DOAG-Jahrestagung

Solaris wird zur Cloud-Plattform

19.11.2014 von Joachim Hackmann
Auf der diesjährigen DOAG-Anwendertagung gewährte Oracle Einblicke in die Entwicklungspläne rund um das Server-Betriebssystem Solaris. Ziel ist eine integrierte Plattform für den Cloud-Betrieb.
Foto: Oracle

Mit einer Rekordteilnahme eröffnete die Deutsche Oracle-Anwendergruppe (DOAG) ihre diesjährige Jahrestagung vom 18. bis zum 20. November. Mehr als 2000 Besucher kamen heuer nach Nürnberg, um an drei Tagen und in rund 450 Fachvorträgen ihre Erfahrungen auszutauschen.

Aus dem Silcon-Valley war Oracles Solaris-Chef-Entwickler Markus Flierl eingeflogen, um der hiesigen Anwenderschar die neuesten Pläne und Funktionen rund um das Server-Betriebssystem zu präsentieren, aber auch um Aktuelles aus der Zentrale zu vermitteln. Die Demission von Oracle-Chef und Gründer Larry Ellison als CEO spielte dabei keine Rolle, lieber machte Flierl ausführlich die Integration von Solaris, Oracle Datenbank und Hardware zum Thema seines Eröffnungsvortrags.

Integration von Hardware, Datenbank und Betriebssystem

"Warum hat Apple einen Chip-Hersteller übernommen", fragte Flierl das Publikum, um gleich die Antwort zu präsentieren: "Weil mit der Integration von Software und Hardware Funktionen wie das Fingerprint-Scanning möglich ist."

