Robotic Process Automation (RPA) könnte in den kommenden Jahren einen regelrechten Boom erfahren. Zu diesem Schluss kommen die Analysten der Information Services Group (ISG), die knapp 250 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt haben. Demzufolge haben 17 Prozent noch kein RPA-Projekt gestartet. Weitere 52 Prozent beschäftigen sich aktuell mit Konzepten und Pilotvorhaben. Ein knappes Drittel zählt laut ISG zu den RPA-Pionieren und hat bereits mindestens zehn Geschäftsprozesse auf robotergesteuerte Prozessautomatisierung umgestellt.
"In den kommenden beiden Jahren kehrt sich das Bild vollständig um", prognostiziert Andreas Lüth, Partner bei ISG, Head of Robotic Process and Cognitive Automation DACH. Nur sechs Prozent der befragten Unternehmen hätten angegeben, auch bis 2020 kein eigenes RPA-Projekt beginnen zu wollen. Demgegenüber stellten sechs von zehn Unternehmen in Aussicht, in zwei Jahren bereits mindestens zehn RPA-Prozesse aufgesetzt zu haben. Über die Hälfte davon wollen bis dahin sogar mehr als 25 Geschäftsprozesse an Softwareroboter übergeben.
Einfache Implementierung
"RPA eignet sich vor allem für die Automatisierung transaktionsstarker Geschäftsabläufe, bei denen die prozessunterstützenden IT-Systeme nicht ausreichend vernetzt sind", erläutert Lüth. Mit RPA ständen den Unternehmen erstmals Technologien zur Verfügung, mit deren Hilfe sich Geschäftsprozesse automatisieren ließen, ohne die Prozesse oder die sie unterstützenden IT-Systeme anpassen zu müssen. "Im Vergleich zu klassischen Automatisierungsansätzen, die an ein Reengineering der Prozesse sowie an Anpassungen in den IT-Systemen geknüpft sind, bieten RPA-Technologien einen deutlich einfacheren Weg, um die Produktivität und Qualität eines bestehenden Geschäftsprozesses signifikant zu erhöhen", lautet das Fazit des Analysten.
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Auch wenn sich RPA auf den ersten Blick als einfach präsentiert, dürften die Unternehmen die Einführung solcher Techniken nicht auf die leichte Schulter nehmen. "Diese Technologie hat das Potenzial, sowohl den Kundenservice als auch die Geschäftsprozesse im Hintergrund zu revolutionieren", so Lüth. "Doch Unternehmen sollten nicht in die RPA-Falle treten. Der Einsatz sollte als strategische Business-Entscheidung behandelt werden, mit klar definierten Zielen und Maßnahmen. Sonst ist die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns groß."
Dumme Softwareroboter
Selbst die Anbieter warnen vor überzogenen Erwartungen an die Technik. RPA sei keine Wunderwaffe, die alle Probleme lösen könne, mahnt das auf RPA spezialisierte Unternehmen Roboyo. Wenn die Erwartungen zu hoch seien, dann werde ein RPA-Projekt zwangsläufig in Frustration und Enttäuschung enden. Die grundlegende Einschränkung von Softwarerobotern bestehe darin, dass sie "dumm" seien. Die Technik tue genau das, wofür sie entwickelt worden sei – nicht mehr und nicht weniger.
Das bedeute unter anderem, dass nichts mehr geht, wenn Ausnahmen auftreten oder Daten fehlen. Anwender müssten deshalb darauf achten, für RPA ausgesuchte Prozesse korrekt abzubilden und sämtliche möglichen Ausnahmen zu berücksichtigen. Das bedeutet im ersten Schritt, dass Anwender die für RPA geeigneten Prozesse finden oder sich überlegen müssen, inwieweit bestehende Prozesse verändert und optimiert werden sollen. Erst danach lassen sie sich an einen Softwareroboter übergeben. Hier gilt die oft zitierte Regel: Ein schlechter Prozess bleibt auch automatisiert ein schlechter Prozess.
Darüber hinaus müssen sich Unternehmen genau überlegen, welche Art RPA-Technik sie an welcher Stelle einsetzen wollen. Die Palette an unterschiedlichen Lösungen wird immer breiter. Sie beginnt mit einfachen Systemen, die sich wiederholende Routineaufgaben nachahmen und beliebig oft replizieren, indem sie Anwenderinteraktionen über vorhandene Software- und Benutzerschnittstellen automatisiert erfassen und selbst ausführen, heißt es in einem Strategiepapier der Scheer Group.
