Online-Marketing

Suchmaschinen als Freund und Feind

09.04.2008 von Wolfgang Sommergut
Auf der Search Marketing Expo (SMX) in München diskutierten Experten, in welche Richtung sich Suchmaschinen entwickeln werden und welche Chancen sie bei der Vermarktung bieten.

Zwischen Spezialisten für Suchmaschinenoptimierung (SEO) sowie Suchmaschinenmarketing (SEM) und den Betreibern der Suchdienste herrscht ein schwieriges Verhältnis. Einerseits sind beide Parteien aufeinander angewiesen, weil Google, Yahoo & Co. die Plattform für das Geschäft der Online-Marketiers bieten und umgekehrt die Suchkonzerne von den Dienstleistungen der zahlreichen Agenturen profitieren. Andererseits versuchen die Suchdienste die Algorithmen für die Berechnung der Relevanz von Web-Seiten und der Anzeigenpreise geheim zu halten, um unlautere Praktiken abzuwehren. Deshalb herrscht ein ständiges Wettrüsten zwischen beiden Seiten, weil jede möglichst viel für sich herausholen möchte.

Entsprechend sind die Themen für Konferenzen wie die SMX vorgegeben: Welche Trends gibt es bei Suchmaschinen, wie groß ist das Potenzial für Keyword Advertising und allen voran: Wie kann man für möglichst wenig Geld maximale Effekte erzielen?

Joachim Glaubrecht von Google und Andreas Krawczyk von Yahoo waren geladen, um einen Ausblick auf die kommenden Entwicklungen der zwei führenden Anbieter zu geben. Beide schlagen schon seit einiger Zeit einen Kurs in Richtung "Blended Search" ein, bei dem der Besucher nicht nur einen Trefferliste aus passenden Web-Seiten erhält, sondern zusätzlich eine Reihe zusätzlicher Informationen. Die englischsprachigen Sites der beiden Firmen sind in dieser Hinsicht schon weiter gediehen und zeigen, wohin die Reise geht.

Suchmaschinen wollen Besucher halten

Ein wesentliches Anliegen hinter dem Konzept, das Google unter dem Begriff "Universal Search" angekündigt hatte, besteht darin, den Besucher länger auf der Suchseite zu halten. Das soll einerseits dadurch gelingen, dass Ergebnisseiten direkt Antworten auf die Suchanfrage enthalten und den Nutzer nicht mehr auf andere Sites weiterleiten müssen. Der Suchbegriff "Wetter München" führt beispielsweise dazu, dass die Prognose direkt in die Trefferliste eingeblendet wird und das Verzweigen zu einem externen Wetterdienst damit nicht mehr nötig ist. Ähnliches gilt für Reiseverbindungen, Nachrichten und Preisvergleiche, die bei vielen Produktsuchen direkt auf der Ergebnisseite eingeblendet werden. Außerdem können beide Anbieter Multimediainhalte wie beispielsweise Videos direkt abspielen, so dass etwa der Besucher gar nicht zu Youtube wechseln muss, sondern die gefundene Filme an Ort und Stelle konsumieren kann. Google blendet bei Treffern mit zusätzlichen Sitelinks sogar einen weiteren Suchschlitz ein, mit dem gleich die betreffende Website durchsucht werden kann.

Suche in der Suche: Die großen Search Engines möchten Besucher länger auf ihre Seiten halten.

Mit der höheren Verweildauer der Nutzer auf den Suchmaschinenseiten sollen natürlich die Klickraten auf Werbeanzeigen erhöht werden. Problematisch dabei ist, dass diese zahlreichen prominent platzierten Zusatzinformationen in ihrer Mehrzahl nicht das Ergebnis einer Web-weiten Relevanzberechnung sind, sondern zumeist aus den Datenbanken von Kooperationspartnern oder der Suchmaschinenbetreiber selbst entstammen. Wenn die Eingabe von "Berlin Hamburg" an erster Stelle exakt auf die nächste verfügbare Bahnverbindung verweist, dann liegt das an einer Kooperation zwischen der Deutschen Bahn und Google und nicht an einer besonders intelligenten Suchtechnik. Besonders der Portalbetreiber Yahoo möchte die Fülle seiner eigenen Inhalte zukünftig verstärkt in die Suchergebnisse einbetten, seien es Nachrichten, Finanzinformationen oder Antworten aus "Yahoo Clever".

Während die Suchmaschinen auf diese Weise stärker in Konkurrent zu Content-Anbietern treten, möchten sie andererseits den Betreibern von Websites mehr Kontrolle darüber geben, wie Suchmaschinen ihre Seiten erfassen und präsentieren. Wichtige Schritte in diese Richtung waren in der Vergangenheit die Einführung des Attributs rel="nofollow" und der Sitemap durch Google. Yahoo definierte vor einiger auf XHTML basierendes Microformat, mit dem Site-Inhaber bestimmen können, wie sie in den Ergebnislisten präsentiert werden möchten. Es soll in den nächsten Wochen von der Suchmaschine berücksichtigt werden.

