Digitale Transformation

So wird Ihr Unternehmen disruptiv

20.02.2018 von Marc Wilczek
Gehen Sie richtig an das Thema heran? Hinterfragen Sie Ihr eigenes Handeln kritisch genug? So verbessern Sie erstmal Ihre digitale Sehschärfe.

Neue Spieler, die sich der digitalen Technologie verschrieben haben, dringen in etablierte Branchen ein und verursachen dort regelrechte Schockwellen. Bei den bisherigen Akteuren scheiden sich hingegen die Geister. Einige orientieren sich laut Gartner an neuen digitalen Platzhirschen wie AWS, Airbnb, Netflix oder Uber und leiten konkrete Maßnahmen für sich ab. Andere etablierte Unternehmen verharren währenddessen in der Schockstarre.

Leerlauf oder Gaspedal?
Foto: Lumen Photos - shutterstock.com

Doch abzuwarten bis sich der Staub gelegt hat, ist die falsche Taktik. Diejenigen, die zu spät reagieren und sich die Butter vom Brot nehmen lassen, verpassen die Chance rechtzeitig Paroli zu bieten um die Auswirkungen auf ihr Geschäft zu minimieren.

"CIOs, die am Aufbau oder Ausbau eines digitalen Unternehmens beteiligt sind, haben mit einem erhöhten Innovationstempo zu kämpfen, das ihre Fähigkeit zu skalieren oder zu wachsen stark beeinträchtigt. Die Fähigkeit, sich erfolgreich mit dieser Disruption auseinanderzusetzen, kann den Unterschied zwischen einem Aufwärts- oder einen Abwärtstrend auf der Leistungsspirale ausmachen", sagt David Mitchell Smith, Vice President und Gartner Fellow. "Echte Innovatoren, die den Wandel beeinflussen, machen nicht nur Innovationen - sie verursachen Disruption. Sie verändern grundlegend die Dynamik der Situationen, in denen sie sich befinden."

Die eigene Denkweise kritisch hinterfragen

Allzu häufig ist die Erkenntnis da Veränderungen herbeiführen zu wollen, doch durch unterbewusste Verhaltensmuster und kognitive Prozesse fällt die Umsetzung denkbar schwer. Um mit der digitalen Transformation Schritt halten und davon profitieren zu können, hier fünf Beispiele worauf es in der Praxis ankommt:

1. Unsicherheit als Chance begreifen

Alteingesessene Unternehmen laufen angesichts der ungewohnten Herausforderungen des digitalen Zeitalters Gefahr in Trägheit zu verharren oder gar in die Knie zu gehen. Digital-affine Führungskräfte verstehen und erkennen die Tatsache an, dass Unsicherheit unvermeidbar ist und immer auch eine Wachstumschance bietet. Sie erkunden die Möglichkeiten die daraus resultieren, wenn technologischer Fortschritt die Märkte aufwirbelt und welche Risiken und Chancen sich bieten. Ungewissheit zu akzeptieren bedeutet nicht, rücksichtslose Entscheidungen zu treffen oder die Verantwortung für das Finanzergebnis auf die leichte Schulter zu nehmen. Es bedeutet Weiterentwicklung und Anpassungen einzuplanen und voranzutreiben - ohne zu suggerieren, man könne vorhersagen, wie genau sich Dinge entwickeln werden.

Welchen Einsatz zeigen C-Level Manager bei der Digitalisierung? Befragt wurden 167 Business- und Technologie-Führungskräfte. E-Book: CIO Leadership (Gartner)
Foto: Gartner

2. Digitale Stärken identifizieren

Es ist leicht, sich von neuen, smarten Technologien verführen zu lassen. Aber digital-affine Führungskräfte blicken über den Tellerrand hinaus und konzentrieren sich darauf herauszufinden, welche digitalen Tools das Unternehmen wirklich nachhaltig wettbewerbsfähiger und nicht nur "cooler" machen.

Sie versuchen, die Nase vorn zu haben, indem sie langfristige Investitionen in Bereiche wie plattformbasierte Geschäftsmodelle tätigen oder Daten mithilfe von Data Science, Machine Learning und KI-Techniken in Kundennutzen umwandeln. Sie identifizieren digitale Stärken und konzentrieren sich darauf, diese zu einer Kernkompetenz der Organisation auszubauen.

