Skill-Management-Systeme ermitteln Kompetenzen

04.11.2004 von Olaf Zawacki-Richter
Was wissen meine Mitarbeiter? Wie kann ich ihre Fähigkeiten verbessern? Wenn Unternehmen diese Fragen beantworten können, sind sie ihren Wettbewerbern schon einen Schritt voraus.

Reine Finanzbilanzen sind immer weniger in der Lage, den wahren Wert einer Firma abzubilden. Diese Bestimmung des Unternehmenswertes funktioniert nur noch in traditionellen Industrien, nicht jedoch in wissensintensiven Branchen. Hier spielen immaterielle Vermögenswerte wie Kompetenzen der Mitarbeiter, Innovationen und Patente sowie das Wissen um Prozesse und Kundenbeziehungen die Hauptrolle. Doch finden diese Werte Eingang in die Berichterstattung oder die Bilanzierung eines Unternehmens?

Wenn ab dem nächsten Jahr der internationale Bilanzierungsstandard IAS (International Acounting Standards) auch in der Europäischen Union gilt, werden die immateriellen Vermögenswerte explizit berücksichtigt. Bereits heute empfiehlt das Deutsche Rechnungslegungs Standard Committee e. V. (DRSC) eine Berichterstattung über das "intellektuelle Kapital". Im Kontext der Betriebswissenschaft werden Kompetenzen als Teil des Humankapitals allerdings noch recht oberflächlich behandelt.

Bei der derzeitigen Erfassung von Kompetenzen kann man von zwei verschiedenen Welten sprechen, die in der Praxis wenig miteinander zu tun haben.

Auf der einen Seite verfolgen lernorientierte Ansätze die individuelle Kompetenzentwicklung. Auf der anderen Seite stehen die Methoden zur Erfassung des Humankapitals, die ressourcenorientiert sind und die strategische Entwicklung der unternehmensweiten Wissensbasis fördern sollen.

Der Schlüssel liegt, so vermuten Experten, in einem integrierten betrieblichen Kompetenz-Management, das beide Seiten verbindet: Auf der einen Seite ist eine Strategie erforderlich, die Unternehmenskompetenzen und Ziele definiert. Auf der anderen Seite bestehen die Kompetenzen des Unternehmens aus den Fähigkeiten der Mitarbeiter, die es zu erfassen und entwickeln gilt.

Die umfangreichen Prozesse des betrieblichen Kompetenz-Managements lassen sich technisch unterstützen. Skill-Management-Systeme können diesen Bereich strukturieren und Kompetenzen ausbauen helfen. Ein solches System gleicht zum Beispiel automatisch das Ist- mit dem Soll-Profil des einzelnen Mitarbeiters ab und ermittelt Wissenslücken. In der Folge erhält der betreffende Mitarbeiter auf ihn abgestimmte Weiterbildungsvorschläge. Das Ist-Profil kann durch Selbsteinschätzung, Tests oder Gespräche mit dem Vorgesetzten ermittelt werden und wird gleichzeitig elektronisch erfasst. Auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter können Skill-Management-Systeme unter bestimmten Rahmenbedingungen fördern: Über so genannte Employee-Self-Service- Funktionen können Mitarbeiter eigenverantwortlich die für sie geeignete Weiterbildung finden, um das angestrebte Soll-Profil zu erreichen.

Kompetenzprofile helfen nicht nur bei der Weiterbildung- sondern auch bei der Projektplanung. Sie bilden die Basis, auf der passende Projektteams zusammengestellt werden. Zusätzlich können die Wissensträger im Unternehmen vernetzt werden: Spezielles Know-how beziehungsweise die Mitarbeiter, die dieses innehaben, kann man über die Kompetenzprofile schnell ausmachen und dann ansprechen.

Allerdings löst der Einsatz eines Skill-Management-Systems nicht jedes Problem. Bislang investieren Unternehmen viel in reine Wissensvermittlung - zu viel. Denn nicht das Faktenwissen allein hilft weiter, sondern die Fähigkeit, dieses anzuwenden. Aber auch die schlichte Anwendung von Wissen nützt wenig, wenn sich das Umfeld der Arbeit ständig ändert. Was also gebraucht wird, ist die Fähigkeit Fakten- und Anwendungswissen stets aufs Neue anzupassen. Dies unterscheidet die echte Kompetenz von einfachem Wissen. Offensichtlich zielt Weiterbildung heute immer noch zu sehr auf Wissensaufbau und zu wenig auf echte Kompetenzentwicklung. Notwendig ist ein Bildungsansatz mit didaktischen Konzepten, die Selbstorganisation und Lösung authentischer Probleme in den Mittelpunkt stellen. (hk)

*Dr. Olaf Zawacki-Richter ist Projektleiter bei der Efiport AG