Die Beschwerden der IT-Experten

Schlaflos in der IT-Branche

24.02.2011 von Alexandra Mesmer
Morgens wachen sie müde auf, abends finden sie keinen Schlaf. Rücken- und Konzentrationsprobleme machen hoch beanspruchten IT-Technikern ebenso zu schaffen.

Wie gesund sind eigentlich IT-Mitarbeiter? Traurige Antworten liefert eine Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation IAQ der Universität Duisburg. Demnach ist nur noch jeder dritte IT-Spezialist dem Druck am Arbeitsplatz gewachsen. Erschöpfung und nicht selten Burnout nehmen dramatisch zu. Nicht einmal ein Drittel der Befragten gab an, den Feierabend zum Ausruhen nutzen zu können.

Die Leiden der IT-Techniker

Besonders hochbeanspruchte IT-Techniker schlafen laut IAQ-Studie schlecht. Mehr als jeder Zweite der 331 Befragten räumte Schlafstörungen ein, Rückenschmerzen (46 Prozent), Konzentrationsstörungen (45 Prozent), Magenleiden (35 Prozent) und Tinnitus (30 Prozent) machen ebenfalls vielen IT-Experten zu schaffen. Insgesamt ist jeder Vierte am Morgen müde und zerschlagen, jeder Dritte denkt ständig, er werde die Arbeit auf Dauer nicht durchhalten und 40 Prozent fühlen sich jeden Tag bei Arbeitsende "verbraucht".

Erschöpft: Viele IT-Experten wachen morgens müde auf und schlafen abends schlecht ein.
Foto: Fotolia, Matt Baker

Verantwortlich dafür ist die große Stressbelastung, ist Anja Gerlmaier, Expertin für Arbeitszeit und -organisation am IAQ in Duisburg überzeugt: "IT-Techniker sind mit ungeplanten Arbeiten, nicht realistisch kalkulierten und parallelen Projekten und teils kritischen Kundensituationen konfrontiert. Zudem macht ihnen auch die Virtualisierung der Arbeit zu schaffen. Sitzen die direkten Vorgesetzten in Texas, können sie diesen gegenüber eine zu hohe Belastung viel schlechter signalisieren." Die dauernde Anspannung sorge für einen ständig hohen Adrenalinspiegel, wobei der Körper mit dem Abbau des Hormons nicht nachkommt. "Die Folgen sind Unruhe, Unfähigkeit des Abschaltens und der Erholung sowie erschwertes Einschlaf- und Durchschlafen."

Stressabbau: Yoga und Massagen allein reichen nicht

Doch was können gestresste IT-Mitarbeiter dagegen tun? Für Wissenschaftlerin Gerlmaier ist diese Frage falsch adressiert, zumal gerade IT-Techniker ein besseres "Gesundheitsverhalten" an den Tag legen als der Rest der Erwerbsbevölkerung: " Sie rauchen selten, betreiben Sport und achten ohnehin mehr auf ihren Schlaf als andere." Massagen oder Yoga als beliebte Stressprävention können in Gerlmaiers Augen das Problem auch nicht lösen: "Solche Angebote sollen dem Mitarbeiter nur weismachen, er solle Belastungen als Herausforderungen sehen. Oft ist das eine Bagatellisierung."

