Medizin per App

Smartphone-Healthcare: Der gläserne Patient?

13.07.2016
Die deutsche Landbevölkerung wird immer weniger und immer älter. Wie soll da die medizinische Versorgung in der Fläche voll funktionieren? In Mecklenburg-Vorpommern wird ein Teil der Antwort entwickelt - es gibt aber noch viele offene Fragen.

Überall in Deutschland wird die Gesundheitsversorgung in dünn besiedelten Regionen immer schwieriger - in den Weiten Mecklenburg-Vorpommerns ist das Problem besonders akut. Die Menschen werden älter, die Infrastruktur schlechter und die Hausärzte weniger. Der Nordosten - 1990 noch das Bundesland mit der jüngsten Bevölkerung - ist zum Vorreiter des demografischen Wandels geworden.

Healthcare-Projekt: Wearables für Herzpatienten

Was eigentlich Grund für größte Sorgen ist, könnte jedoch auch eine große Chance für das Gesundheitswesen sein. "Wir können hier die Blaupause für die ländliche Gesundheitsversorgung in Deutschland entwickeln", sagt der ärztliche Vorstand der Unimedizin Rostock, Christian Schmidt. "Die Fläche Mecklenburg-Vorpommerns ist nicht so groß, die Einwohnerzahl mit rund 1,6 Millionen sehr überschaubar", erklärt er. Aus seiner Sicht ideale Voraussetzungen, um zusammen mit dem Elektronikkonzern Philips ein 17-Millionen-Euro-Projekt zu starten, das am Mittwoch bei der Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft in Rostock vorgestellt wurde.

In dessen Mittelpunkt stehen zunächst Herzpatienten. Sie werden nach ihrer Entlassung aus der Klinik auf freiwilliger Basis mit Wearables - genauer gesagt Blutdruck-Uhren oder Waagen - ausgestattet, deren Werte per App an eine Zentrale gesendet werden. In diesen sogenannten Carecentern inklusive 24-Stunden-Betreuung - der zentrale und neue Punkt des Projekts - werden die Daten der Medizin-Apps ausgewertet. Dort wird auch entschieden, ob alles in Ordnung ist, der Patient angerufen werden muss oder eine Pflegerin braucht. Ein Ziel sei es, Verschlechterungen so früh zu erkennen, dass eine Noteinweisung vermieden werden kann. Wenn das System für Herzmedizin etabliert ist, könne es auf andere Fachgebiete ausgedehnt werden, so Schmidt.

Gesundheitstipps für Selbständige
Ausgewogene Ernährung
Essen Sie nicht zu viel, aber ernähren Sie sich vielseitig. Vollkornprodukte, Obst und Gemüse sollten fettreiche und süße Speisen ersetzen. Der Körper braucht viel Flüssigkeit (mindestens 1,5 bis 2 Liter pro Tag) – doch möglichst nicht in der Form von Kaffee und Alkohol, sondern Mineralwasser, Fruchtsäften oder Kräutertees.
Zigaretten ade
Stellen Sie, falls noch nicht geschehen, das Rauchen ein und trinken Sie wenig Alkohol.
Sport
Auch ein anhaltender Mangel an Bewegung fördert die Gesundheit nicht. Wer die meiste Zeit des Tages im Bürosessel, im Auto und zuhause vor dem Fernseher verbringt, sollte wenigstens zwei bis dreimal in der Woche joggen oder walken gehen.
Ausdauer
Gesundheitssport ist Ausdauersport. Deshalb sollten Sie langsam und dafür lange Sport treiben. Denn die körpereigenen Fettreserven werden erst nach ca. 30 Minuten sportlicher Aktivität in größerem Umfang in Energie umgewandelt.
Nicht übertreiben
Wenn Sie als „Sport-Muffel“ mit dem Sport-treiben beginnen, sollten Sie auf Ihre aktuellen körperlichen Fähigkeiten beachten. Ein medizinischer Check-up sollte am Beginn Ihrer Karriere als Hobbysportler stehen.
Rückenschmerzen
Wer den größten Teil des Tages sitzend im Büro verbringt, sollte sich zwischendurch bewegen. Dehn- und Kräftigungsübungen stärken die Rumpfmuskulatur und beugen Rückenschmerzen vor.
Entspannen
Auch wenn es Ihnen schwer fällt: Schalten Sie nach der Arbeit völlig ab und schlafen Sie genügend!
Stress erkennen
Lernen Sie Stresssymptome frühzeitig zu erkennen. Versuchen Sie Stresssituationen, soweit möglich, zu vermeiden, und bauen Sie den angestauten „Stress“ durch Sport und Entspannungsübungen wieder ab.
Regelmäßige Check-Ups
Ein regelmäßiger medizinischer Check-up dient dem frühen Erkennen von (möglichen) Erkrankungen. Rechtzeitig erkannt, sind die meisten Krankheiten heilbar.

