Business Intelligence

TUI betreibt Data Analytics in der Private Cloud

30.04.2015 von Daniela Hoffmann
Der Reiseveranstalter TUI Deutschland GmbH hat seine BI-Landschaft in eine Private Cloud überführt, die vom hauseigenen IT-Dienstleister TUI Infotec GmbH gehostet wird. Das Enterprise Data Warehouse mit Flash-Speicher ist bis zu siebenmal schneller als die Vorgängerlösung.
  • TUI hat sein Business-Intelligence-System auf Cognos-Basis in Richtung Cloud umgebaut und setzt jetzt Cognos Version 10 ein.
  • Das neue BI-System ist seit Ende August 2014 in Betrieb, das dahinterliegende Speicherkonzept "All Flash Array" seit Dezember 2014.

Schon der englische Schriftsteller Oscar Wilde stellte fest: "Reisen veredelt den Geist und räumt mit unseren Vorurteilen auf." Ein Anspruch, dem sich der deutsche Touristik-Marktführer stellen muss. Das Business-Intelligence-(BI-)System auf Grundlage von Cognos-Software ist das zentrale "Gehirn" für etliche Geschäftsentscheidungen und bildet die Basis für das gesamte Controlling der TUI Deutschland.

Ein Beispiel: Das Management-System für die Flugsteuerung wird regelmäßig mit BI-Daten gefüttert. Sämtliche für das Flugangebot relevanten Informationen zu Auslastung, Kapazitäten, Flugrouten, eingekauften Plätzen anderer Veranstalter und Vergleichspreisen bilden die Grundlage für die Preisgestaltung - so können Plätze im Flugzeug je nach Kontext günstiger oder teurer angeboten werden.

Bei TUI spielen Business Intelligence und Data Analytics eine bedeutende Rolle - beispielsweise im Ablauf des Flugverkehrs.
Foto: TUIFly

"In unserer Core-BI-Landschaft werden zur Zeit 120 Datenwürfel erzeugt", berichtet Stefan Grossmann, Auftraggeber des Projekts und BI-Leiter bei TUI Deutschland. "Innerhalb dieser Cubes können sich die Anwender frei in den Daten bewegen. Das reicht quer durch die touristische Wertschöpfungskette - angefangen von der Belegung der Unterkünfte über die Buchungsdaten bis hin zur Performance von Reisebüros." Beispielsweise versorge das BI-System rund 10.000 Reisebüros jeden Montag mit einer Provisionsübersicht für TUI; das sind wichtige Zahlen, um den Verkauf zu steuern.

Gegen Stau auf dem Daten-Highway

Für den Geschäftserfolg im hart umkämpften Reisemarkt sind die analytischen Tools essenziell und werden folglich viel genutzt. Weil das Touristik-Business zyklisch verläuft, kommt es vor allem auf Vorjahresvergleiche an: In den Eingangsstatistiken zeigen zum Beispiel Menge, Umsatz und Deckungsbeitrag an, wie das Geschäft auf Wochenbasis aktuell läuft - in Entsprechung dazu werden zeitnah die Flugpreise angepasst oder Nachverhandlungen mit den Hotelpartnern geführt.

Überschneidungen verursachten Engpässe

Vor einigen Jahren war TUI auf die Cognos-Version 8 umgestiegen. Dazu wählte man zunächst ein Setting von Windows-Servern. Danach ließen sich für die unterschiedlichen Zugriffsarten und Lastprofile die Services nicht mehr befriedigend den Ressourcen zuordnen. Die Folge: Es kam häufig zu Engpässen, vor allem wenn sich die interaktiven User-Abfragen in der Woche und das Erzeugen der Würfel, das vor allem am Wochenende stattfindet, überschnitten.

Den Datenfluss aufrecht zu erhalten war für die IT bei TUI nicht immer ein leichtes Unterfangen.
Foto: agsandrew_shutterstock.com

Teilweise brachen am Wochenende die automatisierten Prozesse ab und mussten dann an Werktagen wieder angestoßen werden. Das aber ging auf Kosten der Nutzer, die deutlich länger auf ihre Berichte warten mussten und dabei nicht immer auf die fertigen Daten zugreifen konnten.

Welche Cloud passt am besten?

"Die Wahl bestand darin, entweder die Server-Landschaft besonders großzügig auszulegen und damit Ressourcen zu verschenken - oder aber flexibler zu werden", erinnert sich Stefan Grossmann. Der Reisekonzern entschied sich für eine neue Herangehensweise.

