BASF, BNP Paribas, Daimler, Haribo, TÜV SÜD

So agieren CIOs in der Corona-Krise

08.05.2020 von Wolfgang Herrmann und Jens Dose
Notfallpläne, tägliche Updates, Home Office: Deutsche CIOs haben gerade alle Hände voll zu tun, die Folgen der Corona-Pandemie in den Griff zu kriegen. Doch die Krise eröffnet auch Chancen, digitale Initiativen voranzubringen.

Innerhalb von 48 Stunden wechselte die Haribo-Holding ins Home Office. "Eine der ersten Herausforderungen war, den überwiegenden Teil unserer Mitarbeiter, national wie international, sehr kurzfristig Remote-fähig zu machen", berichtet CIO Mario Uhl. "Da bisher nicht alle konsequent über ein Remote-Setup verfügten, musste dies rasch angeschafft werden. Das lief problemlos, weil wir Notfallmaßnahmen weit im Vorfeld geplant hatten."

Haribo-CIO Mario Uhl: "Es ging auch darum, die Handlungsfähigkeit und Steuerbarkeit in der Krise nicht zu verlieren."
Foto: HARIBO GmbH & Co. KG

Uhl, der auch als Geschäftsführer der HARIBO IT Verwaltungs GmbH agiert, hatte noch andere dringende Aufgaben auf dem Zettel: "Es ging auch darum, die Handlungsfähigkeit und Steuerbarkeit in der Krise nicht zu verlieren. Hierfür haben wir in der IT agile Prinzipien zugrunde gelegt und gleichzeitig hinterfragt, welche Ziele unter den gegebenen Umständen mit den vorhandenen Ressourcen erreichbar sind." Die Teams erhielten aktuell etwa kleinere Arbeitspakete als früher, um mit den tagesaktuellen Änderungen Schritt zu halten. Uhl: "Durch die aktuelle Corona-Lage mussten wir auch unseren IT-Service-Level erhöhen, um alle Bereiche - von Produktion über Verwaltung bis hin zur Auslieferung - weiterhin länderübergreifend optimal bedienen zu können."

BNP Paribas Personal Investors: Vertrauen zählt in der Krise

So wie Uhl geht es derzeit vielen deutschen IT-Verantwortlichen. Sie müssen schnell auf Veränderungen reagieren und dürfen dabei ihre längerfristigen Ziele nicht aus den Augen verlieren. "Als Onlinebank hatten wir eine besondere Herausforderung", schildert Simone Bock, CIO von BNP Paribas Personal Investors Germany: "die Stabilität und Verfügbarkeit unserer Systeme für die Kunden in einem außergewöhnlich volatilen Marktumfeld sicherzustellen und gleichzeitig eine vierstellige Mitarbeiterschaft innerhalb von zehn Tagen ins Home Office umzuziehen." Notfallpläne und Trainings hätten sich ausgezahlt. "Dank dieser Vorbereitungen wussten wir, wie wir vorgehen und waren von Anfang an ein eingespieltes Team - über alle Ebenen hinweg."

Simone Bock, CIO von BNP Paribas Personal Investors Germany: "Notfallpläne und Trainings haben sich ausgezahlt."
Foto: Consorsbank / DAB

Der Finanzdienstleiter hat einen fachübergreifenden Krisenstab zusammengestellt, der täglich zusammenkommt. Er sammelt und bewertet Statusinformationen aus den Unternehmensbereichen und entscheidet rasch über notwendige Maßnahmen. Bock: "Ein tägliches Update an alle Mitarbeitenden hat uns alle unterstützt, gegenseitiges Vertrauen und Zuversicht trotz der herausfordernden Situation im Unternehmen aufrechtzuerhalten, ja sogar zu steigern."

Berliner Flughafengesellschaft im Home Office

Stark betroffen von der Krise ist bekanntlich der Luftverkehr, wie Uta Knöchel, IT-Leiterin der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, bestätigt: "Für die Berliner Flughafengesellschaft, die die Flughäfen Tegel und Schönefeld betreibt und den BER fertigstellt, war die Situation eine besondere Herausforderung. Beide Flughäfen versorgen die Region per Luftfracht mit Medizinprodukten, Wirkstoffen, Elektronik und produktionswichtigen Gütern. Zusätzlich kamen zehntausende gestrandete Menschen zurück in Ihre Heimat." Neben der Aufrechterhaltung eines gesicherten Flugbetriebs galt es, die Inbetriebnahme des BER sicherzustellen.

Auch die Flughafengesellschaft setzt auf Home Office, wo immer es möglich ist. Knöchel: "Wir haben die Kapazitäten innerhalb kürzester Zeit massiv ausgebaut und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit notwendiger Technik ausgestattet." Aufgrund der neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen habe man einige Projekte verschieben und Kurzarbeit einführen müssen.

Hessen-CIO Burghardt: Mehr tun für die Digitalisierung!

Wie sich die Pandemie auf die IT der öffentlichen Hand auswirkt, weiß Patrick Burghardt, CIO des Landes Hessen und Staatssekretär im dortigen Ministerium für Digitale Strategie und Entwicklung: "Zum Glück sind unsere Arbeitsplätze bereits vorher für die mobile Nutzung ausgerüstet gewesen, so dass dies reibungslos möglich war. Ich bin sicher, dass sich manche Arbeitsformen - wie Videokonferenzen und Webinare - auch danach als bewährt fortsetzen und die tägliche Arbeit erleichtern werden."

