Strategische Unternehmenssteuerung

Steuern mit der Balanced Scorecard

13.01.2010 von Sascha Alexander
1992 wurde sie erfunden, seitdem wurden immer wieder nur Teilaspekte der Balanced Scorecard umgesetzt. Sie ist ein wichtiges Element zur Steuerung von Unternehmen, ihre Umsetzung ist laut der Experten Dr. André Salfeld und Frank Barthélemy im Gespräch mit der Schwesterpublikation CFO-World jedoch kein Spaziergang.

CFOworld: Wie verbreitet ist die Balanced Scorecard heute?

Das Basiskonzept einer Balanced Scorecard.

Die Balanced Scorecard (BSC) als Instrument zur nachhaltigen, wertorientierten Unternehmensführung gewann in den letzten Jahren an Bedeutung. So ergab beispielsweise im Juni 2009 eine weltweite Umfrage von "Harvard Business Manager" unter 1430 Führungskräften, dass die Balanced Scorecard mittlerweile auf Platz 6 unter den 25 wichtigsten Managementmethoden rangiert - Tendenz steigend.

Unternehmen erhoffen sich von der Balanced Scorecard vor allem ein Instrument, das ihre Organisation konzentriert und konsequent auf strategische Ziele ausrichten und in der Folge konkrete Maßnahmen für einzelne Geschäftsbereiche ableiten und kontrollieren hilft. Auch ist die Balanced Scorecard ein probates Mittel, um gemessen an den vereinbarten Zielen den Erfolg beziehungsweise Misserfolg des Unternehmens und vor allem des Managements sichtbar und transparent zu machen.

Das Basiskonzept einer Balanced Scorecard

CFOworld: Oft ist zu hören, dass Anwender die reine Lehre der Balanced-Scorecard-Erfinder Kaplan und Norton nur selten befolgen.

Ausführliche Informationen zum Thema Auswahl und Einführung von Balanced Scorecards bietet das Buch "Balanced Scorecard", das voraussichtlich Ende Februar bei Vieweg+Teubner erscheint (ISBN 978-3-8348-0686-4)
Foto: Vieweg+Teubner Verlag

Kaplan und Norton haben ein wichtiges Grundgerüst erarbeitet, wie eine Balanced Scorecard aufgebaut, implementiert und genutzt werden soll. In der Praxis setzen Unternehmen allerdings häufig nur Teilaspekte um. Oft dient die Balanced Scorecard allein als erweitertes Berichtswesen für den Vorstand oder die Geschäftsführung.

Ebenso hinterlegen Unternehmen nur selten strategische Maßnahmen, prüfen unterstellte Ursache-Wirkungszusammenhänge nur in Ausnahmefällen und verknüpfen vorhandene Anreizsysteme meist nicht mit der Balanced Scorecard. Die Gründe für diesen eingeschränkten Einsatz liegen meist in der fehlenden Bereitschaft und Erfahrung, konzentriert und konsequent die Balanced Scorecard als zentrales Führungssystem des Unternehmens zu implementieren.

Die meisten Scorecards basieren auf Excel

CFOworld: Hat sich das Konzept in den letzten Jahren in der Praxis weiterentwickelt?

Unternehmen wollen heute nicht mehr nur messen, ob und wie gut sie Ziele erreicht haben, sondern interessieren sich zunehmend auch für den Erfolg und die Effizienz der abgeleiteten Maßnahmen. Letzteres wird dadurch unterstützt, dass sich die "Perspektiven" einer Balanced Scorecard unternehmens- oder branchenspezifisch anlegen lassen und somit gute und vor allem konkrete Handlungsanweisungen definieren helfen.

CFOworld: Wie erfolgt die technische Implementierung? Beliefern vor allem Business-Intelligence-Werkzeuge die Balanced-Scorecard-Anwendung mit Informationen?

Rund 70 Prozent aller Balanced Scorecards laufen bislang lokal im Einsatz und basieren häufig auf Microsoft Excel. Eine komplexere, grafische Darstellung ist bei solchen Lösungen kaum machbar. Weitergehende Berechnungen von Kennzahlen oder Ampeln, zusätzliche Organisationseinheiten und deren Hierarchien, der Zugriff oder die Pflege des Systems durch mehrere Benutzer sind daher nur sehr eingeschränkt möglich. Alternativ gibt es heute kommerzielle Scorecard-Anwendungen, die wir in unserem Buch beschreiben.
Allerdings steht es um deren Verbreitung und Praxistauglichkeit nicht immer zum Besten. So bietet beispielsweise SAP angeblich seit über zehn Jahren eine eigene BSC-Lösung an, konnte aber uns gegenüber außer zwei nicht veröffentlichungsfähigen Pilotunternehmen keinen Referenzkunden nennen.

Best Practices für Balanced Scorecards

CFOworld: Sehen Sie einen Trend, die BSC mit einer "Strategy Map" zu verbinden?

Beispiel für eine Strategy Map

Strategy Maps sind nach unserer Ansicht integrierte Bestandteile einer jeden BSC. Die Erstellung einer Strategy Map ist notwendig, um die relevanten strategischen Ziele je Perspektive festzulegen und diese in einem Ursache-Wirkungs-Modell zu verknüpfen. So wird die Strategie operationalisiert.

