozess. Allerdings nur, wenn Recruiter in der Lage sind, die analysierten Daten richtig zu interpretieren. Bewaffnet mit Einsichten prädiktiver Analytik können sie antizipieren, was passieren wird und entsprechend - rechtzeitig - reagieren.

Der Mensch ist also nach wie vor tief verankert in das Recruiting und den Prozess maschinellen Lernens. Werden Analytik-Tools richtig genutzt, können Recruiter Trends und Ausreißer über Zeiträume hinweg sowie nicht offensichtliche, aber kausale Zusammenhänge zwischen Einflussgrößen und Auswirkungen erkennen. Big Data ersetzt dabei keinesfalls alle bisherigen Tools, sondern erweitert den Werkzeugkasten für Entscheidungsfindungen um ein weiteres Element. (bw)