Öffentlicher Sektor

Schlingerkurs oder das Ruder fest im Griff?

Kommentar  von Thomas Kuckelkorn
Der öffentliche Bereich hat es mit komplexen Themen zu tun. Wie behält man die Kontrolle über Geschäftsabläufe, Entscheidungsfindung und Digitalisierung im Kontext technologischer und gesellschaftlicher Veränderungen?

Die öffentliche Verwaltung hat es aktuell nicht sehr leicht in Deutschland. Es scheint mir, dass es für kommunale und regionale Behörden sowie für öffentliche Institutionen immer schwieriger wird, die Entscheidungsfindung, das operative Management und die Digitalisierung gleichermaßen im Griff zu behalten.

Trotz Monsterwellen von allen Seiten. Entscheidungsträger müssen sich einigen internen wie externen Hindernissen stellen. Die (Aus-) Richtung muss stimmen, sonst wird die digitale Fahrt schnell zum Schlingerkurs!
Foto: Eric Gevaert - shutterstock.com

In einer Welt, in der technologische und gesellschaftliche Veränderungen in einem rasanten Tempo aufeinander folgen, ist es fast unmöglich, die richtigen Erkenntnisse zu gewinnen. In solch einer dynamischen Welt scheint es ein unerreichbarer Traum zu sein, die richtigen Prioritäten zu setzen. Wie gelingt dieser Prozess dennoch?
Indem man nicht zulässt, dass das vermischte Herausforderungs-Konglomerat Konsequenzen für die eigene Prozessgestaltung, Informationsbereitstellung und Organisationsstruktur hat.

Verantwortung

Die Schwierigkeit bei der Festlegung der richtigen Prioritäten ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass es keine klare und eindeutige Kommunikation zwischen Beamten und öffentlichen Leitungsfunktionen beziehungsweise Entscheidungsträgern gibt. Oft setzen sie unterschiedliche Prioritäten oder haben unterschiedliche Erwartungen voneinander. Die gegenseitigen Erwartungen sind daher meist nicht gut aufeinander abgestimmt, sodass die Ziele einer Institution unklar bleiben. Jeder hat ein anderes Bild des Status quo sowie von der langfristigen Position der Behörde. Und jeder verfolgt aus seiner eigenen Perspektive Zielsetzungen, die sich gegenseitig beeinflussen und die ständig in Bewegung sind.

Jetzt denken Sie vielleicht: "Das ist doch immer so bei einer Transformation". Ich glaube jedoch, dass eine differenziertere Sichtweise erforderlich ist. Ich sehe vielmehr eine Tendenz, mehr Governance, Risk und Compliance (GRC) als konzeptionellen Bezugsrahmen für sämtliche Handlungs- und Gestaltungsebenen zu verankern. Das betrifft nicht nur Unternehmen, sondern auch Behörden und andere öffentliche Institutionen, die langfristig Rechenschaft über getroffene Entscheidungen ablegen müssen. Diese Entscheidungen müssen vorab gut begründet und legitimiert werden. Denn sie stellen einen Weg dar, die eigene Existenzberechtigung auf den Prüfstand zu stellen.

Neue Gesetze und Verordnungen einhalten

In öffentlichen Institutionen existieren also häufig unterschiedliche, spezifische Ziele, die sich ständig im Wandel befinden. Aber warum verändern sie sich eigentlich?

Hier kommen die genannten technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen ins Spiel. Diese sorgen nämlich für neue Gesetze und Verordnungen - was bedeutet, dass Organisationen ihre Ziele ständig anpassen müssen. Compliance ist das "Zauberwort": Es ist äußerst wichtig, über spezifische Entwicklungen informiert zu sein und die eigene Institution durch konkrete Maßnahmen 'compliant', also dauerhaft konform der Richtlinien, zu halten.

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Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und die dadurch regulierte Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten ist ein offensichtliches Beispiel. Aber auch die europäische Verordnung eIDAS (Electronic Identities And Trust Services) für die elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste fällt in dieselbe Kategorie. Darüber hinaus ist das E-Government-Gesetz (EGovG), das die elektronische Verwaltung von Informationen vorantreiben und die digitale Kommunikation mit dem Bürger fördern soll, eine sehr wichtige Änderung, die öffentliche Institutionen auf gar keinen Fall übersehen dürfen. In eine ähnliche Richtung geht das seit Sommer 2017 gültige Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (OZG). Es soll öffentliche Verwaltungen dazu verpflichten, alle Verwaltungsdienstleistungen in Deutschland bis spätestens 2022 auch digital anzubieten und soll deren digitale Abwicklung gewährleisten.
Viele wichtige Veränderungen auf Gesetzesebene also, die man unbedingt auf dem Schirm haben muss.

Strategische Ziele koordinieren

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der sich bei öffentlichen Institutionen regelmäßig in Bewegung befindet. Dabei handelt es sich um die strategischen Ziele, die die Grundlage für den langfristigen Kurs bilden. Wo technologische und gesellschaftliche Veränderungen in einem raschen Tempo stattfinden, sind anstehende Änderungen der strategischen Ziele rechtzeitig zu bemerken, da sich Institutionen im Allgemeinen allmählich anpassen.

