Erfahrungen und Best Practices

RPA kommt in den Unternehmen an

09.10.2018 von Manfred Bremmer
Geht es um Prozessautomatisierung, kommt man aktuell am Thema RPA (Robotic Process Automation) nicht vorbei. Im Fokus der diesjährigen Kundenveranstaltung der Scheer GmbH, dem Scheer Digital World Congress 2018, standen entsprechend – neben Predictive Maintenance, KI und Blockchain - die Erfahrungen und Best Practices beim Einsatz von RPA.
Auf dem diesjährigen Scheer Digital World Congress in Frankfurt/Main stand erneut das Thema Robotic Process Automation (RPA) im Vordergrund.
Foto: Scheer GmbH

Betrachtet man den Gartner Hypecycle für Emerging Technologies, erreichte das Thema Robotic Process Automation (bei Gartner Smart Robots genannt) 2017 seinen Höhepunkt. Doch was passiert nach dem Hype? Verschwindet das Thema wieder oder findet nun der Übergang in die produktive Phase statt? Was für Erfahrungen und Lessons learned gibt es bereits? Mit diesen Fragen befasste sich Ulrich Storck, Head of Product Development bei der Scheer GmbH, in seinem Vortrag auf der Veranstaltung in Frankfurt/Main.

Für erste Anhaltspunkte verwies Storck auf eine Studie der Information Services Group (ISG), in der knapp 250 Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Thema RPA befragt wurden.

RPA ISG-Umfrage 2018: Viele Unternehmen experimentieren bereits mit Robotic Process Automation, setzen es aber noch nicht strategisch ein.
Foto: ISG

Der Erhebung zufolge befinden sich mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen in einer frühen produktiven Phase mit Piloten oder wenigen Einzelprojekten, setzen RPA aber noch nicht strategisch ein. Allerdings stellen sechs von zehn Unternehmen in Aussicht, in zwei Jahren bereits mindestens zehn RPA-Prozesse aufgesetzt zu haben. Über die Hälfte davon wollen bis dahin sogar mehr als 25 Geschäftsprozesse an Softwareroboter übergeben.

Wie Storck ausführt, stellt sich bei den Anwendern teilweise bereits eine gewisse Ernüchterung ein - geboren aus der Erkenntnis, dass RPA nicht die eierlegende Wollmilchsau ist, sondern nur ein Mittel von vielen. Um Unternehmen Enttäuschungen zu ersparen, hat der Scheer-Manager sieben Lektionen aus Kundenprojekten zusammengetragen:

RPA: Weder Hexenwerk noch Selbstläufer

Von den bereits umgesetzten RPA-Projekten und den dabei gemachten Erfahrungen berichtete Dimitar Todorov, Head of IT Applications and Integration Services bei der Energieversorgung Niederösterreich (EVN). Das Unternehmen mit knapp 7000 Mitarbeitern befindet sich beim Einsatz von Software-Robotern gerade in einem Proof of Concept, hat aber über die letzten Monate bereits 6 bis 7 Anwendungsfälle realisiert. Das bisherige Ergebnis fällt dabei laut Todorov weitgehend positiv aus: Der Return on Invest (ROI) werde mit RPA positiv beeinflusst und sei um Faktoren besser, konstatiert der IT-Verantwortliche, auch die Time to Market werde kürzer. Außerdem sei die Umsetzung kein Hexenwerk, wenn gegen eine grafische Schnittstelle entwickelt werde.

Allerdings, so Todorov, ist RPA nicht unbedingt ein Selbstläufer. So erfülle sich der Traum von Wiederverwendung nur selten, die Anwendungsfälle seien sorgfältig zu prüfen. Der Idealfall sei, wenn man in einem automatisierten Prozess Daten von A nach B schaufeln müsse. Der IT-Manager empfiehlt außerdem, bei einem RPA-Projekt alle Stakeholder rechtzeitig abzuholen. Dazu zähle auch der Betriebsrat. In seinem Unternehmen habe dieser das Projekt sogar unterstützt, da häufig monotone Tätigkeiten automatisiert werden, die die Mitarbeiter eher frustrierten.