Erholung für gestresste
Typ1: Wer ermüdet ist,
braucht Regeneration im Urlaub.
Typ 2: Wem die Routine im Berufsalltag stresst,
sollte für Abwechslung im Urlaub sorgen.
Typ3: Wer unter Stress leidet,
braucht dringend Entspannung.
Typ 4: Wer Frust und Ärger im Job verspürt,
braucht in seiner Auszeit Erfolgserlebnisse.
Zeit für sich allein
Menschen, die nur noch für ihren Job brennen, wissen nicht, was ihnen guttut. Deswegen kann es hilfreich sein, vor dem Sommerurlaub mit der Familie ein paar Tage nur für sich zu haben. Wenn das nicht geht: Zeiten vereinbaren, in denen man sich zurückziehen kann. Spazieren gehen, in der Sonne liegen, über den Wochenmarkt streifen.
Ein medizinischer Check-Up...
sollte folgende Fragen klären: Stimmen die Blutwerte, wie hoch ist das Herzinfarktrisiko, was machen die inneren Organe und der Stoffwechsel? Stimmt das biologische mit dem tatsächlichen Alter überein? Wie hoch sind der Stresspegel und die mentale Leistungsfähigkeit? Was machen der Rücken und die körperliche Flexibilität?
Welche Nährstoffe....
fehlen dem Körper? Welcher Sport ist ideal?
Nach dem Urlaub weitermachen
Mit der Familie frühstücken, meditieren oder eine Runde um den Block laufen - wer sich morgens positiv auf den Tag einstimmt, hat nicht das Gefühl, von früh bis spät fremdgesteuert zu sein, und bleibt nach dem Urlaub länger gelassen.
Zeitfresser enttarnen
Wer täglich zwei Stunden mit Kollegentalk, Netzwerken auf Xing und E-Mails beantworten befasst ist, sollte genau hinschauen: Was davon bringt mich wirklich weiter? Wie viele Personen müssen wirklich auf cc gesetzt werden?
Neuer Umgang mit E-Mails
Übung: Mails nur alle drei Stunden und nicht alle 15 Minuten abfragen und beantworten.
Finger weg vom Mountainbike
Wer erschöpft und gestresst ist, sollte nicht mit dem Mountainbike über die Alpen preschen.

Helfen könnten nur konkrete Schritte, das heißt die Arbeitsbelastung zu reduzieren und zum Beispiel das Multitasking zu beschränken. "Günstig wäre, an höchstens zwei Projekten gleichzeitig tätig zu sein. In stressigen Übergangsphasen sollte man eigene Ziele überdenken und delegieren, da gerade Nebentätigkeiten viel Zeit fressen." Entscheidend sei jedoch auch eine gute Pausenkultur, zu der etwa gemeinsames Kaffeetrinken und Mittagessen beiträgt, sowie positive Freizeiterlebnisse. "Gerade bei Dauerstress verzichten viele auf Pausen. Das verschlimmert die Situation jedoch nur."

Wen der Burnout trifft: Die Risikogruppen

Trotz der gesteigerten Belastungen am Arbeitsplatz fanden die Wissenschaftler heraus, dass Burnout offenbar nicht alle in gleichem Maße trifft. Vielmehr lassen sich folgende Risikogruppen identifizieren.

  1. Berufseinsteiger: Wer nach Ausbildung oder Studium direkt in den Beruf und in die Projektarbeit einsteigt, ist viel mehr gestresst als Einsteiger, die ihre berufliche Laufbahn in einem Traineeprogramm beginnen.

  2. Neue Führungskräfte: In der Altersgruppe zwischen 30 und 50 haben die "Aufsteiger in neue Positionen" oft mit Problemen der Rollenfindung sowie Erfahrungsmangel zu kämpfen.

  3. Mobile Beschäftigte: Von Überlastung bedroht sind vor allem die "mobilen Beschäftigten" wie IT-Berater, die oft Grenzgänger zwischen Kunden und IT-Unternehmen sind. Sie zeigten in der Analyse zu 67 Prozent hohe Burnout-Werte.

  4. "Mehrstelleninhaber" und "Multi-Projektmanager" Bei den 40- bis 60-Jährigen sind der IAQ-Studie zufolge vor allem die diese beiden Gruppen betroffen.

Laut Studie leiden fast die Hälfte der älteren Projektmitarbeiter über 50 unter psychischer Erschöpfung. Zeitdruck und Arbeitsunterbrechungen machen ihnen zu schaffen. Zudem würden auch Führungskräfte ältere Projektmitarbeiter selten unterstützen. Ein grundsätzliches Problem sei, dass die Mitarbeiter die Arbeitsbedingungen kaum mitgestalten könnten und zu geringe Erholungs- und Pausenzeiten hätten. Gerlmaier plädiert daher für klare Regeln für "gute Arbeit": Dazu gehören die Arbeits- und Pausengestaltung genauso wie die Möglichkeit, im Team und mit dem Vorgesetzten regelmäßig über Belastungen zu sprechen. (pte/am)

