Manager allein im Büro

Überleben ohne Sekretärin

04.02.2010 von Judith-Maria Gillies
Heute müssen viele IT-Manager ohne Assistenz auskommen - und entdecken neue Talente an sich. Ein Do-it-yourself-Ratgeber in Zeiten von Lean Management.

Termine koordinieren, Geschäftsreisen buchen, Präsentationen zusammenstellen: Das alles fällt in den Aufgabenbereich von Henning Wolf. Der 39-Jährige arbeitet nicht im Sekretariat. Wolf ist Geschäftsführer der it-agile GmbH in Hamburg. Die Sekretariatsarbeiten gehören dennoch zu seiner Tätigkeit. Denn in der gesamten Firma stehen gerade einmal zwei Sekretärinnen für 160 Mitarbeiter zur Verfügung. "Das reicht", sagt der Diplominformatiker. "Ich habe immer ohne Sekretärin gearbeitet. Und es fehlt mir auch keine."

(Foto: Triumph Adler)
Foto: Triumph Adler

Selbst ist der Mann. So wie Henning Wolf müssen immer mehr IT-Manager ohne rechte Hand auskommen. Lean Management, Umstrukturierungen und Hierarchieabbau haben auch vor den Vorzimmern nicht haltgemacht. In Großunternehmen sind die Stellen der Kolleginnen gestrichen oder stark verringert worden, Mittelständler verzichten auf die traditionelle Assistenz. Rund 169.000 Bürofachkräfte waren im Oktober 2009 arbeitslos gemeldet - sechs Prozent mehr als im Vorjahr.

Die leeren Sekretariate der IT-Firmen haben weitreichende Folgen. Neben ihrer fachlichen Arbeit müssen Computerexperten viel Organisations- und Schreibkram selbst erledigen: Termine managen, Veranstaltungen organisieren, Meeting-Räume buchen, Reisekosten abrechnen, Besucher empfangen, Rechnungsanweisungen schreiben. IT-Kräfte im Multitasking-Fieber.

"Viele Manager merken erst, was sie an ihrer Sekretärin hatten, wenn sie weg ist", sagt Fachbuchautorin Karina Matejcek ("Überleben ohne Sekretärin"). "Dann müssen sie sich eingestehen, dass sie vom Office-Management häufig weniger wissen, als sie dachten."

Trend zur geteilten Sekretärin

Tim Marbach ist einer von ihnen. Als Mitgründer und Ko-Geschäftsführer der Juno Internet GmbH mit der Website kaufDA.de verzichtete er anfangs ganz auf ein Sekretariat. Die Folge: "An manchen Tagen haben drei Leute unabhängig voneinander einen Brief zur Post gebracht. Oder wir hatten durch Doppelbestellungen plötzlich 50.000 Blatt Druckerpapier", erinnert sich der Unternehmensgründer.

Jungunternehmer Tim Marbach merkte erst nach einigen Pannen, dass es ganz ohne Sekretärin nicht geht.

Heute setzt Juno Internet mit 22 Mitarbeitern auf eine "Arbeitsteilung zwischen elektronischer Assistenz durch SaaS-Lösungen und einer Assistentin aus Fleisch und Blut". Alles, was geht, erledigen die Mitarbeiter elektronisch: File Sharing, Geschäftsreisen buchen, Besprechungszimmer reservieren, Termine koordinieren, Wissens- sowie Kundenbeziehungs-Management. Den Rest übernimmt die Kollegin.

Für viele IT-Führungskräfte ist das Do-it-yourself-Prinzip in Sachen Organisation kein Problem. Uwe Toedter von IBM ist einer von ihnen. Der für den Mittelstandsvertrieb verantwortliche Direktor der Softwaresparte schwört auf Multitasking. Wenn in Fachtelefonaten plötzlich Fragen auftreten, braucht er keine Sekretärin, die die Antwort recherchiert. Stattdessen gibt er die Frage per Instant Messaging direkt an Fachkollegen weiter und bekommt oft noch während des Telefonats Klarheit. "So gewinnt man wertvolle Arbeitszeit", ist Toedter überzeugt. Der 42-Jährige weiß, wovon er spricht. Früher hatte er eine eigene Sekretärin im Vorzimmer. Heute erledigt er vieles selber - aber nicht alles. Mit zwei anderen Führungskräften teilt er sich eine Assistentin.