Anfang 2013 war die Idee aufgekommen, eine Cloud-Lösung einzusetzen. In der Evaluierung der möglichen Cloud-Modelle ging TUI gründlich vor. Grossmann: "Wir haben uns verschiedene Varianten und mehrere IT-Dienstleister angeschaut. Es ging uns darum, die Modelle zu verstehen und zu bewerten." Am Ende entschieden sich die Reisespezialisten, eine Private Cloud des internen IT-Dienstleisters TUI Infotec GmbH zu nutzen, wobei die Menge der Services in einem bestimmten Rahmen frei skalierbar war.

Seit 2013 setzt TUI auf die Cloud. Die Wahl fiel dabei auf eine Private-Cloud-Lösung von TUI Infotec.
Foto: Filipe Frazao_shutterstock.com

Das Cloud-Modell wurde gemeinsam mit den Fachabteilungen getestet, um die Effekte einschätzen zu können. Beispiele und Testreihen wurden von den Fachbereichen beigesteuert. Ausschlaggebendes Kriterium war zudem das Thema Datensicherheit. "Für TUI Infotec sprach der Cloud-Standort in Deutschland. Datenhaltung nach deutschem Datenschutzrecht, das ließ sich mit anderen Anbietern nicht so einfach realisieren", erinnert sich der BI-Leiter.

Wie wird die Anwendung Cloud-fähig?

Mit dem Wechsel der Infrastruktur verbunden war ein Upgrade auf die Cognos-Version 10. Zunächst wurde ein Konzept erarbeitet, um die Anwendung überhaupt Cloud-fähig zu machen. Es ging zum Beispiel um die Frage: Welche Services und Schnittstellen werden benötigt, um das System flexibel betreiben zu können? Auch die Prozesssteuerung der Würfelerzeugung stand auf dem Plan. Dafür zog TUI Infotec die Job-Scheduling-Lösung UC4 heran. Für das Ansteuern der Server bei der Verteilung der Batch-Jobs wurde eine individuelle Lösung entwickelt. Bis zu 25 virtuelle Server mit unterschiedlichen Services, Batch-Prozessen und interaktiven Zugriffen sind im Einsatz.

Implementierung und Umstellung waren nach einem halben Jahr, also Ende August 2014, erledigt. Zwei Wochen lang wurden beide Lösungen parallel betrieben, bevor die Cloud-Lösung endgültig in den Produktivmodus ging. Seitdem lassen sich problemlos mehrere tausend Berichte für die etwa 1000 Nutzer erstellen.

IDC über den Markt für Private Cloud und Hosted Private Cloud in Deutschland
Entwicklung der Cloud-Modelle in Deutschland
In dem Report „Der Private & Hosted Private Cloud Markt in Deutschland, 2013-2018“ untersucht IDC die Entwicklung der Cloud-Modelle in Deutschland. Die Studie basiert auf Angaben von rund 200 Unternehmen, die die Cloud-Nutzung zumindest erwägen.
Private Cloud vorn
Wer sich für die Cloud entscheidet, setzt meist auf eine Private Cloud. IDC-Analyst Matthias Kraus führt das vor allem auf Sicherheitsüberlegungen zurück.
Marktanteile
Das Marktvolumen für den Aufbau von Private Clouds betrug 2013 in Deutschland mehr als 700 Millionen Euro. Das Geld floss zu 42 Prozent in Services, 37 Prozent in Hardware und 22 Prozent in Software.
CIOs im Regen
Wer letztlich die Entscheidung über den Weg in die Cloud trifft, ist für Kraus ein Indikator der jeweiligen Firmenkultur. Eines steht seiner Beobachtung nach fest: Geschäftsführung und Fachabteilungen üben immer mehr Druck aus auf den IT-Entscheider. Sie blicken nach wie vor auf die Kosten und fordern gleichzeitig, dass die IT Geschäftsprozesse flexibel unterstützt und Business-Innovationen vorantreibt.
Matthias Kraus, Research Analyst bei IDC
IDC-Analyst Matthias Kraus erwartet, dass sich immer mehr Unternehmen für einen Mix verschiedener Cloud-Modelle öffnen. Steht das Rechenzentrum eines Anbieters in Deutschland, gilt hiesiges Vertragsrecht. Das beruhige auch das subjektive Sicherheitsgefühl, so Kraus.