Datenschutz: Patienten behalten die Kontrolle

"Mecklenburg-Vorpommern kann ein Beispiel für Deutschland und das künftige Gesundheitswesen werden", glaubt Philips-Deutschland-Chef Peter Vullinghs. Seine Firma wird unter anderem für die Entwicklung der Plattform und der Apps zuständig sein. "Wir werden alle vernetzen: Uniklinik, Hausärzte oder Reha-Zentren. Und die Patienten haben Zugang zu diesem Netz und zu ihren Daten."

In einem ersten Schritt soll das Netz mit 1600 Patienten erprobt werden. Es gibt aber auch einige kritische Punkte: Vullinghs weiß, dass der Datenschutz ein zentraler Faktor beim Gelingen des Projekts sein wird. "Mit der App kann der Patient selbst steuern, was mit seinen Daten passiert." Vieles, was das Konsortium, zu dem auch noch die Krankenkassen AOK und TK gehören, macht, sei Prävention. Denn die Patienten könnten immer genau erfahren, wie es um ihre Gesundheit steht.

Der Chef des Landes-Hausärzteverbands, Dieter Kreye, sieht das skeptisch. Es gebe sicher medizinische Parameter, die kontrolliert werden sollten. "Aber das größte Defizit der Menschen ist doch der Mangel an Zuwendung. Danach sehnen sie sich und nicht nach Technik." Das prinzipielle Problem der ärztlichen Versorgung auf dem Land werde nicht geklärt. "Wir Ärzte werden an so vielen Stellen von unnötiger Bürokratie zugedeckt", kritisiert er. Das auf ein vernünftiges Maß reduziert und ein großer Teil des Versorgungsdefizits wäre geklärt.

Neuer Anziehungspunkt für Healthcare-Start-Ups?

Ein Teil des Projekts liege in der Zertifizierung der Wearables, wie Vullinghs berichtet. Die Datenerhebung könne ausgedehnt werden auf Fragestellungen, wie viel ein Mensch sich bewegt oder wie lange und wie gut er schläft. "Das kann er dann mit dem Hausarzt besprechen." Eine Art Coaching für die Zielgruppe, die "ein bisschen Hilfe" braucht. "Das muss doch auch die Hausärzte interessieren", sagt Vullinghs.

Dies alles ist aber mit beträchtlichen Investitionen und Fördergeldern verbunden. Das Projekt wurde bei dem mit jährlich 300 Millionen Euro ausgestatteten Innovationsfonds des Bundes eingereicht. Krankenhäuser wie die Uniklinik Greifswald oder die in Schwerin, Karlsburg, Wismar oder Neubrandenburg sind ebenso eingebunden wie die wichtigsten Praxen oder Apotheken. In den Carecentern werden zunächst mehr als 60 Arbeitsplätze geschaffen.

Das Ziel von Chritian Schmidt der Unimedizin Rostock ist es, dass sich nach Etablierung der Plattform neue Firmen ansiedeln, die Technologien und Apps entwickeln. Für ein zweites Silicon Valley wird es wohl nicht reichen - aber möglicherweise für ein "Silicon Beach an der Ostsee". (dpa/fm)