Es kommt bei öffentlichen Entscheidern und Führungsfunktionen jedoch gelegentlich vor, dass sich Ambitionen und Prioritäten plötzlich aufgrund von gesellschaftlichem oder politischem Druck, oder einfach aufgrund persönlicher Präferenzen verändern. Als Folge davon kann es passieren, dass das sprichwörtliche Ruder von oben unerwartet umgerissen wird. In diesem Fall ist es sehr zeit- und arbeitsaufwändig, um zeitnah gegenzusteuern und alle Aspekte mit dem eigenen strategischen Kurs und den eigenen Ambitionen in Einklang zu bringen.

Wie geht es weiter?

Der erste Schritt ist stets die Schaffung einer klaren Kommunikation, in diesem Fall zwischen Beamten und Entscheidern im öffentlichen Bereich. Wenn man die Entscheidungsfindung, den Geschäftsbetrieb und die Digitalisierung sowie die damit verbundenen gesellschaftlichen und technologischen Einflüsse im Griff behalten möchte, müssen die gegenseitigen Erwartungen klar aufeinander abgestimmt sein.

8 Fehler in der Kommunikation
Diese Kommunikationsfehler sollten Sie vermeiden
Was Sie in Gesprächen und Debatten tunlichst unterlassen sollten, um Fehlinformationen, Konflikte und Imageschäden zu vermeiden.
Fachchinesisch benutzen
Mit technischem Fachjargon um sich zu werfen, ist der größte Fehler, den IT-Verantwortliche in Gesprächen mit Nicht-IT'lern machen können. Viele Experten können nicht richtig einschätzen, wie tief das eigene Fachwissen geht und wo im Gegenzug das Fachwissen des Gegenübers endet. Hier kann es schnell zu Missverständnissen und Kommunikationsstörungen kommen.
Technische Probleme beklagen
Wer in der Team- oder Vorstandssitzung über technische Probleme im Rechenzentrum oder anderen Unternehmensstellen klagt, darf sich nicht wundern, wenn diese Beschwerden Irritation und Unsicherheit auslösen. Kollegen, die nicht mit den beschriebenen Interna vertraut sind, verstehen in einem solchen Fall oft nur "Der hat massive Probleme, die er nicht in den Griff bekommt." Natürlich müssen IT-Probleme auch im großen Kreis thematisiert werden dürfen, das jedoch besser in einer sachlichen Art und Weise, die jeder verstehen und nachvollziehen kann.
Wie ein Verkäufer reden
Manager, die bislang mit einem Business-Hintergrund tätig waren, und IT-Führungspositionen übernehmen, sprechen ihre neuen Untergebenen in einem aufgeblasenen Ton an und wirken dabei häufig wie Verkäufer, die die neueste Kollektion heiße Luft präsentieren.
Keine Fragen stellen
Gute CIOs stellen sinnvolle Fragen und hören auf die Antworten. So gelangen oft neue Aspekte in die Diskussion. Dazu werden die Kollegen eingebunden und die Beziehung zwischen Manager und Team gestärkt. Warum viele IT-Verantwortliche anders vorgehen? Sie haben (meist unbegründet) Angst, als unwissend und inkompetent dazustehen.
Niemanden einbinden
Gut ausgebildete CIOs sind überzeugt von ihren eigenen Ideen, welche Techniken sich wie am besten implementieren lassen. Viele vergessen darüber jedoch, dass auch die gesamte IT-Abteilung und der Vorstand womöglich noch eigene Ideen haben. Wenn CIOs ihre eigenen Vorstellungen ohne Rückfrage durchdrücken, verärgern sie deshalb viele Kollegen - selbst, wenn es die beste und richtige Wahl war.
Ängste schüren
Wenn der Vorstand überzeugt werden muss, das IT-Budget aufzustocken, diese oder jene Anschaffung oder Migration vorzunehmen, neigen manche CIOs dazu, in ihrer Argumentation zu übertreiben oder zu simplifizieren. Wenn neue Server angeschafft werden sollen, hört sich das dann so an: "Wenn wir bis kommende Woche nicht zehn neue Server im Schrank stehen haben, bricht der ganze Laden zusammen!"
Den Wertbeitrag nicht herausstellen
Viele CIOs betonen, wie wichtig die Unternehmens-IT ist. Die Vorstände verstehen aber häufig nicht, was die IT konkret zum unternehmerischen Erfolg beiträgt. Deshalb sollten IT-Verantwortliche in Präsentationen und Diskussionen immer noch einen Schritt weitergehen, als nur in den eigenen Grenzen zu argumentieren.
Mit PowerPoint einschläfern
Zu viele Folien, zu viele Nichtigkeiten. Effiziente Präsentationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich auf die wichtigsten Infos konzentrieren, die das zuhörende Publikum direkt betreffen. Im besten Fall kann gänzlich auf PowerPoint verzichtet werden - gute Präsentationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie von selbst im Gedächtnis haften bleiben und nicht durch eine Armada von Aufzählungspunkten.

Nur dann ist es möglich, sich verändernde Gesetze und Verordnungen genauer im Blick zu behalten und strategische Ziele zu koordinieren. Man muss klare Rahmenbedingungen bieten, wodurch fundierte Entscheidungen getroffen und die richtigen Prioritäten festgelegt werden können. Öffentliche Institutionen sollten sich nicht scheuen, fachliche Expertise und passende Technologien ins Boot zu holen. Ansonsten kann sich die digitale Fahrt schnell als Schlingerkurs erweisen.