überleben ohne Sekretärin
Nicht alles auf einmal:
Ab jetzt haben Sie zwei Jobs. Ihren regulären und den einer Teilzeitsekretärin. Versuchen Sie aber nicht, beide gleichzeitig zu machen. Da wäre Multitasking fehl am Platz. Routinearbeiten wie Reisekostenabrechnungen sollten Sie Ihrem Biorhythmus anpassen. Dann vergeuden Sie nicht unnütz die produktivste Tageszeit für solche Aufgaben. (Foto: Laurent Hamels/Fotolia.com)
Hilfe suchen:
Die Technik ist Ihr Freund. Bei manchen Arbeiten hilft Office-Software. Programme gibt es Tausende - von Share- und Freeware bis Microsoft und Lexware. Finden Sie heraus, welches Programm Ihrem Anliegen am besten weiterhilft. Die paar Stunden Recherche zahlen sich schnell aus.
Nobody is perfect
Das gilt auch für Sie - und für die Sekretärin in Ihnen ebenfalls! Also verabschieden Sie sich von Ihrem Perfektionismus, der Sie ansonsten in Ihrem Job auszeichnet. Eine perfekte Sekretärin werden Sie nie sein - dafür aber eine mit allerbesten IT-Kenntnissen! (Foto: Diego Cervo/Fotolia.com)

Ein typischer Fall im Management, wie Claudia Hovermann von der Akademie für Sekretariat und Büro-Management weiß. "Der Trend geht zur geteilten Sekretärin", so die Trainerin. Eine Dame für 15 bis 20 Mitarbeiter sei keine Seltenheit. Im Extremfall seien sogar 50 bis 60 Leute zu betreuen. Da müssen die Zuständigkeiten geregelt sein. "Sonst weiß kein Mitarbeiter, was er machen muss und was die Sekretärin übernimmt", warnt Hovermann.

Das Sekretariat ist keine zweite Teeküche!

Claudia Hovermann: "Wer es sich leisten kann, hat keinen Blackberry, sondern eine Sekretärin."

Sie weist auf wichtige Verhaltensregeln hin. Regel Nummer eins: "Das Sekretariat ist keine zweite Teeküche!" Die Störzeiten dort sollten dringend beschränkt werden. "Statt mit jeder Anfrage in der Tür zu stehen, ist es oft besser, eine Mail zu schicken." Zudem sollte auch klar sein, zu welchen Zeiten man sich Büromaterial abholt. Außerdem hilft es, die Bürotechnik wie Fax oder Drucker in den Flur auszulagern. Und für Kollegen, die im Sekretariat ihre Briefe aus dem Postkorb fischen wollen, hat Hovermann einen klaren Ratschlag parat: "Post abholen, Klappe halten, gehen. Jedes Gespräch lenkt die Sekretärin von der Arbeit ab."

Ob für sich allein oder geteilt: So ganz ohne Sekretärin geht es meist nicht. Damit hat auch Niels Behrendt so seine Erfahrungen gemacht. Der Geschäftsführer der b.it Dienstleistungen in Cremlingen-Weddel bei Braunschweig betraute einst Praktikantinnen mit der Sekretariatsarbeit. Vergebens. "Es geht nicht allein darum, die Arbeiten zu erledigen. Wir als reiner Männerverein brauchen jemanden, der den Laden wie eine Klammer zusammenhält", sagt der Firmenchef. Und: "Ohne Sekretärin bleibt einfach viel zu viel liegen." Abrechnungen etwa. Oder die Zeiterfassung. Oder die Terminverwaltung: "Darum kümmert sich jetzt mein Programmierer, wofür er überhaupt nicht der Typ ist." Behrendt ist überzeugt: "Eine gute Sekretärin ist wie ein Volltreffer im Lotto."

Knigge für Multitasking-Manager

Diesen Jackpot knacken derzeit jedoch immer weniger Manager. Dennoch gibt es auch für sie Hilfe. Sekretariatsservices wie ebuero, Topbuero oder FastTalk bieten Büroleistungen wie Telefondienst, Diktatservice oder Postannahme an. Zusätzlich macht auch Office-Software von Freeware bis zu Microsoft oder Lexware das Leben ohne Sekretärin leichter.

