Anwender und SAP-Verantwortliche haben in den vergangenen Monaten offenbar viel miteinander geredet und diskutiert. Das war auch nötig nach der massiven Kritik im vergangenen Jahr. Zu komplexe Systemlandschaften, mangelnde Transparenz, Produktentwicklungen, die an den Bedürfnissen des Markts vorbeigehen, und eine schlechte Softwarequalität - die Liste der Anwenderbeschwerden war lang, die Misstöne im Verhältnis zum Softwarehersteller waren nicht zu überhören.
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Anlässlich der DSAG-Technologietage in Hannover zog Marco Lenck, Mitglied im Vorstand der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), eine zwar vorsichtige, aber doch positive Zwischenbilanz. "Wir gehen davon aus, dass die enge Zusammenarbeit mit SAP in den letzten Monaten geholfen hat, die Anforderungen der Anwender nach weniger Komplexität zu erfüllen." Große Hoffnungen setzt Lenck dabei in die Weiterentwicklung der SAP-Basistechniken. Vor allem das aktuelle Netweaver-Release 7.30 habe das Potenzial, die Komplexität der SAP-Systeme einzudämmen. Allerdings, schränkt Lenck ein, werde man abwarten müssen, inwieweit sich die damit verbundenen Hoffnungen in der Praxis bewahrheiteten.
Anwender wollen einfache Systeme
Auf den Technologietagen machten die SAP-Anwender deutlich, dass sie auf ihren Forderungen beharren werden. Neben dem Wunsch nach einfacheren Systemen geht es vor allem um mehr Transparenz der SAP-Roadmap und -Strategie sowie um Mitspracherecht bei der Produktentwicklung. Das Selbstvertrauen, diese Forderungen durchboxen zu können, ist auf Seiten der DSAG ungebrochen. Lenck pocht darauf, dass die hiesigen SAP-Anwender die erfahrensten der Welt seien. Daraus leitet der Anwendervertreter eine Sonderrolle der deutschen SAP-Kunden ab und spricht von einem hohen Gewicht, das man in die Waagschale legen könne. Kritik dürfe dabei nicht ausgespart werden.
Für die Zusammenarbeit mit SAP hat die Anwendervereinigung Regeln aufgestellt. Themen sollen auf strategischer und operativer Ebene diskutiert werden. Aus DSAG-Sicht muss SAP seine langfristigen strategischen Überlegungen offen legen. Mittelfristig verlangen die Anwender ein Mitspracherecht in der Produktentwicklung sowie kurzfristig fest definierte Prozesse, um beispielsweise Fehler und Mängel in den Anwendungen zügig korrigieren zu können. Mit Lippenbekenntnissen will sich die DSAG dabei nicht zufrieden geben. In den Thesen zu ihrem Selbstverständnis heißt es: "Wir zielen in der Zusammenarbeit auf konkrete und nachhaltige Ergebnisse."
Konkrete Ergebnisse: Mangelware
Die lassen allem Anschein nach allerdings noch auf sich warten. Lenck berichtet zwar von Fortschritten bei der kurzfristigen Produktverbesserung. Hier sollen bereits im März erste Resultate vorliegen. In Sachen langfristiger Einflussnahme gibt es bis dato jedoch wenig Konkretes zu berichten. Auch in anderen Bereichen hat sich bislang wenig getan. Im vergangenen Jahr hatte SAP-Vorstandssprecher Jim Hagemann Snabe Vereinfachungen in den Lizenzmodellen in Aussicht gestellt. Lenck zufolge sind die damit verbundenen Diskussionen aber langwierig. "Antworten sind gefordert", sagt der DSAG-Vorstand.
Darüber hinaus offenbaren sich nach wie vor deutliche Diskrepanzen zwischen den Prioritäten der SAP und ihrer Kunden.Während der Softwarehersteller derzeit Themen wie Mobile Solutions und In-Memory-Datenbanken in den Vordergrund rückt, hält sich die Investitionsbereitschaft der Anwender noch in engen Grenzen. Laut einer DSAG-Umfrage wollen derzeit nur zwei Kunden in SAPs In-Memory-Appliance "Hana" investieren. Das Thema sei zwar spannend, sagt Lenck, "Ich würde mein ERP-System derzeit jedoch nicht in-Memory abbilden."
DSAG-Umfrage zu Investitionen
Die DSAG hat 350 Mitgliedsunternehmen
zu ihren Investitionsplänen befragt:
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Die IT-Budgets steigen 2011 um knapp sechs Prozent.
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Ein Drittel des Budgets entfällt auf SAP-Produkte.
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63 Prozent der SAP-Anwender investieren im Bereich ERP. Es folgen das Business Warehouse (BW) und Business Objects (BO) mit 36 Prozent.
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83 Prozent setzen das aktuelle Release ERP 6.0 ein, weitere 13 Prozent planen ein Upgrade.
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60 Prozent der Unternehmen haben Enhancement Packages installiert, aber nur die Hälfte nutzt die entsprechenden Funktionen.
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Die Nutzung von Standard- und Enterprise-Support halten sich stabil die Waage. 91 Prozent planen keinen Wechsel.
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Ein Viertel der Anwender interessieren sich für Hana, handfeste Investitionspläne verfolgen aber nur zwei Kunden.
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29 Prozent der SAP-Kunden interessieren sich für das Thema Mobile, konkret investieren wollen aber nur sechs Prozent.
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Virtualisierung ist ein Topthema. Über die Hälfte der befragten SAP-Anwender will 2011 hier investieren.