CIO Christian Niederhagemann

So modernisiert GEA seine IT-Welt

16.11.2020 von Heinrich Vaske
Hybrid Cloud, Edge Computing, SAP S4/HANA, ServiceNow: Die GEA-Gruppe geht mit Vollgas daran, ihre Konzern-IT fit für die digitale Zukunft zu machen.
GEA-CIO Christian Niederhagemann setzt auf eine Kombination aus Public Cloud und Local Edge Computing.
Foto: Gea Group

Wenige Unternehmen in Deutschland sind so breit aufgestellt wie die Düsseldorfer GEA Group AG mit ihren zirka 18.500 Mitarbeitern. Die ehemalige mg technologies (Metallgesellschaft) hat eine breite Produktpalette anzubieten, die von Abfüllanlagen für die Getränke-Industrie über Kältetechnik und Systeme für Lebensmittelverarbeitung, Pharmazie und Chemie bis hin zu landwirtschaftlicher Technik reicht.

CIO Christian Niederhagemann ist seit anderthalb Jahren an Bord. Seine Aufgabe besteht darin, die bereits vor seinem Eintritt begonnene Konsolidierung der heterogenen IT-Infrastruktur weiter voranzutreiben und Ordnung in die IT zu bringen: Standardisierung und Automatisierung haben höchste Bedeutung.

Aufgrund anstehender Modernisierungen von Datacentern und einem Großteil der Hardware entschied sich GEA Anfang 2017 für einen Hybrid-Cloud-Einsatz für alle über 200 Tochtergesellschaften, wobei ein 80-prozentiger-Anteil von Public Cloud und nur ein 20-prozentiger Anteil von Private Cloud vorgesehen wurden. Im späteren Projektverlauf setzte man weniger auf eine zentrale Private-Cloud-Infrastruktur als vielmehr auf die dezentrale Bereitstellung relevanter Daten zu Analysezwecken mittels Local Edge Computing. In die zentrale Private Cloud oder Local Edge wandern Workloads, die aus geschäftlichen, technischen oder regulatorischen Gründen nicht für die Public Cloud geeignet sind. GEA setzt derzeit nahezu ausschließlich auf Microsoft Azure.

Niederhagemann sieht als wichtigsten Vorteil dieses Ansatzes die zentrale Kontrolle und Administration in einer weltweit verteilten IT-Landschaft. Zudem verspricht er sich Flexibilität und Effizienzgewinn durch klassische Cloud-Vorteile wie elastische Skalierung oder Automatisierung. Auch in Sachen Verfügbarkeit und Business Continuity spreche alles für einen 100-Prozent-Hybrid-Cloud-Ansatz. Sein Transformations- und Outsourcing-Partner ist dabei Accenture.

Dessen Managing Director Hauke Heier bestätigt diese Vorzüge, weist aber auch darauf hin, dass auf Basis der heute verfügbaren Technologien kein Bedarf mehr für eine großzügig dimensionierte Private Cloud bestehe: "Für produzierende Unternehmen sind eine Kombination aus einem bis zwei Public Cloud-Partnern und einer schlanken Local-Edge-Infrastruktur derzeit das Optimum."

Auch GEAs SAP-Systeme laufen - separiert von allen anderen Workloads - in der Microsoft-Cloud. Laut Niederhagemann ist das die ideale Voraussetzung, um im nächsten Schritt die Einführung von SAP-S/4-HANA zu stemmen, wozu bereits im Sommer ein umfangreiches Programm gestartet wurde.

Die Düsseldorfer GEA Group ist breit aufgestellt. Zum Portfolio gehören unter anderem Abfüllanlagen für die Getränke-Industrie, Kältetechnik und Systeme für Lebensmittelverarbeitung, Pharmazie und Chemie.
Foto: Gea Group

Neben Microsoft und SAP ist ServiceNow der dritte strategische Anbieter für GEA. Der Spezialist für digitale Workflows wurde für ein globales, Cloud-basiertes Service-Management herangezogen - und das bei weitem nicht nur in der IT. Auch andere Bereiche des Unternehmens bilden ihre Prozesse inzwischen auf der zentralen ServiceNow-Plattform ab. Das habe zu einer verbesserten Servicequalität und einer durchgängigen Automatisierung geführt, so der CIO.

Eine wichtige Rolle bei der seit nunmehr fünf Jahren laufenden Transformation der IT spielt Accenture: Der Servicepartner verantwortet den gesamten Systembetrieb und hat auch das digitale Fundament maßgeblich mitgestaltet. In einer Art Troubleshooter-Rolle hatte der Dienstleister vor fünf Jahren zunächst die wichtigsten Geschäftsprozesse in den Bereichen Finanzen/Controlling sowie Personal im Rahmen eines Business Process Outsourcings übernommen und parallel die Stabilisierung und dann auch die Modernisierung der IT vorangetrieben.