Schneller, kleiner, günstiger: Flash-Speicher

Und noch etwas wurde modernisiert: Im Hintergrund, ohne dass die User etwas davon mitbekamen, stellte der IT-Dienstleister das Speicherkonzept für die BI-Daten auf den Kopf. Immerhin laufen in der Batch-Verarbeitung gut 8.000 Prozesse pro Tag, etwa drei bis fünf Terabyte fließen täglich durch das System.

Es hatte sich schon gut ein Jahr zuvor abgezeichnet, dass langfristig Speicherplatzprobleme entstehen würden: Das in die Jahre gekommene Storage-System DS5300 von IBM, auf dem das Enterprise Data Warehouse lagerte, war nicht mehr ausbaufähig; Platz- und vor allem Strombedarf widerprachen modernen Kriterien.

Hohe Random-I/O-Last

Im Rahmen eines Rechenzentrums-Umzugs testete TUI Infotec mit dem Storage-Anbieter Violin einen neuen Speicher: Das "All Flash Array" funktioniert wie ein riesiger USB-Stick und verzichtet auf drehende Festplatten. Die fünf Power-6-Server und das Storage-System von IBM mit 200 Festplatten und 20 Terabyte Datenvolumen wurden für den Umzug als Backup auf den Flash-Speicher gespiegelt, der dann am neuen Standort angeschlossen und direkt in Betrieb genommen wurde.

Die positiven Erfahrungen spornten den Dienstleister und die TUI-Spezialisten an, Flash-Speicher als permanente Lösung weiterzuentwickeln. Der Touristikkonzern hat eine hohe Last an Random I/O (Lese- und Schreibzugriff nach dem Zufallsprinzip, nicht in zusammenhängenden Datenblöcken auf der Festplatte). Gerade für solche Anforderungen eignen sich Flash-Speicher mit ihren kurzen Antwortzeiten besonders gut. Bei den drehenden Platten wären viel mehr Spindelköpfe nötig, um der Aufgabe gerecht zu werden: Neben höheren Investitionen in die Hardware hätte sich das auch im größeren Stromverbrauch bemerkbar gemacht.

Im Dezember 2014 ging die neue Konfiguration mit dem doppelten Speichervolumen in den Live-Betrieb - die Anwender spürten nichts von der Veränderung. Heute kommt mit dem Power8-Server die neueste Server-Generation von IBM zum Einsatz, ergänzt durch das Violin-System 6264. Der Halbleiterspeicher hat derzeit 60 TB Rohkapazität, 40 TB sind es netto. Mit 400.000 In- und Output-Operationen pro Sekunde ist die Lösung deutlich schneller als zuvor, und mit dem neu gewonnenen Platz kann die TUI-BI in den nächsten Jahren nach Herzenslust Daten generieren.

Durch die Beschaffung ergeben sich zunächst höhere Kosten pro Terabyte. Weil aber die TUI nur das an Speicherplatz einkaufen muss was sie wirklich benötigt, zahlt sich die neue Lösung dennoch aus. Auch bei den Energiekosten wird gespart: Brauchte das alte Storage-System 2400 Watt, so sind es beim Flash-Speicher nur 1500. Die neue Lösung ist zudem verlässlicher: Engpässe gehören der Vergangenheit an, weil Lastspitzen abgedeckt sind.

Feilen, bis es passt

Die User honorieren das neue System mit deutlich besserem Feedback. "TUI Infotec hat so lange an den technischen Nuancen und am von uns vorgegebenen Budgetrahmen gefeilt, bis es perfekt gepasst hat", erläutert Grossmann: "Dazu gehörte beispielsweise die Wiederverwendbarkeit von Altkomponenten in Testumgebungen." Man habe dabei auch von den kurzen Wegen bei TUI Infotec profitiert: "Durch die aufeinander abgestimmten Prozesse und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit können wir uns darauf verlassen, dass im laufenden Betrieb bei Incidents und Changes sofort reagiert wird."

Fazit

Mit dem "Refreshment" der Hardware sowie dem Release- und Infrastrukturwechsel auf Cognos 10 in der Cloud hat sich die BI bei TUI erheblich beschleunigt. "Wir konnten eine Performance-Verbesserung um den Faktor zwei verzeichnen, in einigen Bereichen sogar um den Faktor sieben, beispielsweise bei ETL-Prozessen der Queries", bestätigt Projekt-Owner Stefan Grossmann. Früher war die Tagesproduktion aus dem BI-System um die Mittagszeit bis 15.00 Uhr fertig, heute stehen täglich alle Daten ab 7.00 Uhr bereit. "Die BI-Cubes wurden zuvor am Wochenende bis in den späten Abend hinein produziert. Jetzt sind wir bis zur besten Fußballzeit um 15 Uhr am Samstag fertig, und die Wochenendbereitschaften brauchen sonntags nicht mehr zu arbeiten", so der BI-Leiter.

