Gemessen wird in der IT vor allem die Verfügbarkeit der Backend-Systeme und die Anzahl der Incidents. Allerdings sind diese Kriterien längst nicht überall Gegenstand quantitativer Betrachtung. Vor allem aber sagen sie für sich genommen noch nicht viel aus - jedenfalls nicht darüber, wie die Endanwender die IT wahrnehmen. Sinnvoller wäre eine Ende-zu-Ende-Betrachtung anhand nachprüfbarer Kennzahlen. Denn die Wahrnehmung des Gesamtprozessses entscheidet über die "Enduser Experience". Doch derartige Messungen sind noch selten.
Zu diesem Ergebnis kam das neuerdings zu PAC gehörende Marktforschungsunternehmen Berlecon in einer Untersuchung, die es im Auftrag des Münchner Dienstleisters Beck & al. Services unternommen hat. Befragt wurden 100 IT-Verantwortliche von Unternehmen, die in Deutschland 500 Mitarbeiter oder mehr beschäftigen.
Definition des Begriffs
Berlecon definiert Enduser Experience als "Performance, Verfügbar und Usability von IT-Anwendungen aus Sicht der Endanwender". Eigenen Angaben zufolge wollen die Marktforscher mit dem Report eine Bestandsaufnahme vornehmen, welche Rolle die Anwenderzufriedenheit in den Augen der IT-Verantwortlichen spielt, inwieweit sie gemessen wird und was Kennzahlen in der IT-Organisation eigentlich bringen.
Eins vorweg: Vom viel zitierten Chaos in der IT kann laut Berlecon keine Rede mehr sein. Im Laufe der vergangenen Jahre hätten sich viele IT-Abteilungen konsequent an Standards wie Itil ausgerichtet und könnten deshalb heute einen verlässlichen IT-Betrieb sicherstellen, so die Analysten. Als Business-Motor werde die IT allerdings immer noch selten wahrgenommen. Denn dafür mangele es ihr an Proaktivität, Serviceorientierung und Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Anwender.
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Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Gerade wenn es darum geht, die Anwenderzufriedenheit zu verbessern, klafft offenbar vielerorts eine große Lücke zwischen dem formulierten Anspruch und der gelebten Wirklichkeit. Ein Drittel der von Berlecon Befragten gab an, die Arbeit an der Enduser Experience sei das Wesensmerkmal jeder guten IT-Organisation. Ein weiteres Drittel stimmte dem mit gewissen Vorbehalten zu. 28 Prozent bejahten es zumindest "teilweise". Nur vier Prozent lehnten das rundheraus ab.
Auf die Frage, ob sie die Anwenderzufriedenheit regelmäßig und anhand definierter Kennzahlen überprüfen, mussten jedoch 54 Prozent passen. Nur ein Zehntel sagte, das treffe "voll und ganz" zu. 15 Prozent meinten, es sei "überwiegend" der Fall. 21 Prozent hoben den Finger nur zögernd: "Teilweise" werde so gemessen.
Wie der Autor der Studie, Berlecon-Analyst Andreas Stiehler, ausführt, wird das Thema Anwenderzufriedenheit in den meisten Unternehmen vom Business getrieben. Es seien ja auch die Fachbereiche, die an einer Ausrichtung der IT an den Bedürfnissen der Mitarbeiter großes Interesse hätten, so der Marktforscher.
Allerdings rät Stiehler den IT-Bereichen, dieses Thema selbst zu verfolgen. Augenscheinlich tun sie das aber eher selten. Jedenfalls ist der Punkt kaum jemals ein maßgeblicher Bestandteil der IT-Agenda oder der Vereinbarungen zwischen IT und Business.
Ein Drittel misst überhaupt nicht
Das wiederum lässt sich dadurch erklären, dass die Anwenderzufriedenheit so selten vernünftig gemessen wird. Getreu der Binsenweisheit: Managen lässt sich nur, was sich messen lässt. Aber lediglich jede vierte IT-Organisation kann beziehungsweise tut das - wenn schon nicht immer, dann wenigstens häufig.
