Rezession kratzt am Image der IT

18.06.2010 von Christoph Witte
Nur noch 20 Prozent von 400 Business-Verantwortlichen schätzen den Stellenwert der IT in ihren Unternehmen als hoch ein. Vor der Krise waren es fast doppelt so viele.
Foto: Fotolia/Eisenhans
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Die IT-Strategieberatung Boydak Management Consulting hat die Entwicklung des Wertbeitrags der IT während der jüngsten Wirtschaftskrise analysiert. Ausgewertet hat sie die Antworten zum Stellenwert der IT, die IT- und Business-Verantwortliche zu Beginn, auf dem Höhepunkt und im Abklingen der Krise gaben. Die drei Befragungswellen liefen von August bis September 2008 (Beginn der Krise), von Oktober 2008 bis Februar 2009 (Höhepunkt) und von August 2009 bis Ende September 2009 (erste "Greenshots", sprich: Anzeichen für eine Erholung der Wirtschaft). Befragt wurden mehr als 400 Topmanager und IT-Verantwortliche aus großen Unternehmen in Deutschland, der Schweiz und Österreich.

Die dreiteilige Untersuchung förderte zum Teil erstaunlich unterschiedliche Ergebnisse zutage. Mit anderen Worten: Die Wahrnehmung der IT durch das Topmanagement schwankt erheblich. Zum einen zeigt die Analyse, wie sich die Reputation der IT im Hinblick auf strategisch wichtige Dimensionen über die Zeit verschlechtert hat. Hinsichtlich anderer Dimensionen hat sie sich hingegen im Laufe der Krise verbessert. Unter dem Strich aber ist es der IT nicht gelungen, ihr Gesamtbild nachhaltig positiv zu beeinflussen. (Siehe auch den Kommentar des Autors.)