Projektsteckbrief

Branche: Touristik (Dienstleister)

Projektart: Umstellung der BI-Umgebung inklusive Hardwareerneuerung, Einführung von Flash-Speicher und Umzug in eine Private Cloud

Ziel: generelle Beschleunigung; Beseitigen von Engpässen

Erfolg: doppelte bis siebenfache Geschwindigkeit

Produkte: BI-Software von Cognos; Flash-Speicher von Violin; Job-Scheduling mit UC4

Involvierter Dienstleister: TUI Infotec

Ansprechpartner: Stefan Grossmann, TUI

Die TUI in Zahlen

Zur Konzernmutter TUI Group in Hannover gehören neben Veranstaltern wie L`tur oder 1-2-Fly auch 1800 Reisebüros, Online-Portale, sechs Airlines mit mehr als 130 Flugzeugen, über 300 Hotels mit 210.000 Betten, zwölf Kreuzfahrtschiffe sowie Zielgebietsagenturen in allen wichtigen Urlaubsländern rund um den Globus. Mit rund 77.000 Mitarbeitern und mehr als 30 Millionen Kunden weltweit erwirtschaftete der Konzern im Geschäftsjahr 2013/14 einen Umsatz von 18,7 Milliarden Euro.

Storage-Trends 2015 - Das sagen die Hersteller
Ralf Colbus, Leading Storage Professional, IBM Deutschland
"Flash ist weiter auf dem Vormarsch. Die klassische 15k-rpm-Disk könnte im Lauf des nächsten Jahres langsam aussterben. Ein weiterer Trend sind SDEs (Software Defined Environments), in denen ganze Rechenzentren anhand wiederverwendbarer Richtlinien gesteuert werden."
Stefan Roth, Manager Sales Competence Center, Fujitsu
"Ein weiterer Schwerpunkt wird die Ausrichtung der Storage-Systeme an den Geschäftsprioritäten sein. Auf diesem Gebiet gibt es noch viel Nachholbedarf."
Dr. Stefan Radtke, CTO Isilon Storage Division, EMC Deutschland
"Einerseits sind das die hybriden Storage-Lösungen. Hier gibt es gerade beim Bereich Management noch einiges zu optimieren, um die Grenzen zwischen lokalem und Cloud-Storage noch transparenter zu machen."
Vincenzo Matteo, Disk Product Management Director, Oracle
"Archivierung wird immer wichtiger. Zunächst wurde die Dringlichkeit dieses Feldes nur von ganz spezifischen Kundengruppen, die von Grund auf großen Datenmengen verwalten, wie etwa Rundfunkanstalten oder Unternehmen im Gesundheitswesen, erkannt."
Hans Schramm, Field Product Manager Enterprise, Dell
"Der Trend geht in Richtung flexibler, modularer Speichersysteme. Auch Software Defined Storage sowie in der erweiterten Form das Software Defined Datacenter – und damit die Hyperconverged-Lösungen – spielen 2015 eine wichtige Rolle."
Dr. Georgios Rimikis, Senior Manager Solutions Strategy, HDS
"Im Bereich Infrastruktur wird der Schwerpunkt auf Speichervirtualisierung liegen – und zwar auf weltweiter Ebene. Unternehmen erhalten so einen einzigen Speicher-Pool, der sich über mehrere physische Speichersysteme an verschiedenen Orten erstreckt."
Guido Klenner, Business Unit Manager Storage, Hewlett-Packard
"Die Verflechtung von IT und industriellen Prozessen wird 2015 weiter zunehmen. Für den Storage-Bereich bedeutet das Voranschreiten der Industrie 4.0 einen Zuwachs von Maschinendaten, darunter auch aus dem Internet of Things."
Johannes Wagmüller, Director Systems Engineering, NetApp
"In Zukunft werden wir in den Rechenzentren immer häufiger einen Mix aus On-Premise-, Private- und Public Cloud-Umgebungen sehen, weil sich so viele Unternehmensanforderungen am schnellsten und effektivsten adressieren lassen."