Cloud-Transformation mit 4.000 Servern

"Wir haben in unserer Cloud-Transformation über 4.000 Server angefasst", blickt Niederhagemann zurück. Viele Anwendungen seien zunächst in einem klassischen Lift-and-Shift-Ansatz transformiert worden, weil man nicht zu viel Zeit verlieren wollte. Heute liefen hiervon nur noch 3.000 virtuelle Server in der Hybrid-Cloud. Es ist also gelungen, im Zuge der Migration gut ein Viertel abzuschalten. An den meisten Standorten gibt es heute keine aktive Hardware mehr, das eigene Private-Cloud-Data-Center mit rund 20 Prozent der Workloads steht bei einem Co-Location-Partner in Frankfurt am Main.

Diese Architektur bedingt laut Niederhagemann eine leistungsfähige globale Netzwerkinfrastruktur, die bei Projekten dieser Ausrichtung gerne vernachlässigt werde. "Vielfach gehen Unternehmen davon aus, dass sowohl die bestehende Technologie als auch die verfügbaren Datenleitungen einen reibungslosen Cloud-Betrieb dieser Größenordnung verarbeiten kann. Dies ist meistens nicht der Fall", sagt der CIO.

Aus diesem Grund befindet sich derzeit ein in Sachen Skalierung, Betrieb, Leistungsfähigkeit und vor allem Security hochmodernes WAN für die fast 300 Standorte im Aufbau. "Dieser Aspekt der Gesamtarchitektur hat zu Beginn unserer Journey zu Unzufriedenheit bei den Anwendern geführt. Verständlich, denn dem globalen Datenverkehr kommt eine zentrale Bedeutung zu. Ist man hier nicht vorbereitet, kann das schiefgehen", so der CIO.

Um die schnelle Datenanalyse an den Entwicklungs- und Produktionsstandorten zu ermöglichen, setzt GEA auf Local Edge Computing. Dabei vertraut der Konzern auf Technologie von Talon Storage, einem Spezialisten für Software-defined Storage, der im März 2020 von Netapp übernommen wurde. Unternehmen können damit ihre Daten in der Azure Cloud konsolidieren, haben aber lokal für einen definierten Zeitraum ein Replikat zur Verfügung, mit dem sie schnelle Auswertungen fahren können. Außerdem dient die Local Edge-Infrastruktur der Bereitstellung und Verwaltung großer CAD- und Produktionsdateien. 110 Standorte weltweit werden zukünftig mit solch einem hybriden Speichersystem arbeiten.

Die Transformation der gesamten IT ist für alle Beteiligten eine Sisyphos-Aufgabe. Als es 2017 losging, waren viele Server und das Rechenzentrum an einem der zentralen Standorte komplett veraltet. Für einen Single-Cloud-Ansatz mit Microsoft als Partner entschied man sich vor allem wegen der aufwändigen SAP-Migration: Aufgrund der Größe der virtuellen Maschinen sei Azure damals die einzig brauchbare Alternative gewesen, sagt Niederhagemann. Inzwischen habe sich GEA ein flexibles digitales Fundament geschaffen, auf dessen Basis neue Prozesse schnell einzurichten seien. Auch für künftige Zukäufe sei man IT-seitig besser aufgestellt.

GEA setzt auf Greenfield-Ansatz

Der Fokus beim weiteren Umbau werde sich nun von der Cloud-Infrastruktur auf die Applikationswelt verlagern, insbesondere auf SAP-S/4HANA. Zusammen mit den Walldorfern und dem Transformationspartner Accenture setzt GEA auf einen Greenfield-Ansatz und einem nach Komplexität gestaffelten zweiphasigen Vorgehen. Laut Niederhagemann muss man sich so nicht auf Kompromisse hinsichtlich der Altanwendungen einlassen und kann in Sachen Optimierung von Datenströmen und Customer Experience - GEA ist auch SAP-Qualtrics-Kunde - das Maximale aus der ERP-Plattform herausholen.

Im Dezember 2019 haben die Düsseldorfer dazu ein strategisches Abkommen mit SAP unterzeichnet. Die alte ERP-Systemwelt wird demnach vorübergehend parallel weiterbetrieben, ehe dann Ende 2025, sofern der ambitionierte Zeitplan einzuhalten ist, alle GEA-Gesellschaften SAP-S/4-HANA nutzen.

Für das zentrale Cloud-Management setzen GEA und Accenture auf die "vRealize Suite" von VMware, die für die Hybrid-Cloud-Umgebung des Konzerns einen übergreifenden Betrieb und eine einheitliche Governance ermöglicht. Die Plattform allein beansprucht über 100 virtuelle Server, um damit alle 3.000 Server im Konzern in der Hybrid Cloud zu managen und zu virtualisieren. "Dafür können wir jetzt aber auch jeden Workload und jedes Log zu jedem Zeitpunkt im Detail sehen", freut sich der CIO.

Um das Cloud-Management mit den digitalen Prozessen und dem Reporting zu verzahnen, hat GEA vRealize Suite und ServiceNow eng integriert. Als drittes Element wurde Azure Cost Management eingebunden, um auch das Kosten-Management im Griff zu haben und für alle Services eine kostenoptimale Provisionierung sowie ein nachgelagertes Rightsizing zu gewährleisten.