Zwei Drittel der befragten IT-Veranwortlichen betrachten Kriterien wie Performance, Verfügbarkeit und Anwendbarkeit der IT-Systeme mittels überprüfbarer Kennzahlen. Der Rest verzichtet auf eine regelmäßig Messung solcher Werte, obwohl sie doch mit Hilfe marktgängiger ITSM-Systeme (IT-Service-Management) relativ einfach zu erfassen wären.
Auf welcher Basis diese IT-Chefs eigentlich ihre Beziehungen zum Business gestalten und ihre Leistungen abrechnen, fragt sich da nicht nur Stiehler. "Die Klagen vieler IT-Verantwortlicher über die fehlende Anerkennung durch das Business sind letztlich Makulatur, wenn diese selbst ihre Leistung und Performance nicht transparent machen", lautet seine Kritik.
Auf der anderen Seite haben solche Einzelwerte nur beschränke Aussagekraft. Aufschlussreicher sind Kennzahlen, die beispielsweise die durchschnittliche Zeit von der Fehlermeldung bis zur -behebung angeben. Derartige Ende-zu-Ende-Messungen sind aber nur in jeder zweiten IT-Abteilung an der Tagesordnung, hat Berlecon herausgefunden.
Regelmäßige und systematisch ausgewertete Endanwederbefragungen seien noch seltener anzutreffen. "Auch diese Ergebnisse lassen Zweifel daran", so Stiehler, "ob die Anwenderzufriedenheit tatsächlich so einen hohen Stellenwert im Handeln der IT-Organisationen einnimmt, wie häufig beteuert."
Was zu messen wäre
Wer die Leistung und Zuverlässigkeit der IT aus Sicht der internen Kunden messen will, muss sich in die Situation der Anwender versetzen. Das heißt: dort messen, wo die Services erfahren werden, und sie nach Kriterien bewerten, die für die Anwender interessant und nachvollziebar sind. Die Verfügbarkeit von Servern und Netzen lasse den User kalt, sagt Stiehler. Der Anwender wolle vielmehr wissen, wie lange es dauert, eine Anwendung aufzurufen, ein Dokument herunterzuladen oder eine Datei auszudrucken,
Wie der Analyst einräumt, lassen sich solche Kennzahlen mit herkömmlichen Monitoring-Systemsn nur über komplexe Modelle ermitteln. Allerdings seien am Markt mittlerweile Workplace-Monitoring-Systeme zu haben, die Verfügbarkeit und Performance von IT-Anwendungen direkt und automatisch am Arbeitsplatz messen. Diese neue Technik habe aber noch wenig Eingang in die Unternehmen gefunden.
Weshalb die IT-Chefs zögern
Auf die Frage, was sie daran hindere, die Anwendererfahrungen ganzheitlich zu beobachten, antwortete jeweils ein Fünftel der Ende-zu-Ende-Muffel, ihnen seien keine geeigneten Methoden beziehungsweise Werkzeuge bekannt. Vier Fünftel klagten jedoch: "Uns fehlen Zeit und Personal". Mangel an finanziellen Mitteln führte etwa jeder zweite als einen Hinderungsgrund an. Fast genauso viele aber sehen schlicht "keinen Handlungsbedarf".
Wie Stiehler bemerkt, ist zu hinterfragen, wie intensiv sich die IT-Chefs eigentlich um die notwendigen Mittel bemühen. Zum einen habe das Business Interesse an dem Thema, zum anderen seien Systeme für die Ende-zu-Ende-Messung auch für mittelständische Unternehmen erschwinglich geworden: "Es gibt also durchaus Anlass, um proaktiv auf das Business zuzugehen und Budgets für notwendige Investitionen einzuwerben."
Was Kennzahlen bringen
In die Karten spielen den IT-Verantwortlichen dabei positive Beispiele. Was haben die Unternehmen davon, dass sie das Anwendungsverhalten von Anfang bis Ende mit definierten Kennzahlen messen? Diese Frage stellte Berlecon den Studienteilnehmern, die angegeben hatten, mindestens eine Kennzahl zu nutzen, um die Enduser Experience zu bestimmen.