Die Geschichte von Oracle
Eine Zeitreise durch die Oracle-Geschichte
Oracle ist das Werk von Ellison, und es passt zu dem ehrgeizigen und charismatischen Gründer, dass er sein Hobby, das Segeln, professionalisiert. Mit Erfolg: Das Team gewann 2013 den America´s Cup.
Oktober 2015: Erster Oracle-Sparc kommt heraus
Auf der Kundenkonferenz OpenWorld stellt Larry Ellison mit dem M7 die erste Sparc-CPU vor, die komplett unter der Ägide Oracles geplant und gebaut wurde. Mit speziell für den Prozessor entwickelten und tief in der Hardware verankerten Security-Funktionen will der Hersteller die Sicherheit von Anwendungen und Daten verbessern - vor allem in Cloud-Umgebungen.
Februar 2015: Neuer Deutschlandchef
Frank Obermeier wird neuer Country Leader von Oracle in Deutschland. Obermeier kommt von Hewlett-Packard und löst Jürgen Kunz ab, der künftig als Senior Vice President Northern Europe die Geschäfte von Oracle in Nordeuropa verantwortet.
September 2014: Ellisons Paukenschlag
Nach 37 Jahren an der Spitze von Oracle gab Larry Ellison überraschend seinen Rücktritt als Konzernchef bekannt. Gründe nannte der 70-jährige nicht, Ellison will aber weiterhin als CTO für das Unternehmen wirken. Die bisherigen Stellvertreter Mark Hurd und Safra Catz sollen als Doppelspitze das Ruder übernehmen. Zugleich kündigte Oracle Aktienrückkäufe über 13 Milliarden Dollar an.
2011: Investition ins Cloud Computing
Hat Larry Ellison seine Spürnase für Erfolgstechnologien verloren? Ende 2011 hatte Oracle zwar den Cloud-CRM-Anbieter RightNow Technologies für 1,5 Milliarden Dollar gekauft, doch im Vergleich zu agileren Wettbewerbern wie Salesforce hängt das Unternehmen aus Redwood Shores hinterher. <br/><br/>Die „Computerwoche“ schreibt: „Nachdem Gründer und CEO Lawrence "Larry" Ellison noch vor wenigen Jahren über die IT-Wolke gelästert hatte und das Ganze als schnell vorübergehenden Hype abgetan hatte, muss er heute sehen, dass er nicht den Anschluss verliert“. Konkurrent SAP hatte sich 2011 für 3,4 Milliarden Dollar den Cloud-HR-Anbieter Successfactors einverleibt. Oracle legte mit der Übernahme von Successfactors-Wettbewerber Taleo an für 1,9 Milliarden Dollar nach.
2010: Mark Hurd wechselt von HP zu Oracle
Nur einen Monat nach seinem unrühmlichen Ausscheiden als CEO bei Hewlett-Packard (HP) kommt Mark Hurd zu Oracle. Ellison hatte zuvor Hurds Rauswurf heftig kritisiert "Das war die dümmste Personalentscheidung, seitdem die Idioten im Apple- Verwaltungsrat vor vielen Jahren Steve Jobs gefeuert haben." <br/><br/>In der Folge gab es einen erbitterten Streit zwischen den beiden Unternehmen, wobei es nur vordergründig um den Wechsel von Hurd ging: Oracle hatte die Unterstützung von Intels Itanium-Chips durch die eigene Software beendet und damit den Verkauf von HP-Server mit diesen Chips geschadet.
2009: Oracle kauft Sun Microsystems
Sun heißt jetzt Oracle. Der Datenbankspezialist hatte den Hardwarehersteller für 7,4 Milliarden Dollar eingekauft. Dabei ging es Ellison jedoch weniger um die etwas aus der Mode gekommene Hardware, sondern um die Software: Java und MySQL gehören jetzt Oracle.
2008: Übernahme von Bea Systems
Das Siebel On Demand CRM Release 15 kommt auf den Markt und Oracle kauft weiter ein, größter Brocken ist BEA Systems, ein Anbieter für Sercive-oriented Architecture, für 8,5 Milliarden Dollar. (Im Bild: Bea-CEO Alfred Chuang)
2007: Konsolidierung im BI-Markt
Der Markt für Business Intelligence ist auf Konsolidierungskurs, die großen Player werden geschluckt. Oracle macht im März den Anfang und kauft Hyperion für 3,3 Milliarden Dollar. Im Oktober schlägt SAP bei BusinessObjects zu und IBM im November bei Cognos. Der Kampf mit Rivale SAP spitzt sich zu: Oracle reicht in den USA eine Klage gegen wegen Urheberrechtsverletzung ein. Der Vorwurf: SAP habe Diebstahl geistigen Eigentums in großem Stil begangen und unerlaubt von einer Kundenbetreuungs-Web-Site „Tausende Softwareprodukte“ sowie anderes vertrauliches Material heruntergeladen. Erst in 2010 ist klar: SAP muss Oracle 1,3 Milliarden Dollar Schadensersatz zahlen.
2005: Siebel, die nächste Großakquisition
Kundenbeziehungs-Management wird immer wichtiger und Oracle schnappt sich den CRM-Marktführer Siebel Systems. Für rund 5,85 Milliarden Dollar wechseln Anfang 2006 die 5.500 Siebel-Mitarbeiter zu Oracle.
2004: Übernahme von Peoplesoft
Oracle übernimmt nach 18-monatigem erbitterten Widerstand Peoplesoft für 10,3 Milliarden Dollar und wird damit zum zweitgrößten Business-Software-Anbieter nach SAP. Erst 2003 hatte Peoplesoft den ERP-Hersteller J.D. Edwards für 1,7 Milliarden Dollar übernommen.
2000: Oracle entdeckt Linux
Die Open-Source-Bewegung nimmt Fahrt auf: “Im Jahr 2000 haben wir ein Linux-Engineering-Team gebildet. Dessen Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, dass Linux ein Betriebssystem wird, das sich für unsere Kunden im Rechenzentrum eignet”, erinnert sich Ed Screven, Chief Corporate Architect bei Oracle.