3. Risikotolleranz entwickeln

Herkömmliches inkrementelles Denken ist für die digitale Welt zu. Führungskräfte sollten sich auf Ideen konzentrieren, die - soweit es sich aus jetziger Sicht beurteilen lässt - ihnen mittel- bis langfristig helfen die Unternehmensstrategie umzusetzen und Unternehmensziele zu erreichen. Dies erfordert eine Risikotoleranz, da niemand die Zukunft aufkommender Technologien präzise vorhersagen kann. Rückschläge bleiben deshalb nicht ausgeschlossen. Digital-affine Führungskräfte sind jedoch motiviert durch das Potenzial, mittels der Einführung bahnbrechender Technologien neues Betriebsvermögen zu schaffen.

4. Innovationskraft entfalten

Angesichts digitaler Disruption gilt es neue Produkte und Geschäftsmodelle schneller zu bauen als es Rivalen tun. Um die Innovationskraft zu erhöhen, tun die digital-orientierten Führungskräfte ihr Bestes, Kreativität in der Unternehmenskultur nachhaltig zu fördern und zu verankern. Sie treten mit dieser Devise tagtäglich an - egal ob sie neue Mitarbeiter einstellen oder innerhalb der Führungsmannschaft im Dialog sind.

Organisationen, die zu zurückhaltend oder zu wenig innovativ und Weltmeister im internen Ideentöten sind, bremsen sich selbst aus und haben allzu häufig hinterher das Nachsehen. Unternehmen die mit hoher Taktfrequenz vorgehen, zügig Ideen umsetzen und eine Fehlerkultur etablieren, die auf Belohnung statt auf Sanktion ausgerichtet ist, werden das Rennen machen.

5. Loslegen, experimentieren, lernen, wiederholen

Manch alt eingesessenes Unternehmen ist vielleicht geneigt lieber abzuwarten, bis sich die viel gepriesenen technologischen Durchbrüche in der Praxis tatsächlich bewährt haben. Die Karten werden aber jetzt gemischt. Beim Verharren in der Komfortzone ist der zeitliche Vorsprung des Wettbewerbs hinterher kaum aufholbar.

Es gilt sorgfältig durchdachte strategische Wetten basierend auf Marktanalyse, erwarteten Geschäftsergebnissen und digitalen Hebeln experimentell zu verproben und beim Bestehen des Lackmustests (z.B. dem Erreichen bestimmter Meilensteine, Eintreffen zuvor ermittelter Kennzahlen etc.) zügig zu skalieren. Mittels agiler Methodiken - wie Lean-Startup, Minimum-Viable-Product und Data-Evidence-basiertem Experimentieren - können Organisationen Fahrt aufnehmen, Anfangsinvestitionen deutlich reduzieren und Risiken minimieren.

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Fazit

Sinnbildlich erst nach der Ziehung der Lottozahlen den Spielzettel einreichen zu wollen ist wahrhaftig keine Meisterleistung und wohl kaum von Erfolg gekrönt. Früher oder später wird jede Führungskraft entscheiden müssen, wie mit digitaler Disruption umzugehen ist. Viele Organisationen haben nicht die Fähigkeiten, Ressourcen und Risikobereitschaft, um die Piratenflagge zu hissen und die Revolution im Markt anzuführen. Gerade jedoch im pro-aktiven Gestalten - wenn man das Zepter und Schicksal selbst in die Hand nimmt - steckt die größte Chance. Die schlimmste Entscheidung der Unternehmensleitung ist jedoch die Aufrechterhaltung des Status Quo. Festsitzen wie ein Reh im Scheinwerferlicht verzögert nur das Unvermeidliche.

Ein wichtiger Aspekt im Umgang mit digitaler Disruption ist die Fähigkeit, echte Trends von bloßen Modeerscheinungen zu trennen. Modeerscheinungen sind von kurzer Lebensdauer - sie kommen und gehen schnell. Sie neigen dazu, einen großen Anstieg an Popularität zu genießen und geraten nach einem abrupten Anstieg ähnlich zügig in die Vergessenheit - Pokemon Go und Google Glass sind zwei Beispiele der jüngeren Vergangenheit. Eine echte Disruption dagegen wird die Bedürfnisse des Marktes völlig neu gestalten und möglicherweise einen bedeutenden Wandel in der Branche und darüber hinaus bewirken. Ein Beispiel ist das iPhone, das fast über Nacht PDAs überflüssig machte und eine Revolution in der Applikationsentwicklung einleitete. Umsätze von Mobiltelefon- und Notebookherstellern wurden massiv beeinträchtigt und mittels Facetime hat sich die Art und Weise verändert, wie Menschen mit Technologie interagieren. Gleichzeitig wurde durch iTunes ein gigantisches Ökosystem mit Drittanbietern geschaffen, das heute Milliarden von Dollar generiert. Echte digitale Disruption verändert die Märkte und schafft neue, einer Modeerscheinung gelingt dies nicht.