Besuch im T-Systems Innovation Center

Schaufenster der ITK-Zukunft

02.09.2011 von Jürgen Hill
Im Münchner Innovation Center von T-Systems konnte die COMPUTERWOCHE einen Blick auf kommende ITK-Entwicklungen werfen. Vor allem mobile Apps für Business-Prozesse stehen im Fokus der Entwickler.
Das Innovation Center ist auch innen unscheinbar - bis auf die Videowand.
Foto: T-Systems

München, irgendwo in einem Industriegebiet. Es ist einer jener grauen Morgen, die typisch für diesen verregneten Sommer sind. Dank diesem Lichtspiel aus Grau in Grau wirkt die Umgebung noch melancholischer als sonst. In dieser Atmosphäre sollen Innovationen entstehen und der Forschergeist sprudeln?

Das innere Erwartungsbild von einem ITK-Innovationscenter mit 3D- Holografie oder in Raumschiff-Enterprise-Manier kommunzierenden Menschen bekommt Risse. Die Enttäuschung wird beim Betreten des "T-Systems Innovation Center" noch größer: Statt Hightech erwartet den Besucher ein Ambiente aus nacktem Betonfußboden und Büromöbeln, wie sie in Zigtausenden deutschen Meeting- Rooms zu finden sind. Nur die Videowand strahlt einen Hauch von Technik aus. "Kein Wunder", so schalten die Gehirnzellen in den Sarkasmus-Modus um, "dass Deutschland im globalen ITK-Markt keine Rolle mehr spielt, wenn so Innovation made in Germany aussieht."

Nachhaltigkeit ist gefragt

Rund 15 Minuten später im Gespräch mit Stephan Verclas, bei T-Systems für den Bereich Innovation verantwortlich, weicht die Skepsis einem zustimmenden Kopfnicken: Müssen es immer strahlende Leuchtturmprojekte sein, die wir mit Innovation verbinden? Ist vielleicht der Ansatz der T-Systems-Macher mit kleinen Innovationen, die wie Module eingeführt werden, doch der bessere Weg, da diese schneller und nachhaltiger in Unternehmensprozesse integriert werden können?

Genau auf Letzterem liegt der Fokus des Innovation Center, das im September 2010 seine Arbeit aufnahm: Es soll quasi als Werkstatt für Innovationen dienen und Unternehmen mit neuen ITK-Lösungen helfen, ihre Wertschöpfung zu verbessern. Und auf den zweiten Blick offenbart das Center auch seine inneren Hightech-Werte, wie etwa ein kleines Rechenzentrum für Forschungszwecke. Und das mit Intel gegründete DataCenter 2020 ist nur eine Glasscheibe entfernt.

Wie einfach und doch nützlich Innovation sein kann, zeigt etwa das Beispiel Mobile-Claim-Management. Der Prozess, einen Schadensvorfall (etwa Autounfall) per Smartphone inklusive Bilder an die Versicherung zu melden, ist auf den ersten Blick nichts Besonderes. Beim Blick auf das Backend kommt dann der Aha-Effekt: Dort kann der Agent aus Modulen spezifische Apps situationsbezogen zusammenstellen und dann per Klick an das Smartphone des Kunden übermitteln.

Situationsbezogen könnte in unserem Beispiel etwa ein Modul für Foto sowie für Daten der Unfallfahrzeuge bedeuten. Bei einem Wasserschaden könnte die Applikation dann für den Kunden wieder ganz anders aussehen. Spinnt man den Gedanken der individualisierten, an Situationen angepassten Anwendung weiter, dann lassen sich auch in anderen Branchen Möglichkeiten für diese Idee finden: etwa Medien, die ihre Apps spezifisch an den Leser anpassen oder zu bestimmten Ereignissen wie der CeBIT zusätzliche Module aufnehmen.

Personal Workplace

Im Münchner Innovation Center können auch Großkunden neue ITK-Lösungen auf Herz und Nieren testen.
Foto: T-Systems

Letzterer Gedanke zieht sich wie ein goldener Faden durch alle Innovationsprojekte, die Verclas und seine Labormitarbeiter zeigen: Mit etwas Brainstorming lassen sich die Ideen oft in anderen Bereichen adaptieren und können dort einen Mehrwert erwirtschaften.

Etwa wenn aus Citrix plötzlich das "Portal Future Workplace" wird. Die Technik dahinter ist die altbekannte Citrix-Landschaft. Neu dagegen ist, was sich die Mitarbeiter im Innovation Center ausgedacht haben, um auf die gegenwärtige IT-Consumerization mit der "Bring- your-own-Device"-Mentalität zu reagieren. Über Citrix haben sie es geschafft, diese Geräte sicher und effizient in die IT einzubinden. Effizient, weil das Future-Workplace-Portal per Touch-Bedienung mit dem Finger den schnellen Zugriff auf Unternehmensapplikationen erlaubt.