CFOworld: Gibt es Best Practices für die Einführung einer BSC?

Unternehmen sollten mit überschaubaren Pilotprojekten beginnen und dann sukzessive weitere Geschäftsbereiche beziehen. Dies hat den Vorteil, dass sich erste Erfolge schneller einstellen sowie Fehler und Probleme früher erkannt werden. Idealerweise beginnt die Umsetzung in den marktnahen Geschäftsbereichen, bindet dann den Service ein und mündet in einer TOP-Scorecard (für das Gesamtunternehmen aggregiert und inklusive aller zentralen Bereiche).

Diesen Weg ging beispielsweise der Modehersteller Marc O’Polo, den wir in unserem Buch beschreiben. Dort wurde zuerst der Retail- und Wholesale-Bereich mit einer BSC gesteuert, danach der interne Bereich inklusive einer TOP-BSC. Im weiteren Ausbau soll jede Führungskraft eine Führungs-Scorecard erhalten, die mit einem Entlohnungs- und Anreizsystem gekoppelt ist.

CFOworld: Gibt es auch Ihrer Sicht beispielsweise gute Perspektiven für den Aufbau einer BSC für Cash-Management oder allgemein im Controlling?

Die BSC ist zunächst ein strategisches Instrument und dient daher weniger für ein eher operatives Cash-Management, dennoch lassen sich natürlich Kennzahlen berücksichtigen, die wesentliche Einflussgrößen für das Cash-Management sind. Für den Finanzbereich können sich separate Scorecards durchaus aufbauen. Grundsätzlich steht aber die BSC immer in einem gewissen Konflikt zur operativen Planung, da es um mittelfristige und strategische Fragestellungen geht, die allerdings durchaus operative Auswirkungen beispielsweise auf die Budgetierung haben können (Mehr zur Weiterentwicklung der Budgetierung finden Sie hier). Der Initiator für ein BSC-Projekt ist seltener das Controlling als die strategische Unternehmensführung.

CFOworld: Ein zentrales Problem beim Aufbau einer Balanced Scorecard ist es, die richtigen und von allen Beteiligten akzeptierten Kennzahlen zu definieren. Welche Hilfen gibt es hier?

Der Erfolg einer Balanced Scorecard hängt maßgeblich davon ab, dass sie einen klaren Fokus hat. Ziel ist kein ganzheitliches, allumfassendes Kennzahlensystem, sondern die Kombination aller strategie- und erfolgsrelevanten Ziele und Kennzahlen. Weniger ist mehr, sagen schon Kaplan und Norton, dass heißt nach unserer Erfahrung, dass 25 Kennzahlen je Scorecard je Ebene im Unternehmen ein guter Richtwert sind. Zusätzlich muss jede Kennzahl auch messbar sein. Dies wird in der Praxis gern einmal übersehen.

Aufwand von Balanced-Scorecard-Projekten

CFOworld: Wie aufwändig sind BSC-Projekte (Zeit, Kosten, Ressourcen)?

Das hängt vom jeweiligen Projektumfang und Unternehmen ab. Grundsätzlich gilt: Je umfangreicher das Kennzahlensystem und damit die Datenbeschaffung, je umfangreicher beziehungsweise komplexer die Software, desto größer der Projektaufwand und die Projektlaufzeit.
Eine einfache Lösung auf Basis einer speziellen BSC-Anwendung, wie zum Beispiel unsere "ScorePrise", ist schon für einige Tausend Euro in wenigen Projektwochen zu schaffen. Andererseits müssen Sie für Lösungen auf der Basis von SAP in der Regel mindestens zwei Nullen anhängen und von vielen Projektmonaten, wenn nicht von Projektjahren, ausgehen.

CFOworld: Wo sehen Sie die größten Hürden bei der Einführung einer BSC? Im unklaren Mehrwert, der Angst vor Transparenz/Kontrolle, den Entscheidungsstrukturen im Unternehmen?

Die BSC wird in der Praxis oft als theoretisches Instrument von Unternehmensberatern kritisch betrachtet, beziegunsweise von gewissen Gruppen, die kein Interesse an Transparenz im Unternehmen haben, so dargestellt. Im Endeffekt muss sich das Management auf klare Ziele festlegen und wird dadurch angreifbar. Immer, wenn ein Unternehmen oder seine Eigentümer auf Nachhaltigkeit und Wertorientierung Wert legen, ist die BSC ein hervorragendes Instrument, dies zu belegen und im Unternehmen zu verankern.

CFOworld: Lässt sich denn der Erfolg (RoI) einer BSC unmittelbar messen

Alle Komponenten des RoI lassen sich als wichtige Werttreiber in der BSC verankern, sodass seine Entwicklung unmittelbar gemessen werden kann und der Erfolg von Maßnahmen zur Verbesserung des RoI ebenfalls sichtbar wird.

Mit freundlicher Genehmigung der Schwesterpublikation www.cfoworld.de.