Zudem dürften die IT-Verantwortlichen nicht vergessen, dass sie sich mit RPA eine weitere Technologie ins Haus holen - mit allen Konsequenzen. Werde RPA erst einmal geschäftskritisch eingesetzt, komme es schnell zu Auswirkungen auf die Kapazitätsplanung, da bei einem Ausfall Abläufe zum Stillstand kommen. Außerdem habe RPA lizenztechnische Auswirkungen auf Drittprodukte wie z.B. SAP.

Bei einem relativ neuen Thema wie RPA ist außerdem die Kompetenz des Technologiepartners wichtig. "Viele kennen das Potenzial noch nicht", erklärt Todorov, auch das Wissen über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungen am Markt sei oft nicht ausreichend vorhanden. Aus diesem Grund sei ein Partner gefragt, der die Technik beherrscht und sich auskennt.

RPA als Self-Service

Interessant ist die Art und Weise, wie das Thema interne Zuständigkeit bei der EVN gelöst wurde: Die IT bietet den Fachbereichen RPA als eine Art Self-Service an, allerdings nur angelernten/eingewiesenen Mitarbeitern, da dazu gewisse Programmierkenntnisse erforderlich sind. Hintergrund war das Interesse der Fachabteilungen, selbst Prozesse auszuwählen und einem Software-Roboter zu übergeben, schildert der EVN-Mann. Im Prinzip sei das richtig gewesen, so Todorov. Man müsse aber bedenken, dass es sich bei RPA um Softwareentwicklung handle und damit sei eine Qualitätssicherung erforderlich. Gleichzeitig brauche man jedoch die Kenntnisse aus dem Fachbereich für die Anpassung.

Von Low-Code zu No-Code

Unterstützt werden solche Bemühungen, die Fachabteilungen bei der Prozessautomatisierung stärker miteinzubeziehen, von der Industrie - und natürlich auch vom Gastgeber Scheer GmbH: So bietet das Saarbrückener Unternehmen mit der Scheer Process Automation Suite (Scheer PAS), die eine Lösung des RPA-Spezialisten Uipath integriert, bereits eine Low-Code-Plattform für die modellgetriebene Digitalisierung und Automatisierung von menschlichen Arbeitsprozessen.

Das August-Wilhelm Scheer Institut (AWSI) wiederum entwickelt eine Methode, mit deren Hilfe Arbeitsprozesse automatisiert erfasst und dokumentiert werden können. Mit Desktop Activity Mining, das Techniken aus dem Data und Process Mining nutzt, würden nötige Vorarbeiten entfallen, die bisher für RPA notwendig waren. Im Detail werden über ein im Hintergrund laufendes Aufnahmeprogramm die relevanten Prozessaktionen der Mitarbeiter wie Texteingaben, Mausklicks oder Programmaufrufe identifiziert und anonymisiert erfasst. Aus diesen werden dann mit Process-Mining-Algorithmen Prozessmodelle generiert, um eine umfangreiche Darstellung des realen Arbeitsprozesses zu erhalten.

Desktop Activity Mining erfasst menschliche Interaktionen mit grafischen Benutzeroberflächen. Das Ergebnis kann als Grundlage für die Konfiguration von Softwarerobotern dienen.
Foto: AWSI

Laut AWSI setzt Desktop Activity Mining im Gegensatz zu klassischen Process-Mining-Ansätzen, bei denen nur Transaktionsdaten aus IT-Systemen zur Beschreibung eines Geschäftsprozesses genutzt werden, auf der direkten Arbeitsebene der Mitarbeiter an. Es werden also auch solche Aktionen erfasst, die trotz ihrer Prozessrelevanz bisher nicht durch vorhandene IT-Systeme dokumentiert werden können - beispielsweise das Schreiben einer E-Mail.