Dabei müssen die Sicherheitswünsche des Unternehmens und der Wunsch des Users nach Personalisierung kein Widerspruch sein. Während auf dem Future Workplace der linke Bereich eingehenden Exchange-Nachrichten sowie dem aktuellen Kalender vorbehalten ist, kann der User den rechten Bereich an seine persönlichen Bedürfnisse anpassen und hier etwa RSS-Feeds auswählen beziehungsweise anlegen. Im mittleren Fenster sind dann die für den Benutzer freigegebenen Anwendungen plaziert, wobei sich die Freigaben an der Rolle des Nutzers orientieren.

Dabei müssen diese Anwendungen nicht unbedingt über Citrix bereitgestellt sein. Im Innovation Center verfolgt man zudem die Idee eines Enterprise App Shops. Analog zu den Marktplätzen von Google oder Apple sollen dort für Mitarbeiter Anwendungen zur Verfügung gestellt werden. Mit einem Unterschied: Das Konzept sieht vor, dass diese Apps zuvor von der IT analysiert und dann zertifiziert werden, wenn sie der Security Policy des Unternehmens entsprechen.

Technologie-Verknüpfung

Eine solche Anwendung könnte beispielsweise eine mobile SAP-CRM-Lösung sein, die man im Innovation Center auf Sybase-Basis entwickelt hat. Hier kann der User unterwegs von iPhone und iPad auf Verkaufs- und Kundendaten zugreifen sowie Aufträge ins System einbuchen. Oder der Benutzer erstellt unterwegs gleich entsprechende Präsentationen, die er für das nächste Meeting benötigt. Auch hier erfolgt der Zugriff auf die Anwendungen und die dahinterliegenden Daten rollenbasiert.

Mobile Sales
"Mobile Sales" von T-Systems und Sybase (iPhone)
Die mobile SAP-CRM-Lösung für iPhone und iPad wurde im Innovation Center auf Sybase-Basis entwickelt.
Mobile SAP-CRM-Lösung von T-Systems und Sybase (iPad)
Mit ihr kann man unterwegs auf Verkaufs- und Kundendaten zugreifen...
Mobile SAP-CRM-Lösung von T-Systems und Sybase (iPhone)
sich über vergangene und aktuelle Aktivitäten informieren...
Mobile SAP-CRM-Lösung von T-Systems und Sybase (iPad)
...Aufträge ins System einbuchen...
Mobile SAP-CRM-Lösung von T-Systems und Sybase (iPhone)
Analysen einsehen...
Mobile SAP-CRM-Lösung von T-Systems und Sybase (iPad)
...oder daraus gleich Präsentationen für das anstehende Meeting erstellen.

Auch wenn die bisher vorgestellten Anwendungen reine ITK-Lösungen sind, heißt das nicht, dass man im T-Systems-Thinktank nicht auch andere Technologien in die Überlegungen einbezöge. Jüngstes Beispiel ist das Anwendungsszenario "Virales Couponing". Die Idee ist ein digitales Rabattheft als App auf dem Smartphone. Im Gegensatz zu seinem gedruckten Pendant bietet es Unternehmen den Vorteil, dass etwa die Kundenbeziehung personalisiert wird oder das Controlling festhalten kann, wo der Kunde den Coupon erfasst und wann er ihn in welcher Filiale einlöst. Gleichzeitig kann der Coupon für weitere Marketing-Funktionen genutzt werden, etwa indem der Kunde für die Weitergabe des Coupons an Freunde einen zusätzlichen Rabatt erhält. Da die Coupons in diesem Szenario aus einem QR-Code bestehen, könnten sie auch zur Vertriebssteuerung verwendet werden, indem sie nur in bestimmten Filialen gelten. Eingesetzt auf einer der neuen digitalen Plakatwände, würde der Coupon eine sehr feine Steuerung ermöglichen. Zugegeben: In Sachen Komfort stellen die QR-Codes noch nicht das Optimum dar, doch im Innovation Center wird bereits über die Verwendung von NFC-Chips (Near Field Communication) nachgedacht. Dies würde später auch das Einlösen der Coupons vereinfachen, denn derzeit muss die Kassen-App einen QR-Code auf dem Smartphone des Kunden auslesen.

Tablet trifft Auto

Ein anderes umfangreiches Thema, an dem zurzeit in Kooperation mit der Universität München geforscht wird, ist der Einsatz von ITK im Auto. Die Ideen reichen dabei von komplexen Systemen bis zu einfachen Lösungen wie dem WLAN-Hotspot im Fahrzeug. Im Modell wurden beispielsweise kommunizierende Fahrzeuge mit GPS und Kamera entwickelt, die sich gegenseitig beeinflussen, um Unfälle zu vermeiden.

Selbst hinter dem auf den ersten Blick trivialen KFZ-Hotspot verbirgt sich ein pfiffiger Ansatz. Warum funktioniert das Fahrzeug nicht wie eine Art Internet-Proxy? Immer wenn ein WLAN zur Verfügung steht, könnte es auf Basis des bisherigen User-Verhaltens Internet-Inhalte vorab herunterladen. Unterwegs müssten dann über die Mobilfunknetze und ihre knappe Bandbreite nur aktualisierte Inhalte nachgeladen werden. Ebenso könnte das WLAN dazu dienen, die On-Board-Systeme des Fahrzeugs etwa mit den Adressdaten des Smartphones zu synchronisieren. (mb)