Wer dennoch die Sache selbst in die Hand nehmen will, sollte den Knigge für Multitasking-Manager kennen. "Es bringt nichts, auf dem hohen Ross zu sitzen und die Arbeit einer Sekretärin als unterqualifiziert abzutun", warnt Fachbuchautorin Matejcek. "Manager tun sich selbst einen Gefallen, wenn sie bei der Erledigung von Sekretariatsaufgaben nicht das Gefühl haben, die lägen unter ihrer Würde." Schließlich kann man sich nicht früh genug an die neue Zusatzarbeit gewöhnen. Zwar werden Manager auf Geschäftsleiterebene auch künftig Sekretärinnen beschäftigen dürfen, schätzt Expertin Hovermann. "Aber auf den unteren Ebenen entwickelt sich eine Sekretärin zunehmend zum Statussymbol", so Hovermann. "Wer es sich leisten kann, hat keinen Blackberry, sondern eine Sekretärin."

Es war einmal
Es gab einmal ...
... Zeiten, in denen jeder Chef eine oder gar mehrere Sekretärinnen hatte, die ihm jeden Wunsch von den Lippen ablasen.
Selbst ist der Chef ...
... heißt es heute immer öfters. Für das Fachblatt "Gabriele - Die perfekte Sekretärin" war die Vorstellung vom Chef an der Schreibmaschine 1956 freilich nur ein Witz und undenkbar.
Vor 50 Jahren war der Chef der unangefochtene Herrscher ...
... Heute haben manche Führungskräfte ihre Not, sich selbst, ihre Termine und den "ganzen Schreibskrams" selbst zu organisieren.
Die perfekte Sekretärin war früher schon flexibel ...
... heute müssen das auch viele Chefs sein, wenn sie Führungs- und Assistenzaufgaben unter einen Hut bringen müssen.
Zwei Sekretärinnen ...
... hatte früher oft ein Chef. Heute gibt es IT-Firmen, in denen sich 160 Mitarbeiter zwei Assistentinnen teilen müssen.
Tippex und Durchschlagpapier ...
... waren in den 70er Jahren unersetzliche Begleiter im Büro. Heute versuchen Firmen Sekretariate durch Office-Software zu ersetzen, was nicht immer klappt.
Eine perfekte Sekretärin ...
... wird ein IT-Manager nie. Er sollte sich auch nicht unter Druck setzen, immer erreichbar zu sein, sondern ...
... immer ein anderes Teammitglied festlegen, ...
... das auch nach Feierabend erreichbar ist.

So kommen Chefs allein zurecht

Nicht stöhnen. Machen: Organisationsarbeit ist hart und lästig. Aber sie muss getan werden. Also nicht bis zuletzt aufschieben, sondern angehen. Sehen Sie die zusätzlichen Aufgaben als Herausforderung. Manager der Zukunft müssen Tausendsassas sein. Und Sekretariatsarbeiten gehören dazu.

Nicht alles auf einmal: Ab jetzt haben Sie zwei Jobs. Ihren regulären und den einer Teilzeitsekretärin. Versuchen Sie aber nicht, beide gleichzeitig zu machen. Da wäre Multitasking fehl am Platz. Routinearbeiten wie Reisekostenabrechnungen sollten Sie Ihrem Biorhythmus anpassen. Dann vergeuden Sie nicht unnütz die produktivste Tageszeit für solche Aufgaben.

Druck rausnehmen: Als Ihre eigene Sekretärin verspüren Sie den Zwang, immer erreichbar zu sein. Befreien Sie sich von dem Druck - etwa, indem Sie zu bestimmten Zeiten bewusst die Voice-Mail anstellen. Oder legen Sie rollierend ein Teammitglied fest, das auch nach Feierabend immer erreichbar ist. Der Rest der Mannschaft kann dann Smartphone und Laptop ausschalten.

Hilfe suchen: Die Technik ist Ihr Freund. Bei manchen Arbeiten hilft Office-Software. Programme gibt es Tausende - von Share- und Freeware bis Microsoft und Lexware. Finden Sie heraus, welches Programm Ihrem Anliegen am besten weiterhilft. Die paar Stunden Recherche zahlen sich schnell aus.

