Der Weg zur ERP-Auswahl

Technik ist zweitrangig

27.10.2010 von Frank Naujoks
Wichtig für die ERP-Implementierung sind Projektorganisation und Change-Management.
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Alle acht bis zwölf Jahre stehen Unternehmen vor der Frage, was sie mit ihrer momentanen ERP-Anwendung machen sollen: Großes Upgrade, eine andere Software oder einfach alles so lassen, wie es ist? Wer sich für einen Anbieterwechsel entscheidet, steht zwangsläufig vor den Fragen: Welcher Hersteller ist der richtige?

In der ERP-Zufriedenheitsstudie des Züricher Marktforschungs- und Beratungshauses i2s fällen die Anwender ein klares Urteil: Am zufriedensten sind die Unternehmen mit kleinen, lokalen Softwareanbietern. Interessant ist, dass sich in den letzten fünf Studien nie ein Zusammenhang zwischen der Modernität des Systems und der Zufriedenheit der Anwender ergeben hat. Technik allein macht ERP-Nutzer nicht glücklich. Die zugrunde liegende Technik kann also nur eine erste Orientierung bei der Produktauswahl bieten. Bei der Entscheidung für das richtige ERP-System sind dagegen immer häufiger die projektorganisatorischen sowie vertraglichen Rahmenbedingungen wichtig.

Vorauswahl mit zwölf Anbietern

In einem Evaluations- und Auswahlprojekt ist es notwendig, in einem ersten Schritt eine Gruppe von Systemen zu ermitteln, die den Anforderungen des Kunden unter funktionalen Aspekten am besten entsprechen (Best Fit). Angesichts der großen Auswahl gibt es erfahrungsgemäß für jedes Unternehmen mehrere Systeme, die sich eignen würden. Zur Vorauswahl sollten Anwender zehn bis zwölf Anbieter einladen, ein erstes Richtangebot abzugeben, Branchenreferenzen einzureichen und einen Katalog von Fragen nach kritischen Kernanforderungen zu beantworten.

Feinauswahl mit sechs Lösungen

Üblicherweise gelangen sechs Anbieter in die Feinauswahl. Sie sollten in einem halbtägigen Workshop die möglichen Prozesse in ihrem System grob vorstellen. Die Erkenntnisse aus diesem Workshop und die Beantwortung der funktionalen Fragen sollten die Hersteller in ein verbindliches Angebot einfließen lassen. Auch für den Anwender ist der Workshop ein wichtiges Instrument.

Auswahl zwischen zwei Anbietern

Die Erkenntnisse aus den Präsentationen und den Gesprächen mit Referenzkunden sind Basis für die Wahl von zwei Lösungen, zwischen denen die Entscheidung fallen sollte. In der Endauswahl werden mit den beiden verbliebenen Anbietern in einem zwei- bis dreitägigen Workshop alle wichtigen und kritischen Prozesse detailliert beleuchtet und analysiert. Danach sollten Anwender das finale Angebot des Herstellers bewerten können.

Den Projekterfolg erschwert manchmal die fortschreitende Akademisierung der ERP-Welt. Während Berater früher häufig aus der Praxis kamen und sich über die Arbeitsvorbereitung und das Controlling in die ERP-Welt eingearbeitet hatten, führt der Standardweg heute über die Hochschule, so dass die Praxis auf der Strecke bleibt. Anwender sollten auf eine ausreichende praktische Erfahrung der Projektberater achten. Diese lässt sich im Vorfeld abklären und auch in groben Kriterien vertraglich fixieren. Entscheidend für den Erfolg von ERP-Projekten ist die Qualität der angebotenen Dienstleistungen. Dabei schneiden in aller Regel regionale Anbieter besser als die "Global Player" ab. Wichtig sind an erster Stelle kommunikative Kompetenz und eine gute Kundenbetreuung. (jha)

Schritt für Schritt zur ERP-Auswahl

Schritt

Ziel

Mögliche Informationsquellen

Best Fit

Suche von mehreren Systemen (mindestens zwei), die die funktionalen und prozessualen Anforderungen des Unternehmens erfüllen.

- Interne Anforderungserhebung. - Produktvergleiche - Präsentationen der Anbieter. - Ergänzende Konzeptpapiere.

Best Practice

Auswahl eines Partners, der mit großer Wahrscheinlichkeit das Projekt umsetzen kann.

- Eigene projektorganisatorische Fähigkeiten. - Referenzbesuche. - Diskussion mit Anbietern. - Erfahrungen aus Workshops.

Total Costs/Return on Investment

Überprüfung der Startinvestitionen und der laufenden Betriebskosten auf ihre Wirtschaftlichkeit.

- Detailliertes Angebot des Anbieters. - Referenzangaben zu Betriebskosten und -aufwand. - Gegenüberstellung mit eigenen Einsparpotenzialen.