1998: Oracle Applications 11i
1998: Schon ein Jahr später geht der Hersteller in puncto Internet aufs Ganze: Oracle Applications 11i soll den Wandel von Client-Server- hin zu Internet-Computing einleiten, kurz darauf bekommt auch die Datenbank ein “i” für „Internet“ angehängt. “Wenn sich herausstellt, dass die Zukunft des Computings nicht im Internet liegt, sind wir erledigt. Aber wenn es die Zukunft ist, liegen wir goldrichtig“, sagte Ellison über die forsche Internet-Strategie von Oracle.
1997: Java kommt
1997 stellt Larry Ellison die neue Version Oracle8 der Datenbank vor, die mit dem Network-Computer (NC) arbeitet und die Daten an Thin-Clients liefert. Mit dem Application Server 4.0 stellt Oracle eine Lösung vor, die das Management von Business-Software zentralisiert und damit effizienter machen soll. Vor allem aber schlägt die Stunde der Programmiersprache Java. Der Hersteller kündigt mit Oracle Applications Release 10.7 NCA die weltweit erste Enterprise-Applications-Suite an, die auf offenen Standards basiert.
1995: Business Intelligence
1995 investiert der Datenbankriese in Business Intelligence und kauft die OLAP-Produktlinie (Express Server) von Information Resources Inc. für 100 Millionen Dollar. Außerdem beginnt das kalifornische Unternehmen nicht nur, seine Produkte über das Internet zu verteilen, sondern verkündet als einer der ersten Anbieter eine Internet-Strategie. Mit parallel queries lassen sich jetzt deutlich komplexere Datenbankabfragen gestalten.
1990: CFO Henley kommt an Bord
Nachdem sich bisher der Umsatz jedes Jahr verdoppelt hatte, geriet das Unternehmen 1990 das erste Mal in schwereres Fahrwasser. Oracle baute sein Management-Team um und ernannte Jeff Henley zum CFO. Henley brachte das Unternehmen wieder auf Spur und blieb bis 2004 CFO, danach wurde er Vorstandsvorsitzender. 1991 stellt Oracle eine Datenbank vor, die auf MPP (massively parallel processing) basiert und mit der sich deutlich schneller und billiger in Datenbeständen suchen lässt als mit dem Mainframe. 1993 kam Oracles Cooperative Development Environment (CDE) auf den Markt.
1989: Oracle zieht um
Neuer Firmensitz wird Redwood Shores. Ab jetzt unterstützt die Datenbank auch OLTP, Online Transaction Processing. Anders als zuvor bei der Batch-Verarbeitung ist die Echtzeit-Transaktionsverarbeitung Grundlage der modernen Geschäftsanwendungen, bei denen die Verarbeitung von Transaktionen direkt erfolgt. Zu sehen sind Bilder aus der Bauphase des Headquarters.
1987: Entwicklung von Applikationen
1987 beginnt Oracle, eigene Enterprise-Applikationen zu entwickeln, die auf der Datenbank basieren. In der Folge setzt der Datenbankhersteller jedoch auf Übernahmen im Bereich der Business-Software und konzentriert sich auf deren Adaption für die eigenen DBMS-Produkte. (Im Bild "Oracle Financials").
1986: Der Börsengang
Am 15. März 1986 ging Oracle an die Börse. 450 Leute arbeiten für den Datenbank-Hersteller. Auf dem Bild feiern unter anderem Ellison (Mitte) und Charles Phillips (damaliger Co-President, rechts) das 20-jährige Listing von Oracle an der Nasdaq.
1983: Die erste Datenbank
1982 benannte sich RSI nach seinem Produkt: Oracle. Ein Jahr später kam das neu in C programmierte Oracle V3 für Mainframes, Minicomputer und PCs auf den Markt. „Damals kamen die Datenbanken vom Hardware-Anbieter. Oracle bot als eines der ersten Unternehmen ein Datenbankmanagementsystem an, das auf unterschiedlichen Hardware-Plattformen und Betriebssystemen laufen konnte“, sagt Ken Jacobs, Vice President Product Strategy bei Oracle über die Anfänge. Als erstes DBMS unterstützt die Version 5.1 von 1986 verteilte Abfragen und läuft in Client-Server-Umgebungen.
1977: Das erste Büro
Das allererste Büro hatte viel Ähnlichkeit mit Bill Gates Garage. 1979 benannte sich das Unternehmen kurz in Relational Software Inc. (RSI) um, Firmensitz wurde Menlo Park, Kalifornien. Zu den ersten Projekten gehörte eine Oracle-Datenbank für die Wright-Patterson Air Force Base. “Wenn du innovativ bist, musst du darauf vorbereitet sein, dass alle dir sagen, du spinnst”, sollte Larry Ellison später sagen.
1977: Die Gründung
Im August 1977 gründen Larry Ellison, Bob Miner und Ed Oates Software Development Laboratories (SDL). Ellison hatte sich zuvor durch eine theoretische Arbeit von Edgar F. Codd über relationale Datenbanken daran gemacht, ein zu IBMs System R Database kompatibles System zu schaffen. SDL schuf die allererste Version des Datenbanksystems Oracle. Auftraggeber: der Geheimdienst CIA. 1978 feiern die Gründer ihren ersten Firmengeburtstag. Von links nach rechts: Ed Oates, Bruce Scott, Bob Miner und Larry Ellison.

