Die Gründe für den Bedarf nach SIAM sind unterschiedlich. Zum einen sind die First-Generation-Outsourcing Deals längst Geschichte und die Unternehmen befinden sich in einem 2nd- oder 3rd-Generation-Outsourcing oder gar höher. Aufgaben, die zuvor von einem IT-Dienstleister in Gänze erbracht wurden, werden dazu in ihre Teilfunktionen zerlegt und einzeln oder neu paketiert ausgeschrieben.
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Zudem sind die Sourcing-Erfahrungen über die Zeit gereift und statt alles auf einen großen Anbieter zu setzen, möchten viele Unternehmen ihre IT Services bei dem jeweils attraktivsten und geeignetsten Anbieter für eine Servicesparte beziehen oder gar einen Wettbewerb zwischen ihren Dienstleistern in einem Servicebereich herstellen. Aus Kundensicht ergibt sich durch die umfassenderen Kenntnisse und Fähigkeiten der Serviceprovider in dem jeweiligen Servicesegment ein höheres Qualitätsniveau (best-of-breed Ansatz). Dieses scheint so umfassend, dass der höhere Steuerungsaufwand und Verlust an Skaleneffekten in Kauf genommen werden.
Zum anderen ist auch technologisch einiges passiert. Services werden vermehrt cloudbasiert angeboten. Dies bietet besonders für kleinere, spezialisierte Anbieter eine Chance neue Marktmöglichkeiten zu nutzen und Aufträge, zu denen vorher der Zugang mangels Größe versperrt war, zu akquirieren. Auch sind dadurch flexiblere, kürzere Vertragslaufzeiten möglich.
Multi-Provider-Sourcing: hoher Stellenwert, aber Herausforderungen
In dem von Ardour durchgeführten Sourcing Pulse Check 2015* wurde daher erstmalig der Einsatz des Multi-Provider-Sourcing-Ansatzes erfasst. Es zeigt sich, dass Multi-Provider-Management einen signifikanten Stellenwert erlangt hat (sh. Abb. 1).
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Der Umstieg vom Single-Provider-Sourcing zum Multi-Provider-Sourcing ist allerdings nicht ohne weitere organisatorische und prozessuale Veränderungen möglich. Die Umfrage bestätigt dies (sh. Abb. 2).
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Die Herausforderungen bestehen in der Beherrschung der höheren Komplexität, denn das Zusammenspiel zwischen allen Beteiligten muss in den Serviceverträgen abgebildet werden. Das erfordert eine Synchronisation der Sourcing-Vorhaben und einen klaren Blueprint für das Zusammenspiel. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, auch intern neue und geänderte Verantwortlichkeiten zu etablieren und eine wirkungsvolle IT-Provider-Governance aufzubauen und zu steuern. Hierfür werden andere Fähigkeiten aufzubauen sein, als die heute bestehenden, eher technischen.
Bedarf nach heuen Konzepten für die Multi-Provider-Umgebung
Doch die Umfrage zeigt auch, dass andere Konzepte notwendig werden, die weniger offensichtlich sind. Wie sollen beispielsweise die Dienstleister zusammenarbeiten? Welche Gremien sind dazu erforderlich? Wie erfolgt der Wissensaustausch zwischen den Providern? Solche Fragestellungen sollten bereits in der Ausschreibung und spätestens in der Vertragsgestaltung beantwortet werden.
Ein gutes Beispiel für ein neues Konzept ist das so genannte "fix first, settle later" Prinzip. Anstatt zunächst zu versuchen, den im Rahmen einer Störung letztendlich verantwortlichen Dienstleister zu finden und schlimmstenfalls die Provider untereinander "Fingerpointing" betreiben, sollte der Fokus auf die Zusammenarbeit und die schnellstmögliche reibungslose Behebung der Störung gelegt werden. Teilweise, so zeigt die Erfahrung, steigern solche Konzepte sogar die Bereitschaft, am Ende Verantwortung für Fehler zu tragen. Am Ende müssen Mechanismen gefunden werden, um die entstandenen Kosten fair und idealerweise verursachungsgerecht umlegen und um strittige Fälle behandeln zu können. Hier kann beispielsweise ein neutraler SIAM-Dienstleister, der für einen anderen nicht beteiligten Service verantwortlich ist, vermitteln.