3D-Druck in der Medizin
3D-Printing in der Medizin
Der 3D-Druck hat "das Zeug dazu", die Medizin zu revolutionieren: "customized medical devices" sollen künftig eine individuelle Therapie von Patienten sicherstellen. Doch das ist nur ein Einsatzbereich von vielen - in unserer Bildergalerie zeigen wir Ihnen, wie 3D-Printer im medizinischen Bereich genutzt werden.
Zahnmedizin
Zahnärzte treiben die 3D-Druck-Technologie voran: Etwa die Hälfte aller Dentalkronen und Brücken hierzulande stammt laut Experten aus industriellen 3D-Druckern. Der Einzug digitaler Technologien in die Dentalwelt hat die Herstellung dramatisch verändert. Arbeiteten Zahntechniker früher überwiegend per Hand mit Lötkolben, Brenner und anderen Instrumenten, nutzen sie heutzutage immer öfter Computer. Bis zu 450 individuelle Dentalkronen und Brücken lassen sich so innerhalb von 24 Stunden herstellen.
Customized medical devices
Maßgeschneiderte Implantate für den Schädel liefern 3D-Drucker ebenfalls. Von der möglichst exakten Passform über die Verträglichkeit bis hin zur Integration biologischer Funktionen - gerade im Kopfbereich sind die Anforderungen extrem hoch. In den Niederlanden haben Ärzte einer Patientin sogar schon eine komplette per 3D-Druck gefertigte Schädeldecke eingesetzt.
Hirnchirurgie
Gehirnchirurgen benötigen während einer Operation Geräte und Instrumente, die mit einem Höchstmaß an Präzision gefertigt worden sind. Nicht selten geht es um Bereiche des Gehirns, die nur wenige Millimeter groß sind. Hinzu kommt, dass die Gehirnstruktur jedes Menschen einzigartig ist. Die 3D-Druck-Industrie liefert den Medizinern mittlerweile genau angepasste Hilfsmittel – wie die Plattform auf dem Bild - für schwierige und komplizierte Eingriffe.
Implantologie
Die Implantologie gehört mittlerweile zu den wichtigsten Medizinfeldern und entwickelt sich zur echten High-Tech-Medizin. Sehr häufig werden Hüft- und Kniegelenke ersetzt, da sie oft von Abnutzungserscheinungen betroffen sind. Auch die auf dem Bild zu sehende Hüftimplantat-Pfanne stammt aus einem industriellen 3D-Drucker. Das Hüftgelenk ist das größte Gelenk des Menschen, es ermöglicht die Bewegung zwischen Rumpf und Bein. Nach Schätzungen von Experten werden erst zwei Prozent der eingesetzten Hüftpfannen per 3D-Druck gefertigt. Dort gibt es also noch viel Potenzial.
Wirbelsäulenchirurgie
Auf den ersten Blick sehen sie etwas unscheinbar aus, aber aus Sicht von Chirurgen und Patienten sind es kleine Wunder: technische Ersatzbauteile aus Kunststoffen oder Metallen für die Wirbelsäule. Sie verstärken die Wirbelsäule. Solche Produkte dienen zum Beispiel auch als Ersatz für defekte Wirbel.
Herzchirurgie
Ein originalgetreuer Aortabogen – ein Beispiel für den rechnergestützten Organmodellbau. Dabei stellt man per 3D-Druck maßgenaue, dreidimensionale Modelle der menschlichen Anatomie her. Ärzte und Chirurgen können bei der Operationsvorbereitung an 3D-gedruckten Modellen üben und bekommen so ein besseres Verständnis für den geplanten Eingriff.
Herzchirurgie
Das Herz aus dem 3D-Drucker ist längst Realität. Mit solchen per 3D-Druck gefertigten Organmodellen lassen sich komplexe Anatomien gut darstellen. Die Produkte aus den industriellen 3D-Druckern dienen deshalb auch zu Lehrzwecken. Auf diese Weise können Forscher und junge Ärzten in der Ausbildung den genauen Verlauf der Blutgefäße und die Strukturen eines Organes besser verstehen.
Exoprothesen
Der unterschenkelamputierte Kletterenthusiast C. J. Howard aus Nordkalifornien trägt eine Fußprothese, die er zusammen mit seiner Kletterfreundin Mandy Ott, einer Luft- und Raumfahrtingenieurin, entwickelt hat. Es handelt es sich um eine lasergesinterte Kletterprothese aus Titan. Sie wiegt etwa 2,3 Kilogramm. Um das Gewicht möglichst gering zu halten, wurde sie hohl gefertigt. Zudem hat sie weder Nähte noch Befestigungsmittel.
Gefäßchirurgie
Das Metallgeflecht erinnert an ein Kunstwerk, rettet aber Leben. Es handelt sich um einen per 3D-Druck gefertigten Stent zur Gefäßunterstützung. So kann eine Arterienverkalkung dazu führen, dass Blutgefäße immer enger werden. In solchen Fällen setzen Ärzte bei den Patienten Stents ein. Und auch die stammen mittlerweile zum Teil aus der additiven Fertigung.
Laser-Sinter-Anlage
Eine Laser-Sinter-Anlage in Aktion: Ein Schieber verteilt im Inneren des 3D-Druckers eine dünne Schicht pulverisierten Materials - Kunststoff oder Metall - auf eine Bauplattform. Ein Laserstrahl schmilzt die Kontur nach programmierten Konstruktionsdaten auf. Die Arbeitsplatte senkt sich minimal, der Schieber verteilt eine neue Materialschicht. Der Laser schmilzt die definierten Stellen erneut, so dass sich die Schichten dort verbinden.