ungestörtes Arbeiten
1. Blocken Sie einen Termin für sich
Zwischen Tür und Angel ist konzentriertes Arbeiten unmöglich. Daher sollten Sie sich dafür unbedingt Zeitkontingente im Kalender blocken - und diese dann auch genauso ernst nehmen wie ein Mitarbeitergespräch oder einen Kundentermin. Falls Sie Ihre Termine elektronisch per Netzwerkkalender mit Ihrem Team synchronisieren, sollte der Eintrag auch dort erscheinen. Das ist automatisch ein Signal an die Kollegen: Jetzt bitte nicht stören.
2. Morgenstund hat Gold im Mund
Der Zeitpunkt des Termins entscheidet nicht selten über das Gelingen. Wählen Sie also bewusst Tageszeiten aus, zu denen Sie nach Ihrem Biorhythmus geistig auf der Höhe sind. Bei vielen Menschen dürfte sich der Morgen oder Vormittag anbieten. Wer etwa morgens - noch vor dem Checken der Mails und dem Abhören der Mailbox - zwei Stunden lang konzentriert arbeitet, hat schon einen guten Teil seines Tagespensums geschafft. So startet er anschließend befreit und beflügelt in den weiteren Arbeitstag.
3. Bitte nicht stören
Vom Denken sollte Sie nichts ablenken. Wer in einem Großraumbüro sitzt oder sich das Zimmer mit einem Kollegen teilt, sucht sich am besten für die Dauer der Denkarbeit ein leeres Büro oder einen freien Konferenzraum. Für alle Denkarbeiter gilt: Die nötigen Unterlagen sollten bereits vorher gesammelt worden sein. So entfallen lästige Unterbrechungen im Denkprozess. Dann heißt es: Tür zu, Telefon umstellen, Handy ausschalten, und ganz wichtig: Hände weg vom E-Mail-Programm!
4. Eingrooven
So ganz allein am Schreibtisch zu sitzen mag vielen Mitarbeitern zunächst einmal merkwürdig vorkommen. Meist ist die Arbeit im Büro ja von einem hohen Aktivitätsniveau zwischen Meetings, Teamarbeit und Kollegengesprächen geprägt. Jetzt heißt es: runterkommen. Zum Eingrooven muss jeder seine eigene Form finden. Manch einer beginnt die Session vielleicht mit einem Sonnengruß, ein anderer mit ein paar Jojowürfen, wieder ein anderer stimmt sich mit seinem MP3-Player auf die bevorstehende Arbeit ein. Egal, ob Yoga, Jojo oder iPod: Hauptsache, es hilft einem dabei, die Hektik draußen zu vergessen und sich aufs Thema zu konzentrieren. Erwarten Sie nicht bei jeder Konzept-Session gleich den ganz großen Wurf. Am besten erst mal mit kleinen Schritten anfangen. Das nimmt den Druck raus.
5. Plan B
Trotz der besten Vorbereitungen: Leider wird nicht immer alles nach Plan laufen. Wer zum Beispiel als Vorgesetzter in dringenden Fällen erreichbar sein muss, sollte Störungen von vornherein einplanen. Gut, wenn man sich da im Kalender doppelt so viel Zeit eingetragen hat, wie man eigentlich benötigt. So steigt die Wahrscheinlichkeit, trotz Ablenkungen die Aufgabe abzuschließen. Zudem hilft es, sich auch mental auf Unterbrechungen einzustellen. Wer innerlich gewappnet ist, lässt sich nicht durch jedes Klopfen an der Tür aus der Bahn werfen. In solchen Fällen dann lieber die Störung kurz und bündig abhandeln und anschließend weiterarbeiten.
6. Nichts wie raus
Manchmal hilft alles nichts: In der Hektik des Tagesgeschäfts findet sich einfach keine ruhige Minute. Dann hilft nur: Nichts wie raus! Wozu gibt es Notizblocks, Laptops und Hotspots? Denkarbeit lässt sich gut auslagern: nach Hause, in den Biergarten, in den Coffeeshop. Und die Flucht aus dem Büro hat außerdem noch eine wichtige positive Nebenwirkung: Fremde Arbeitsumgebungen fördern kreative Denkprozesse.
7. Gewissensbisse ade
Viele Mitarbeiter haben das Gefühl, für konzentrierte Konzeptarbeit viel zu wenig Zeit zu haben. Doch diese Sorge ist unbegründet. Laut Arbeitswissenschaftlern besteht die Hauptaufgabe von Managern heute nicht mehr darin, Konzepte im stillen Kämmerlein auszuarbeiten. Strategische Arbeit, so ihre Erkenntnis, findet vielmehr am häufigsten im Team statt. Also dann: Auf zum nächsten Meeting.