Auch wird man sich in einem Multi-Provider-Umfeld über kurz oder lang von der Idealvorstellung eines End-to-End-Services oder gar End-to-End-SLAs verabschieden müssen. Nur in den seltensten Fällen wird ein Provider die End-to-End-Verantwortung übernehmen wollen, wenn er keinen Einfluss auf die einzusetzende Hardware, Software, Delivery-Prozesse oder Service-Personal hat. Und wenn, dann lässt dieser sich die Verantwortung so hoch bezahlen, dass es für den Kunden nicht mehr attraktiv ist.
Flexiblere Vertragslaufzeiten werden möglich
Jeweils 30 Prozent der Befragten gaben an, dass die Vertragslaufzeit etwas kürzer oder viel kürzer ausgefallen ist. Dieser Trend zeigt sich allerdings auch bei den klassischen Sourcing-Modellen. Bei 27 Prozent der befragten Teilnehmer ist die Vertragslaufzeit gleich geblieben, während 13 Prozent mit einer längeren Vertragslaufzeit arbeiten.
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Damit einhergehend nimmt der Umfang der Services innerhalb eines Vertrags mit einem Dienstleister ab, was zum Verlust von Skaleneffekten führt. So gaben 44 Prozent der befragten Unternehmen an, dass das Vertragsvolumen kleiner geworden ist. Im Gegensatz dazu wuchs bei 22 Prozent der Vertragsumfang. Bei einem Drittel ist es gleich geblieben.
Fazit
Multi-Provider-Sourcing ist kein neuer Begriff in den Sourcing-Strategien der Unternehmen, sondern in vielen Fällen bereits etabliert. Eine effiziente Providersteuerung aufzubauen, birgt allerdings komplexe Herausforderungen und bedarf bei den Unternehmen, die den Schritt zum Multi-Sourcing gegangen sind, noch immer vieler Nacharbeiten. Hier kann vorweggegriffen werden, indem bereits im Rahmen der Ausschreibung sowie der Vertragsgestaltung die notwendigen Konzepte vorausgedacht und Lösungen - auch gemeinsam mit den Dienstleistern - erarbeitet werden, welche dann im Vertrag verankert werden. Dies ist sicher einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches Multi-Provider-Sourcing.
Ferner wird beim Multi-Provider-Sourcing häufig einem Aspekt zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt: dem Management der Abhängigkeiten zwischen den IT-Services. Nicht mehr so sehr die Kernbestandteile eines IT-Services sind zu steuern, sondern eher die Schnittstellenbereiche und deren Abhängigkeiten. Je kleinteiliger die IT-Services "geschnitten" sind, desto mehr Abhängigkeiten bestehen zwischen den IT-Services. Liegt nun in diesen Schnittstellen auch ein Provider-Wechsel vor, dann muss klar sein, wer, wann, wem, wie bei welchem IT-Service helfen muss. Damit werden auch die IT-Service-Beschreibungen komplexer und umfangreicher und der Abstimmungsaufwand bei den Vertragsverhandlungen steigt.
* An dem Sourcing Pulse Check 2015 haben sich Verantwortliche aus 173 Unternehmen beteiligt. Die Erhebung fand im Zeitraum Juli - August 2015 statt. In Bezug auf ihre betriebliche Positrionen verorten sich 28,6 Prozent im Top-Management und 62,6 Prozent im mittleren Management. Der Kreis der Teilnehmer ohne unternehmerischen Verantwortungsbereich beziffert sich auf 8,8 Prozent.