Anwender lernen Roboter an
Das kann so weit gehen, dass Anwender lokal installierte Roboter selbst über sogenannte Record Buttons anlernen. Dabei werden die Prozessschritte aufgezeichnet, und die Software übersetzt dies in ein passendes Roboterskript. Das funktioniert allerdings nur für Prozesse, die mit klar strukturierten Daten arbeiten und regelbasiert immer gleich ablaufen. Kommt es zu Variationen und Abweichungen, braucht es andere Lösungen.
Kognitive RPA-Lösungen könnten beispielsweise mit Hilfe künstlicher Intelligenz und hinterlegtem Experten- und Prozesswissen das Anwenderverhalten auch in komplexeren Situationen replizieren. Intelligente RPA-Systeme gehen sogar noch einen Schritt weiter. Sie verfügen über Lernfähigkeiten und können Prozesse weitgehend selbständig erlernen, ohne dafür vorkonfiguriert beziehungsweise mit Skripten programmiert zu sein. Dafür greifen die Lösungen auf Werkzeuge wie Musteranalysen und -erkennungsverfahren sowie neuronale Netze zurück.
Zehn Tage statt drei Jahre
Zu guter Letzt gilt es zu überlegen, in welchem Rahmen RPA im Unternehmen eingesetzt werden soll. Softwareroboter können, einmal konfiguriert, einen Prozess immer wieder abwickeln. Lediglich in Ausnahmefällen muss ein Mitarbeiter eingreifen. Genauso gut können RPA-Systeme Mitarbeitern auch zuarbeiten, indem sie zum Beispiel automatisch Daten aus verschiedenen Systemen sammeln und aufbereiten, um so bei der Lösung komplexerer Aufgaben zu assistieren.
Neben diesen kontinuierlich Tag für Tag anfallenden Aufgaben kann eine RPA-Lösung aber auch in einzelnen Projekten eine wertvolle Hilfe sein. So hat die Dekabank nach der Übernahme der Landesbank Berlin Investment (LBB-Invest) 2014 rund 46.000 Wertpapierdepots in ein einheitliches System übertragen. Eine manuelle Migration inklusive Datenprüfung hätte rund drei Jahre gedauert, so die Kalkulation der Verantwortlichen. Der gemeinsam mit Capgemini Consulting entwickelte Softwareroboter schaufelte die Depotdaten innnerhalb von zehn Tagen in das Dekabank-System und sorgte nebenbei auch noch für eine bessere Datenqualität, indem er unplausible Datensätze erkannte und automatisch reparierte.
RPA-Budgets wachsen
Drei Viertel der von ISG befragten Unternehmen aus der DACH- Region wollen ihre RPA-Budgets im laufenden Geschäftsjahr erhöhen. Gegenüber 2017 seien die zur Verfügung stehenden Mittel in 54 Prozent der Fälle um mindestens zehn Prozent gestiegen. Jedes siebte Unternehmen meldete Zuwächse zwischen elf und 20 Prozent. In jedem zwölften Betrieb stieg der RPA-Etat sogar um mehr als 20 Prozent. Lediglich knapp jeder zehnte Befragte berichtete von gleichbleibenden RPA-Investitionen, und nur sechs Prozent gaben an, die RPA-Ausgaben zurückgefahren zu haben.
Den Hut haben in den meisten Unternehmen die IT-Abteilungen und der CIO auf. In vier von fünf Unternehmen ist er verantwortlich oder zumindest rechenschaftspflichtig für Kaufentscheidungen im Bereich RPA. Mit einem Vergleichswert von 73 Prozent liegt der CFO unmittelbar dahinter. Immer mehr Entscheidungskompetenz erhält auch der Head of Automation. Diese noch relativ junge Führungsrolle findet sich bereits in einem Drittel der befragten Unternehmen.
An der einen oder anderen Stelle gibt es noch Probleme zu lösen. 43 Prozent der Befragten sehen beispielsweise Sicherheitsrisiken als größtes Hindernis für die Verbreitung von RPA-Technologien. Gut ein Drittel befürchtet, dass eine stärkere RPA-Nutzung zu Schwierigkeiten im Bereich Governance, Risk & Compliance (GRC) führen könne. Es fällt auf, dass es vor allem organisatorische Themen sind, die Anwender als Hemmnis anführen. Vier der fünf wichtigsten Hindernisse lassen sich diesem Bereich zuordnen. Dazu zählen organisationspolitische Widerstände gegen den Einsatz von RPA (33 Prozent), die fehlende Rückendeckung durch die Führungsebene (30 Prozent) sowie eine unzureichende Unterstützung durch die IT (30 Prozent).