Reszession kratzt am Image der IT
Stellenwert der IT
Der Stellenwert der IT ist im Verlauf der Krise kräftig gesunken. Räumten im Spätsommer 2008 noch fast 40 Prozent der Topentscheider der IT eine hohe Bedeutung ein, so waren es ein Jahr später, also im Herbst 2009, nur noch 23 Prozent. Zugleich stellten zu diesem Zeitpunkt 34 Prozent der Führungskräfte ihrer IT ein schlechtes Zeugnis aus. Vor der Krise hatten das lediglich 18 Prozent getan.
Rendite der Investitionen
Offenbar gelangte das Topmanagement im Verlauf der Wirtschaftskrise zu der Auffassung, dass sich die Investitionen in IT rechnen. Selçuk Boydak, Verwaltungsratsvorsitzender der Boydak Management Consulting, interpretiert dieses - zunächst erstaunliche - Ergebnis so: "Während der Wirtschaftskrise wurden die IT-Projektportfolios sehr genau überprüft. Weiterverfolgt wurden vor allem jene Projekte, deren Nutzen- und Renditeversprechen am größten waren. Einige dieser Hoffnungen haben sich offenbar erfüllt."
Position der CIOs
Die Positionierung der CIOs hat während der Konjunkturkrise nicht gelitten. Sie wurde eher aufgewertet. Waren zu Beginn der Krise nur 31 Prozent der CIOs in der obersten Management-Ebene angesiedelt, so betrug der Anteil der IT-Verantwortlichen in der Unternehmensführung im Herbst 2009 41 Prozent. Diese Aufwertung dürfte mit der höheren Aufmerksamkeit zusammenhängen, die der IT in den vorangegangenen zwölf Monaten zuteil wurde.
Abgestimmte IT-Strategien
Die schwache Konjunkturphase brachte für die IT-Verantwortlichen auch Vorteile mit sich. Einige von ihnen haben zudem offenbar gelernt, ihre Strategien klarer zu formulieren und enger mit der Geschäftsstrategie abzustimmen. Auf der anderen Seite ist die Zahl der Unternehmen ohne eine formulierte IT-Strategie mit mehr als einem Drittel nach wie vor sehr hoch.
Kundenorientierte Bebauungspläne
Zurückgegangen ist die Anzahl der mittel- und langfristigen Bebauungspläne. Im Verlauf der Krise schrumpfte der Teil der Unternehmen, der seine IT auf diese Weise plant, um elf Prozentpunkte. Allerdings sind diese Pläne, wo vorhanden, besser auf die Business-Bedürfnisse abgestimmt. Das dürfte eine Konsequenz der Portfolioanalyse sein, denen die meisten IT-Shops während der Krise unterzogen wurden.
Fokus auf IT-Chancen
Die Geschäftsstrategien berücksichtigen die Chancen von Technologien noch nicht in ausreichendem Maße. In 60 Prozent der Unternehmen wird offenbar nicht gefragt, wie die IT oder andere Technologien eingesetzt werden können, um die Geschäftsziele zu erreichen.
Disjunkte Steuerungsphilosophien
Der Disjunkt zwischen der Steuerungsphilosophie der IT und der des Business hat sich unter dem Strich nur wenig verändert. Auf dem Höhepunkt der Krise näherten sich die Philosophien zwar an: Von Ende 2008 bis Februar 2009 erkannten 69 Prozent der Befragten eine Übereinstimmung der Steuerungsphilosophien. Doch nachdem sich eine Erholung der Wirtschaft abzeichnete, gab dieser Wert wieder nach – auf 64 Prozent.
Wenig innovative Projekte
Erwartungsgemäß ging der Anteil der Ausgaben für innovative Projekte während der Krise zurück. Zu Beginn des Abschwungs lag der Anteil der Unternehmen, die zwischen zehn und 25 Prozent ihres Projektbudgets für Innovation ausgaben, noch bei 47 Prozent. Bis Herbst 2009 sank er auf 34 Prozent. "Das ist leider ein typisches Verhalten während einer Krise", erläutert Selcuk Boydak, Verwaltungsratsvorsitzender der Boydak Management Consulting.
Unbekannte Prozesskosten
Zu Beginn der Wirtschaftskrise erklärten 63 Prozent der Befragten, dass die IT nicht sagen könne, welche ihrer Kosten für die Unterstützung welcher Kernprozesse aufgewendet würden. Dieses ohnehin unzureichende Wissen schwand im Laufe der Krise weiter dahin. Zuletzt gaben fast 70 Prozent der Befragten an, die Kosten für die IT-Unterstützung der einzelnen Kernprozesse nicht zu kennen. So ist es nicht verwunderlich, dass IT-Optimierung und Kostenreduzierung oft an der falschen Stelle angesetzt werden und dass sich der Nutzen der IT nicht darstellen lässt.
Intransparente IT-Kosten
Für 61 Prozent der internen Kunden sind die ihnen aufgebürdeten IT-Kosten ein Buch mit sieben Siegeln. Sie empfinden diese Kosten als nicht beeinflussbar. Das deutet auf einen tiefen Graben zwischen IT und Fachbereichen hin. Kostentransparenz ist eine der wichtigsten Grundlagen für das Business-IT-Alignment. Solange die Geschäftsseite nicht sieht, wie sie die Kosten beeinflussen kann, wird sie die IT immer als nur notwendiges Übel betrachten.
Effektivität der IT-Prozesse
Zwar messen nach der Krise drei von zehn der befragten Unternehmen die Effektivität ihrer IT-Prozesse – zuvor waren es nur 26 Prozent –, aber das heißt im Umkehrschluss, dass immer noch 70 Prozent das nicht tun. Dazu Selcuk Boydak, Verwaltungsratsvorsitzender der Boydak Management Consulting: "Dem Effektivitätsgrad auf die Spur kommen Unternehmen nur mit Messungen und Benchmarks, die auch wesentliche qualitative Größen einschließen."
Steurung der Service-Provider
Wer erwartet, dass die Krise die Unternehmen dazu bringt, ihre Service-Provider effektiver zu steuern, sieht sich enttäuscht. Auch nach dem Abschwung kümmern sich 58 Prozent der Befragten nicht um eine systematische Steuerung ihrer Outsourcing-Anbieter; zuvor waren es 61 Prozent. Doch gerade durch die Steuerung und nachhaltige Zielkontrolle der Provider lassen sich nach Ansicht von Experten erhebliche Kosten einsparen. Demzufolge versäumen viele IT-Verantwortliche eine große Chance, ihre Kosten zu senken.