SAP-Experten bei Vorwerk

SOA-Wissen aufsaugen

08.02.2009 von Andreas  Schmitz
Mehr als zwei Drittel des Budgets für die SAP-Einführung bei Vorwerk waren schon ausgegeben. In gerade einmal drei Ländern lief die SAP-Umgebung - jedoch mehr schlecht als recht. 2007 verordnete Stefanie Kemp dem Staubsaugerspezialisten eine Stabilisierungskur für die SAP-Systeme, dann die Entwicklung eines völlig neuen Konzeptes für den Direktvertrieb - "SOA light".

2002 herrschte SAP-Aufbruchsstimmung im Familienunternehmen Vorwerk. Die ERP-Strategie 2002 sah die Einführung eines SAP-Standards in den europäischen Divisionen vor. Doch sie erwies sich als nicht so einfach wie gedacht.

Group Information Officer Stefanie Kemp lernte aus Fehlern, die ihre Vorgänger bei Vorwerk in Sachen SAP gemacht haben.
Foto: Vorwerk

"Stellen Sie sich das Schlimmste vor und vervierfachen Sie es nochmal", sagt Stefanie Kemp heute - drei Jahre nachdem sie den Wendepunkt in Sachen SAP eingeläutet hat. Stopp des Rollouts in 5 europäischen Ländern, einjährige Stabilisierungskur für die schon laufenden SAP-Umgebungen und Sezierung aller Geschäftsprozesse. "Gucken, was wir tun", nennt Group Information Officer Kemp das, "und zwar besonders unter Qualitätsaspekten".

Ein Drittel der Geschäftsprozesse nicht standardisierbar

PEA kam dabei zu Hilfe - das "Project Evaluation for System Alignment", eine Methode zur Analyse der Abläufe. Das Ziel: Die internationale Vergleichbarkeit von Geschäftsprozessen. Das Ergebnis war in Hinsicht auf die eingeschlagene Standardisierungsstrategie im Hause ernüchternd: "Ein Drittel der 50 Geschäftsprozesse ließen sich nicht im Standard abbilden", konstatiert Kemp. Auf einer Prozesslandkarte stellte Vorwerk schließlich die Hauptprozesse zusammen und unterschied dann im Anschluss sämtliche Prozesse in so genannte Kernel-Prozesse und Nicht-Kernel-Prozesse, also Geschäftsabläufe, die nicht mit Hilfe von SAP abgewickelt werden konnten.

Anders als ursprünglich gedacht sind heute zwar diverse Module von SAP im Einsatz wie jene für die Lagerverwaltung, das Business Warehouse, Controlling, Finanzen, Produktion, die Materialwirtschaft - nicht aber für CRM und besonders nicht für den Direktvertrieb, die wichtigste Komponente im Vorwerk-Geschäft. Denn auf jeden fest angestellten Mitarbeiter von Vorwerk kommen bis zu 20 Handelsvertreter, die für Vorwerk als Kundenberater die Produkte von Vorwerk an den Mann und die Frau bringen. . Diese Vertriebler arbeiten über ein komplexes und individuelles Provisionssystem, das sich je nach Erfolg der Verkäufer unterscheidet. Zudem soll das Direktvertriebssystem zum einen über ein Fachberaterportal einfach zu nutzen sein, zum anderen sollen die Zahlen dort auch parallel verarbeitet werden können - und der Geschäfts- oder Bereichsleitung Abverkaufszahlen in den Regionen möglichst aktuell liefern.

Einen SAP-Standard gibt es für dieses individuelle Geschäft nicht. Eine neue Idee musste her, um externe Prozesse an die SAP-Systems andocken zu können. "Anfang 2007 kam gerade der Hype um SOA auf", erläutert Kemp, "da lag es nahe, auch Netweaver in Betracht zu ziehen". Es bot eine Chance, Nicht-Kernel-Prozesse als Services zu kapseln und so dem ERP-System zur Verfügung zu stellen. Allerdings gab es für das Vorhaben, Webservices zu schaffen, eine wesentliche Herausforderung: Zwei Drittel des mittlerweile zweistelligen Millionen Budgets für die SAP-Einführung waren bereits ausgegeben. Kemp: "Da steht dann nicht nur die Frage im Raum, ob die Lösung gut ist, sondern ob ich sie mir leisten kann". Das transaktionsbasierte Modell mit Netweaver wurde aus Kostengründen schnelle verworfen- auch weil das ERP-Projekt noch nicht abgeschlossen war.

Programmierer kommen aus Polen

Schon wieder umdenken, Ansätze verwerfen, Standards sein lassen: Schließlich entschied sich die Vorwerk-IT für eine Ausschreibung für ein Open Source-SOA-Projekt. Services, Enterprise Service Bus und SOA sollte letztlich als Einheit herauskommen. Schließlich fand Kemp externe Experten für die Konzeptionierung und Beratung sowie für die Programmierung - letztere aus dem Nearshore-Land Polen ("sehr viel günstiger als dies in Deutschland möglich gewesen wäre"). Doch auch diesmal lief nicht alles nach Plan. Der letztjährige Pilot verlief nicht erfolgreich. Die eingesetzte Java Workflow Engine erwies sich als zu unflexibel. "Wir mussten noch zu viel daran herumprogrammieren", erläutert Kemp. "From scratch" - also von Grund auf - ging es dann vor einem halben Jahr wieder los. Eigenentwicklung pur also. Kein Standard, alles selbst gemacht. Am 1. Juli geht der neuerliche Pilot in Polen an den Start, dort, wo die Nearshore-Programmierer am schnellsten kleine Bugs beheben können. Dann sollen die Länder Portugal, Spanien und Italien folgen.

SOA light steht bei Vorwerk jetzt gewissermaßen vor dem Durchbruch. Dass dies wirklich einer wird, wird auch einem Team von SAP-Beratern zu verdanken sein, nicht weil sie sich aus dem Projekt herausgehalten haben, sondern weil sie das Projekt intensiv begleiten und dafür sorgen, dass alle nötigen Daten "valide in SAP landen", wie Kemp sich ausdrückt. Das Team, das Kemp aus ihrer vorherigen beruflichen Zeit schätzen gelernt hat, kann dabei nur gewinnen. Schließlich ist es für die Walldorfer nicht neu, dass ihre Standards hier und da an Grenzen stoßen. Dann helfen letztlich nur intelligente Schnittstellen - auch zur Bereicherung der eigenen Standards.

Stefanie Kemp in den Video-News der CIO.