Nobody is perfect: Das gilt auch für Sie - und für die Sekretärin in Ihnen ebenfalls! Also verabschieden Sie sich von Ihrem Perfektionismus, der Sie ansonsten in Ihrem Job auszeichnet. Eine perfekte Sekretärin werden Sie nie sein - dafür aber eine mit allerbesten IT-Kenntnissen!

bürochaoten
Perfekte Ordnung
Ihr Schreibtisch ist von Papierstapeln übersät und sieht aus als hätte eine Bombe eingeschlagen. Ihr pedantischer Chef hat sich am Telefon angekündigt, er wolle kurz was besprechen. Halten Sie sich für Notfälle eine der oberen Schubladen frei. Fegen Sie die Stapel – bis auf ein paar vermeintlich wichtige Dokumente – hinein. Ihr Schreibtisch erweckt den Eindruck hochkonzentrierter und zielgerichteter Arbeit.
Kreatives Chaos
Wenn eine Schublade nicht mehr ausreicht, hilft die Flucht nach vorne. Verteilen Sie bunte Post-its mit dicken Pfeilen und Anmerkungen. Ein paar Mind Maps mit farbigen Ästen und unleserlichem Gekritzel runden das Bild ab. Bezeichnen Sie das Ganze als Ihr kreatives Chaos, ohne das Sie gar nicht arbeiten könnten.
Lücken kaschieren
Ihnen fehlen noch wichtige Schlussfolgerungen und Lösungsvorschläge? Entwerfen Sie rasch ein paar grobe Vorschläge auf der Basis von Schlagworten. Stellen Sie das Ganze als Szenariotechnik vor und überlassen Sie die Denkarbeit beim Publikum. Das Lob für Ihren interaktiven Vortragsstil kennt keine Grenzen.
Der Matador
Packen Sie den Stier bei den Hörnern: Geben Sie Ihre Fehler offen zu und zeigen Sie positive Folgen auf. Wenn Sie einen Fehler eingestehen, anstatt zu versuchen, ihn zu verbergen, nehmen Sie den anderen den Wind aus den Segeln. Seien Sie ehrlich und selbstbewusst: Alle sollen aus Ihren Fehlern lernen. Damit erweisen dem Team einen Dienst!
Qualifizierende Gegenfrage
Wenn man auf die Schnelle keine Antwort parat hat, hilft eine fordernde, aber neutrale Gegenfrage: „Welcher Aspekt interessiert Sie besonders?“, „Wie ist Ihre Meinung / Erfahrung / Informationsstand dazu?“ Das zwingt den Frager dazu, seine Frage genauer zu erläutern – während dieser Zeit kann Ihr Hirn auf Hochtouren arbeiten, um eine Antwort zu finden.
Ablenkung
Ebenso wirksam, aber komplizierter: das Ablenkungsmanöver. Greifen Sie ein Stichwort aus der Frage auf und benutzen Sie es als Überleitung zu einem Thema, bei dem Sie Bescheid wissen. Während Sie darüber reden, können Sie fieberhaft nach Antworten für die ursprüngliche Frage suchen. Wenn Sie das neue Thema gut genug etablieren, wird der Frager vielleicht sogar seine Ausgangsfrage vergessen.
Begründete Verweigerung
Falls Sie abschätzen können, dass Ihnen auch mit viel Zeitgewinn nichts zu einer Frage einfallen wird, dann verweigern Sie die Auskunft - aber nur mit einer plausiblen Begründung. „Aus abteilungsinternen Gründen möchte ich in dieser Phase noch keine Stellungnahme abgeben“ oder „Diese Frage lässt sich in der Kürze der Zeit nur ungenügend beantworten“ helfen Ihnen, die Antwort auf die gestellte Frage zu vertagen.
Tränendrüse
Manche Vorgesetzte sind durchaus für ein schlechtes Gewissen empfänglich, also auch für Mitleid: Schildern Sie, wie überlastet und gestresst, aber dennoch hochmotiviert und leistungsbereit Sie sind, mit welchen Schwierigkeiten Sie souverän fertig werden. Womöglich fühlt sich der Chef als Ausbeuter und Sie werden voller Mitgefühl für Ihre heroischen Anstrengungen bewundert.