An erster Stelle steht demzufolge die Effizienzsteigerung im IT-Betrieb. Fehler lassen sich schneller erkennen und Risiken bereits im Vorfeld identifizieren. Das bestätigte deutlich mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Kennzahlen-Erfahrenen. Etwas weniger (45 Prozent) führten eine höhere Zufriedenheit der Endanwender auf systematische und nachvollziehbare Messungen zurück. Eine bessere Kommunikation zwischen Business und IT leiteten 42 Prozent davon ab.
Für sich allein wirkungslos
Diese erfreulichen Ergebnisse dürfen laut Stiehler allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein großer Teil der Befragten keine nennenswerten Effekte beobachtet hat. Das lege den Verdacht nahe, dass die Potenziale der Ende-zu-Ende-Messung bislang nicht ausgeschöpft seien. Für sich allein genommen bleibe die Messung der Enduser Experience relativ folgenlos: "Sie kann nur dann etwas bewirken, wenn die Kennzahlen auch in die IT-Arbeit und den Austausch zwischen IT und Business einfließen."
Die Kennzahlen müssen an das Business berichtet werden, um die Kommunikation zu verbessern. Aber in 60 Prozent der Fälle behält die IT die Ergebnisse für sich, legen die Studienergebnisse nahe.
Zudem lässt sich die Anwenderzufriedenheit weiter steigern, wenn die ermittelten Kennzahlen in die Investitionsentscheidungen einbezogen werden, was aber eher selten vorkommt. Weiteres Verbesserungspotenzial sieht Berelcon im Vergleich mit anderen Unternehmen, auch Benchmarking genannt.
Vier Typen von IT-Verantwortlichen
Aus den Antworten der Studienteilnehmer hat Berlecon vier Grundtypen destilliert. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ansichten und ihres Entwicklungsstands zum Thema Anwenderzufriedenheit.
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Die Verweigerer: Für sie ist End User Experience allenfalls ein Lippenbekenntnis. Zu dieser Gruppe zählen nach wie vor viele IT-Verantworltiche. Sie setzen das Thema nicht auf die Agenda und unternehmen keine Anstrengungen, ihre Leistungen zu messen oder transparent zu machen. Deshalb dürfen sie sich auch nicht über fehlende Anerkennung seitens des Business sowie immer knapper werdende Budgets und Ressourcen beklagen.
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Die Einsteiger: Sie sind Pendler wischen Anspruch und Wirklichkeit. Viele IT-Organisationen streben ernsthaft eine systematische Verbesserung der End User Experience an. Behindert werden sie jedoch durch knappe Budgets und Ressourcen. Das ist ein Indiz dafür, dass die IT innerhalb des jeweiligen Unternehmens noch als reine Kostenstelle oder Erfüllungsgehilfe des Business angesehen wird. Doch gerade das Thema Enduser Experience bietet einen guten Einstieg in den Dialog mit dem Business. Es dürfte sich lohnen, das Top-Management einfach einmal zu fragen, wieviel ihm die vielfach geforderte Verbesserung der Anwenderzufriedenheit tatsächlich wert ist.
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Die Fortgeschrittenen: Sie messen, aber integrieren noch nicht. Wie die Studie belegt, ist eine systematische, kennzahlenbasierende Verbesserung der Anwenderzufriedenheit durchaus möglich. Viele IT-Organisationen messen Performance und Verfügbarkeit heute schon systematisch an den Endpunkten. Allerdings wird das Potenzial für die IT-Entwicklung, das darin schlummert, selten ausgeschöpft.
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Die Vorreiter: Es gibt sie bereits, die IT-Organisationen, die nicht nur systematische End-to-End-Messungen von IT-Performance und -Verfügbarkeit aus Sicht der Anwender vornehmen, sondern auch die Ergebnisse in den IT-Betrieb und den Austausch mit dem Business integrieren. Diese Maßnahmen führen laut durchaus zu positiven Effekten, beispielsweise zu einer höheren Effizienz im IT-Betrieb sowie einer verbesserten Kommunikation mit dem Business und Vorteilen für die Endanwender. Aber diese Effekte lassen sich noch steigern. Zum Beispiel durch Benchmarking-Initiativen und einen stärkeren Austausch zwischen den Fortgeschrittenen und den Vorreitern. So können Best Practices identifiziert und Erfolgsfaktoren herausgearbeitet werden.