Der Landes-CIO fordert aber auch: "Wir brauchen nach der Corona-Krise in der ganzen Gesellschaft noch mehr Anstrengungen in der Digitalisierung." Gestärkt aus der aktuellen Situation werde herauskommen, wer bereits zuvor im Bereich der Digitalisierung weit fortgeschritten war; andere könnten nachziehen und ebenfalls profitieren.

Patrick Burghardt, CIO des Landes Hessen: "Wir brauchen nach der Corona-Krise in der ganzen Gesellschaft noch mehr Anstrengungen in der Digitalisierung."
Foto: Staatskanzlei/ Salome Roessler

Die Hessische Landesregierung habe sich seit jeher für Home Office-Lösungen stark gemacht, so Burghardt. Dazu wurde beispielsweise die Anzahl der Lizenzen für "Face-to-Face- oder Ad-hoc-Konferenzen" auf etwa 5.000 erhöht. Der CIO setzt dabei auf die Anwendung "HessenConnect", die auf Microsofts "Skype for Business" basiert. Mittel- und langfristig stehen für ihn die Umsetzung des Onlinezugangs-Gesetzes und die Weiterentwicklung der Verwaltung im IT-Bereich auf der Tagesordnung: "Künftig sollen Leistungen komplett digital erledigt werden können, unabhängig von Ort, Uhrzeit oder zuständiger Behörde. Das digitale Rathaus muss überall nutzbar sein."

TÜV SÜD-CIO Domsch: "From Steam to Cloud"

Beim TÜV SÜD arbeitet die IT komplett aus dem Home Office und ist gut ausgelastet, wie CIO Stefan Domsch erläutert. "Wir meistern die Situation ganz gut und auch die Infrastruktur (VPN, Mobile Devices, Microsoft etc.) läuft bisher ohne Probleme." Es sei zwar deutlich anstrengender geworden, doch zumindest drohe aktuell keine Kurzarbeit in der IT. Dessen ungeachtet bleibt Domschs wichtigstes Projekt die Transformation der IT von einem Infrastrukturbetreiber zu einem digitalen Lösungsanbieter: "Daneben setzen wir unsere E-Commerce Landschaft auf und gehen somit 'From Steam to Cloud'".

Daimler-CIO Brecht: Digitalisierung als "Booster"

Dass sich durch die Corona-Krise viele Entscheidungen und Projekte beschleunigen, beobachtet Jan Brecht, CIO der Daimler Group. Der Autobauer muss im Prinzip seine Produktion täglich neu aussteuern, um der sich ständig verändernden Nachfrage gerecht zu werden. Das gilt auch für die komplexen Lieferketten. Die IT unterstützt zudem rund 100.000 Mitarbeiter, die aus dem Homeoffice arbeiten. Der Konzern will diese Entwicklung auch nach der Krise mit dem Konzept des Distributed Working weiterverfolgen. Digitalisierung und Automatisierung wirkten derzeit geradezu als "Booster", sagt Brecht: "Wir können beobachten, dass digitalisierte Unternehmen mit der derzeitigen Krise deutlich besser zurechtkommen."

Jan Brecht, CIO Daimler Group: „Wir können beobachten, dass digitalisierte Unternehmen mit der derzeitigen Krise deutlich besser zurechtkommen.“
Foto: Deutsche Telekom

BASF-CIO Wegener: Digitales denken beschleunigt

Auch beim Chemiekonzern BASF habe die Krise "das digitale Denken beschleunigt", berichtet CIO und CDO Christoph Wegener. Erst im Januar führte er die Mitarbeiter aus den IT- und Digitalisierungs-Teams unter dem Label Digital Products zusammen. Nur wenige Wochen später hatte das Team mit den Corona-bedingten Ausgangssperren seine erste Feuertaufe: In kürzester Zeit musste es für 40.000 Mitarbeiter stabile VPN-Verbindungen bereitstellen, um die Arbeit aus dem Home Office zu ermöglichen. Nahezu über Nacht verdoppelte die IT dafür die Bandbreite.

An seiner digitalen Agenda will Wegener trotzdem festhalten. Dazu gehört beispielsweise das Projekt Next Generation Business Architecture, das den Wechsel von SAP R/3 auf S/4 HANA vorsieht. In Sachen Cloud-Nutzung hat die Corona-Pandemie offenbar zu einem Umdenken beigetragen. Lange Zeit war für den Konzern nicht klar, ob Cloud Computing der richtige Weg ist. Die Krise habe nun gezeigt, dass die Elastizität und Flexibilität der Cloud die Chance biete, alle Mitarbeiter aus dem Homeoffice arbeiten zu lassen, so der CIO. Langfristig peile BASF an, alle Anwendungen in die Cloud zu bringen, auch wenn dies angesichts etlicher Legacy-Anwendungen noch ein weiter Weg sei.

MAN Truck & Bus: CIO fährt auf Sicht

In etlichen Fällen stellt die Krise indes auch bestehende Projektpläne in Frage, wie Stephan Fingerling, CIO von MAN Truck & Bus, berichtet: "In den nächsten Wochen und vielleicht auch Monaten fahren wir auf Sicht." Szenarien für unterschiedliche Entwicklungen würden gerade erarbeitet. "Für die IT und die Digitalisierung hat die Krise aber wahrscheinlich sogar etwas Positives. Es zeigt sich eine deutliche Beschleunigung, sowohl in der Wahrnehmung, als auch beim Verständnis und der Nutzung."