Das viel beschworene BusinessIT-Alignment liegt in vielen Unternehmen noch in weiter Ferne. Das hat unterschiedliche Ursachen, die sich jedoch alle auf zwei grundsätzliche Missverständnisse zurückführen lassen. Auf der einen Seite stehen die divergierenden Interessen der vielen Fachabteilungen, auf der anderen Seite die unterschiedlichen Bedürfnisse von IT und Business hinsichtlich der Formalisierung von Geschäftstätigkeiten.
Die Konsequenzen sind bemerkenswert: Der "MIT Sloan Management Review" hat beispielsweise schon vor drei Jahren mit der Studie "Avoiding the Alignment Trap in IT" nachgewiesen, dass eine schlechte Harmonisierung von Business und IT Geld kostet: Schlecht aufgestellte Unternehmen geben hier im Durchschnitt 13 Prozent mehr für die IT aus als die Konkurrenz. Und sie verzeichnen 14 Prozent weniger Umsatzwachstum als besser organisierte Wettbewerber. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Unterschiedliche Interessen auf Abteilungsebene
Jede Fachabteilung - ganz gleich, ob sie für Kern- oder Unterstützungsprozesse zuständig ist - versucht, ihre Aufgaben mit adäquaten organisatorischen und technischen Hilfsmitteln abzuarbeiten. Da die Aufgaben stark voneinander abweichen können, sind auch die Vorstellungen von den richtigen Hilfsmitteln sehr unterschiedlich. Was für die eine Abteilung unabdingbar ist, stellt für die andere einen Fluch oder eine Zeitverschwendung dar.
Die unterstützende IT hat damit ihre Probleme, und dabei spielt es keine Rolle, ob sie dezentral oder zentral organisiert ist: Eine dezentral organisierte IT reflektiert die Unterschiede, indem sie für die einzelnen Bereiche wie Personalwesen, Buchhaltung, Einkauf oder Lagerverwaltung jeweils passende Standardlösungen zur Verfügung stellt. Leider wird dadurch die unterschiedliche Arbeitsweise noch zementiert, was dem Unternehmenserfolg nicht immer zuträglich ist.
Eine zentral organisierte IT hingegen wird versuchen, die Interessen der Fachabteilungen unter einen Hut zu bringen. Sie bietet ihnen also verschiedene Kompromisslösungen an. Dies führt jedoch dazu, dass die Fachabteilungen nicht immer die richtigen Hilfsmittel zur Verfügung haben. In der Folge beschaffen sie sich "Under-the-Table"-Anwendungen, also Lösungen, die an der IT vorbei eingeführt werden. Diese Lösungen basieren in der Regel auf Office-Produkten; sie enthalten zwar unternehmenswichtige Daten, werden jedoch nicht professionell verwaltet.
Fachbereich und IT wollen etwas anderes
Das zweite Strukturproblem bildet die Tatsache, dass IT und Business unterschiedliche Interessen verfolgen, was die Formalisierung der Geschäftstätigkeit betrifft. Jedes IT-Projekt beginnt zunächst mit der Analyse sämtlicher Prozesse der jeweiligen Fachabteilung, um später das bestmögliche Hilfsmittel bereitzustellen. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die Abläufe in einer formalen Sprache erfasst werden. Die wiederum ist notwendig, um die geforderte Anwendung bereitzustellen.
Eine Fachabteilung benötigt diese Formalisierung nicht, da das Personal auf dem entsprechenden Fachgebiet ausgebildet ist und oftmals über jahrelange Erfahrungen verfügt. Dieses implizite Wissen explizit zu formulieren wird als unnötig und unprofessionell empfunden.
Auf Ebene der Geschäftsprozesse wird dieses unterschiedliche Bedürfnis noch deutlicher: Um ein IT-System zu steuern, sind detaillierte Angaben zu jedem Prozessschritt mit den entsprechenden Geschäftsregeln, begleitenden Dokumenten, Vorbedingungen, Nachbedingungen, Ausnahmefällen und anderem erforderlich. Eine Fachabteilung hingegen kann mit einfach skizzierten Prozessen arbeiten, da die involvierten Profis wissen, was zu tun ist. Die unterstützende IT steht so immer vor der Aufgabe, den Fachabteilungen nachzulaufen, um die zwingend notwendige Formalisierung zu erreichen. Für die Fachabteilungen selbst stellt dies meist eine ärgerliche Zusatzbelastung dar.
Was für die einzelne Anwendung und für eine durchgehende Prozessautomation gilt, gilt ebenso auf Unternehmensebene. Eine optimal organisierte IT setzt voraus, dass ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit weitgehend formalisiert hat. Dies ist aber keineswegs immer der Fall.
Was hilft?
Lösungsmöglichkeiten für diese Probleme bieten folgende Ansätze:
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Das strategische Alignment: Das Abgleichen von Business und IT bedeutet, dass die IT-Strategie nicht mehr aus der Geschäftsstrategie abgeleitet wird, sondern dass beide gemeinsam entwickelt werden.
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Das Business-Engineering: Es verbessert das Alignment, indem es die Geschäftstätigkeit formalisiert. Es modelliert die unternehmerische Tätigkeit, um die verschiedenen Aspekte so transparent abzubilden, dass sie den Business-Zielen angepasst werden können und sich möglicherweise daraus neue Geschäftsmodelle entwickeln lassen. So werden beispielsweise Business-Architekturen und Wertschöpfungsketten sowie Informationsmodelle und Geschäftsprozesse erfasst und in logischen Gesamtmodellen dargestellt.
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Das IT-Service-Management (ITSM): Es geht der Frage nach, wie die IT die Fachbereiche unterstützt. Außerdem gilt es, die damit verbundenen Veränderungen (Change-Management) so zu behandeln, dass sie erfolgreich und stabil bleiben.
Das ITSM hat sich einer IDC-Erhebung zufolge in vielen Unternehmen etabliert. Demnach haben 60 Prozent der befragten Unternehmen ITSM-Prozesse im Einsatz. Rund 46 Prozent der Unternehmen behaupten, dass sich ITSM positiv auf den Umsatz auswirkt.
Wer hilft?
Unabhängig davon, mit welchem Werkzeug die Spannungen abgebaut werden, empfiehlt es sich immer, Mechanismen mit einer Brückenfunktion zu schaffen. Beispielsweise lassen sich die Bedürfnisse verschiedener Fachabteilungen so konsolidieren, dass sie dem ganzen Unternehmen dienen. Eine weitere Möglichkeit ist, die Abläufe in den Fachabteilungen so detailliert zu formalisieren, dass sie auch problemlos von der IT abgebildet werden können. Oft hat es sich bewährt, einen Prozess-Manager zu berufen, externe Berater zu beauftragen oder pragmatische Entscheidungswege auf Führungsebene einzuführen. (jha)