Linktausch und Bieterspiele

Während Blended Search die Suchmaschinen zunehmend in Gegensatz zu Content-Sites bringt, herrscht zwischen ihnen und SEO- sowie SEM-Spezialisten schon ein älterer Interessenskonflikt. Letztere wollen die Seiten ihrer Kunden mit beinahe jedem Mittel nach vorne bringen, währen Google, Yahoo & Co. Im Interesse ihrer Nutzer darauf achten müssen, dass sie relevante Suchergebnisse präsentieren.

Nachdem Google vor einiger Zeit massiv gegen den kommerziellen Linktausch vorging und Sites abstrafte, die sich Verweise auf andere Websites bezahlen ließen, beschäftigt sich die Optimiererszene nun mit alternativen Techniken, um zu eingehenden Links auf die Seiten ihrer Auftraggeber zu kommen. Sie sind schließlich das A und O um die Relevanz von Web-Inhalten bei den Suchmaschinen zu steigern.

Der Tenor mehrerer Veranstaltungen lautete, dass man Linktausch auch weiterhin praktizieren solle, aber dabei subtiler und intelligenter vorgehen müsse. So empfehle es sich, Verweise innerhalb eines Textes zu kaufen und nicht in abgesetzten Link-Blöcken, deren Zweck Google leicht erkennen könne. Abzuraten sei außerdem von reziproken Verweisen, wo Site A auf B verweist und B auf A. Besser sei eine transitive Linkstruktur über eine Zwischenstation, die eine Kooperation verschleiern kann.

Das soziale Web als Link-Lieferant

Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten mit lange üblichen SEO-Praktiken versuchen Optimierer nun Möglichkeiten des Web 2.0 zu nutzen, um die Gunst von Google zu gewinnen. Angelehnt an die in den USA aufkommende Social Media Optimization (SMO) gab Marcus Tandler von Creativity in Action gab einige Tipps, wie man Social Media Sites (Digg, StumbleUpon, Reddit) instrumentalisieren kann, um zu den begehrten Links zu kommen.

In diese Kategorie fällt auch das so genannte Link Baiting, das sich in der SEO-Szene derzeit großer Beliebtheit erfreut. Das Ködern von Web-Autoren soll nicht einfach durch gute Inhalte gelingen, sondern durch möglichst spektakuläre und Sensation heischende Aktivitäten. Sie scheinen geeignet, um die gewünschten viralen Effekte zu provozieren und Online-Autoren zu bewegen, auf die entsprechenden Seiten zu verweisen. Als probates Mittel stellte der Holländer Joost de Valk die Entwicklung von kostenlosen Plugins für die Blog-Software "Wordpress" vor, was zahlreiche Referenzen von Bloggern einbringe.

Intransparente Anzeigenpreise

Google, Yahoo & Co präsentieren sich nicht nur gegenüber all jenen als Black Box, die Einblick in die Funktionsweise ihrer Relevanzberechnung erhalten möchten. Das Gleiche gilt auch gegenüber ihren Werbekunden, die sich mehr Transparenz hinsichtlich der Anzeigenpreise wünschen.

Im Rahmen des Auktionsmodells ist keineswegs nur ausschlaggebend, wie viel ein "Adwords"-Kunde für eine Position seines Werbemittels bezahlen will. Seit der Einführung eines Qualitätsfaktors durch Google, dessen Kalkulation nicht offengelegt wurde, kann ein Bieter für weniger Geld besser platziert sein als sein Konkurrent, der mehr ausgeben möchte. Für die Ermittlung des Quality Score zieht Google nicht nur den Anzeigentext heran, sondern auch die Landing Page des Werbetreibenden.

SEM-Spezialisten versuchen nun anhand zahlreicher Daten hinter die Kulissen zu schauen und Google auf die Schliche zu kommen. Für sie geht es darum, erfolgreiche Kampagnen für ihre Kunden zu organisieren, und bei möglichst geringen Kosten große Effekte zu erzielen. Dabei steht häufig nicht nur die Geheimniskrämerei von Google im Weg, sondern die Konkurrenz durch SEM-Rivalen.

Einen Einblick in die herrschenden Praktiken gab dabei der Kanadier Richard Zwicky. Er führte im Detail aus, wie man einen Wettbewerber bekämpft, der trotz hoher eigener Ausgaben regelmäßig die besseren Werbeplätze belegt. Die Kunst bestehe darin, aus einer Kombination von wenig attraktiven Anzeigen und hohen Geboten die Kosten für den Konkurrenten in die Höhe zu treiben und dessen Budget zu erschöpfen. Allerdings warnte er davor, dass der Gegner die gleiche Technik nutzen und der Wettlauf kostspielig werden könne. Dieser Hinweis lässt sich indes auf viele der Tipps übertragen, die auf de SMX kolportiert wurden: Sie werden weitgehend wirkungslos, wenn sie alle anwenden - und das Web als Ganzes gewinnt dadurch sicher nicht.