Von vergleichbaren Motiven habe sich Ellison beim Kauf von Sun Microsystems leiten lassen: Mit einer engen Verzahnung von Solaris, Datenbank und den Servern "Sparc M6" seien enorme Sprünge in Leistung und Funktionalität möglich. Während ein reines Software-Tuning des Betriebssystems Verbesserungen um 20 Prozent ermögliche, könne man auf Hardwareebene eine Verdopplung oder gar Verdreifachung in der Optimierung von Funktionen erzielen.

Er brachte dazu auch einige Beispiele mit nach Nürnberg: Häufige SQL-Abfragen (etwa Select Count) sind neuerdings direkt auf Hardwareebene programmiert, so dass die Routinen im Co-Prozessor der Maschinen ausgeführt werden und den Hauptprozessor entlasten. Ähnliches gilt für die Security-Funktionen, die verhindern, dass Memory-Pointer korrumpiert und unerlaubt Speicherinhalte auslesen.

Das habe man unter anderem dadurch erreicht, dass Entwicklermannschaften eng kooperieren. Flierl verantwortet beispielsweise die Ex-Sun-Truppe, die traditionell in Santa Clara im Silicon Valley sitzt. Teile seines Teams wurden aber bereits zum Oracle-Headquarter in Redwood Shores abkommandiert, wo die Entwickler der Datenbank-Systeme sitzen. "Meine Leute haben auch schon Datenbank-Code programmiert, umgekehrt haben die Datenbank-Leute auch schon für Solaris geschrieben. Die Grenzen verschwinden", schildert Flierl die enge Zusammenarbeit. Auch im Testing und im Kunden-Support zahle sich die Verzahnung aus, dadurch könnten Fehler schneller aufgedeckt und Probleme der Anwender ohne Kompetenzgerangel gelöst werden.

Er bot auch Einblick in aktuelle Pläne. So arbeite man etwa intensiv am Zero-Downtime-Patching und einer End-to-end-Analyse, die die Zustandsdaten eines IT-System von Applikation, über Betriebssystem, Netzwerk, Datenbank und virtualisierten Speicher darstellen könne.

Openstack für das Cloud-Management

Sehr viel Platz räumte Flierl in seiner Präsentation der tieferen Integration von OpenStack in Solaris ein. Das Open-Source-Framework dient dem Management von Cloud-Umgebungen und soll unter anderem den Weg für die Betriebsart Database as a Services (DBaaS) ebnen. "Solaris ist nicht nur ein Betriebssystem, sondern auch eine Cloud-Plattform", betonte der Manager. Unter diesen Gesichtspunkt fügen sich sämtliche bereichsübergreifenden Engwicklungsaktivitäten zusammen: Oracle baut an einer Art integrierten Cloud-Appliance mit komplettem Cloud Lifecycle Management.

Nicht zur Sprache kamen hingegen die Auslaufmodelle des Oracle-Konzerns. Bereits im vergangenen Jahr hatte der IT-Anbieter beispielsweise zum Unmut vieler Kunden den verbreiteten "Oracle Warehouse Builder" (OWB) aus seiner Produktplanung gestrichen. Seit dem Erscheinen der neuen Datenbank-Version Oracle 12c ist des weiteren bekannt, dass das Replikation-Tool "Streams" nicht weitergepflegt wird. Die meisten Anwender werden wohl im Lauf des kommenden Jahres auf die neue Datenbank 12c migrieren, weil der reguläre Support der alten Version im Januar 2015 ausläuft (der erweiterte Support endet zwölf Monate später). Spätestens mit dem Versionswechsel müssen sie Streams durch die Oracle-Alternative "GoldenGate" ablösen, das zwar einen erweiterten Funktionsumfang bietet, aber auch teurer in der Lizenzierung ist.

Ellisons besten Sprüche

Als ein Aktionär Ellison fragte, warum er zwei Presidents, nämlich Mark Hurd und Safra Catz, brauchte, antwortete Ellison: <br/><br/> „Ich dachte nur, dass zwei besser sind als einer. Oracle ist ein wirklich großes Unternehmen. Wir teilen die Aufgaben unter uns."

Ein Teil der Feindseligkeit mit Salesforce rührt daher, weil Ellison die Erfindung des Cloud Computing immer wieder für sich reklamiert, die Öffentlichkeit aber stets Marc Benioff (im Bild oben) von Salesforce als Wegbereiter des SaaS-Konzepts feiert. <br/><br/> Ellison: „Ich denke, dass ich das erste Cloud-Unternehmen gestartet habe", sagte er auf einer Veranstaltung in San Francisco im Januar 2014. „Es heißt NetSuite und ist ein Jahr älter als Salesforce.com."

Ellison schießt nicht nur scharf gegenüber Konkurrenten, sondern auch gegenüber neuen, konkurrierenden Technologien. <br/><br/> „Diejenigen, die denken, Hadoop könne eine Oracle-Datenbank ersetzen, verstehen unmöglich die Funktionsweise von Hadoop: Es geht um Stapelverarbeitung. Wenn Sie eine Telefonnummer [aus einer Hadoop-Umgebung] benötigen, dann kommen Sie bitte morgen wieder."

Die Entscheidung von HP, Mark Hurd durch Leo Apotheker zu ersetzen, kommentierte der Oracle-Gründer gewohnt pointiert. <br/><br/> „Ich bin sprachlos. ... HP hatte mehrere gute interne Kandidaten... aber stattdessen stellen sie einen Mann ein, den SAP vor kurzem entlassen hat, weil er des Unternehmen so schlecht geleitet hat."

Für die Einzigartigkeit seines verstorbenen Freundes Steve Jobs hatte er einen ganz eigenen Vergleich parat: <br/><br/> Ellison: „Steve Jobs zu imitieren ist quasi wie der Versuch, einen Picasso zu kopieren und mit der Frage zu starten: Was muss ich tun? Sollte ich vielleicht mehr Rot benutzen?“