Das ideale Rechenzentrum

Vier Dinge braucht der CIO

14.03.2008
Wie könnte ein ideales Rechenzentrum (RZ) aussehen, wenn keine Rücksicht auf ein IT-Erbe genommen werden müsste? Wenn IT-Verantwortliche auf der grünen Wiese planen könnten?

Vier Dinge schweben dem deutschen CIO in erster Linie vor, denkt er an ein RZ der Zukunft: Virtualisierung, Zentralisierung, Energie-Management und eine Sourcing-Strategie. Dabei ist - wie einer der hier versammelten IT-Verantwortlichen schreibt - der Begriff Rechenzentrum schon gar nicht mehr zutreffend. Er bevorzugt die Bezeichnung Datenzentrum, Data-Center, um die Bedeutung von Unternehmensdaten zu betonen. Lesen Sie hier, was sieben IT-Verantwortliche der COMPUTERWOCHE zum RZ der Zukunft sagen.

Albert Rösch, GfK Group

Foto: GfK Group

Rechenzentren müssen immer mehr Wärme von den Systemen abführen. Man kann zwar versuchen, den Anstieg der Wärmeleistung zu reduzieren. Die Tendenz - also den Anstieg der Wärme in Rechenzentren - wird man aber nicht umkehren. Klimaanlagen mit Wärmerückgewinnung, integriert in die Gebäudeheizung, sind daher angesichts der Preisentwicklung der Energiekosten eine sinnvolle Investition. Doch natürlich muss der Fokus auf der Einsparung des Energieverbrauchs liegen. Der Einsatz von Blade-Systemen wäre zu überlegen. Die Integration von (herstellerabhängig) zirka 16 Servern in ein Chassis kann zehn bis 30 Prozent Energie einsparen, hinzu kommt der enorme Platzgewinn. Ein weiterer Vorteil von Blades ergibt sich aus den mittlerweile ausgeklügelten Administrations- und Deployment-Tools, die die Administration deutlich vereinfachen, freilich um den Preis der Herstellerabhängigkeit.

Ein weiterer Schritt in Richtung Energieeinsparung ist zunehmend durch die Virtualisierung von Servern möglich. Jeder Hersteller bietet mittlerweile Virtualisierungsservices an, dominiert von VMware. Weniger leistungshungrige Applikationen lassen sich auf diese Weise ohne gegenseitige Einflussnahme auf einem physikalischen Server zusammenfassen, damit werden Hardwarekosten, aber auch Ausgaben für den eigentlichen RZ-Betrieb eingespart.

Die Konsolidierung des Server-lokalen, dezentralen Plattenspeichers auf wenige große, aber in sich hoch redundante Storage-Systeme erfordert zwar den Aufbau einer aufwändigen SAN-Umgebung (in der Regel zusätzliche Glasfaserverkabelung, SAN-Switches etc.) und führt zusammen mit der Investition in den Plattenspeicher zu hohen Aufbaukosten. Mittelfristig aber bietet dieses Vorgehen ein bislang nicht gekanntes Maß an Flexibilität. Langfristig stellen sich zudem durch die Verringerung von Plattenverschnitt und die Option einer dynamischen Anpassung des für eine Abteilung zur Verfügung gestellten Plattenplatzes echte Vorteile für die Fachabteilungen ein. Zweifelsohne wird die SAN-Technik bald State of the Art, die Frage nach den Kosten erübrigt sich damit."

Andreas Thomé, Münchner Rück

Die Verfügbarkeit und Sicherheit der Daten stehen im Mittelpunkt unserer Betrachtungen über das eigene, sich stets verändernde Datenzentrum. Die entsprechende Organisation zum Managen der benötigten Systeme ist eine auf Itil basierende Servicestruktur, die prozessorientiert ausgerichtet ist.

Kennzeichen unseres Datenzentrums ist der effiziente Umgang mit Ressourcen. Um das zu verwirklichen, sind bei uns verschiedene Themen von Bedeutung. Hierzu zählen die

Das Daten-Center ist also für die Münchener Rück keine rein technische "Lösung", sondern eine stark Service-orientiert gemanagte Infrastrukturlandschaft. Hardwareseitig werden Industriestandards gesetzt (etwa Blade-Technologie), die sich an Argumenten der Leistung orientieren.

Foto: Münchener Rück

Ferner gilt es, den Wirkungsgrad, die Betriebskosten und den Energieverbrauch in einem Rechenzentrum zu optimieren. Das macht auch einen schnelleren Austausch der Hardware oder das Clustering der bestehenden Hardware nötig. Vereinfacht wird dies durch eine bedingungslos durchgängige, für die genutzten Betriebssysteme absolut transparente Virtualisierung.

Datenzentrum der Zukunft ist die herstellerbezogene Hardware nicht mehr entscheidend. Dies gilt auch für den PC-Desktop-Bereich. Es gibt keine physikalischen Desktop-PCs mehr. Sie werden virtuell im Daten-Center abgebildet, und das auf der gleichen virtuellen Schicht und physikalischen Hardware wie die "Server". Man kann dies etwa mit dem bewährten zentralen Fileserving vergleichen. Automatische Softwareverteilung und Downtime-Management sind ebenso wie einheitliches System- und Konfigurations-Management eine Selbstverständlichkeit.

Das moderne und global ausgerichtete Daten-Center verfügt auch über einen klaren Lebenszyklus des Betriebs. Dieser wird intern gesteuert und extern je nach Service variabel unterstützt."

Andreas Resch, CIO Bayer AG

In Zukunft werden aus Unternehmenssicht stärker die Flexibilisierung der Dienste, das Bewusstsein um die Kritikalität und Sensitivität der Daten sowie die Industrialisierung der Betriebsabläufe und der RZ-Produkte im Vordergrund stehen.

Foto: BBS

Schlagworte wie Konsolidierung und Virtualisierung und Green IT sind heutzutage zwar in aller Munde. Mit diesen Begriffen allein kann man aber noch kein zukunftsweisendes, umfassendes RZ-Konzept erstellen, sie bilden lediglich wichtige Puzzle-Steinchen.

Würde man heute ein Konzern-RZ auf der grünen Wiese planen, bestimmten Redundanz und Standardisierung für alle RZ-Belange die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Lösung: Standardmäßig würde man Wert auf eine Gebäuderedundanz legen (zwei einzeln stehende unabhängige RZ-Gebäude in geeignetem Abstand). Für einen globalen Dauerbetrieb ohne kundenbeeinträchtigende Wartungsunterbrechung (etwa feste Wochenenden oder längere Downtimes) werden jedoch neue Betriebsformen benötigt, die auf einem RZ-Cluster aus mehr als zwei Gebäuden basieren werden.

Die bauliche RZ-Ausführung (Schutz vor Beeinträchtigung von innen und außen) muss der Kritikalität und den Anforderungen an die Verfügbarkeit der gehosteten Daten angemessen sein. Wichtig ist, die Güte, Kapazität und Autarkie aller einzelnen Komponenten angemessen zu planen und die Verfügbarkeit von Energie und Kühlung zu vertretbaren wirtschaftlichen Konditionen zu gewährleisten.

Höhere Bedeutung als bisher werden die redundanten, sicherheitskritischen und hochperformanten RZ-Netzwerkkonzepte (innerhalb und zwischen den RZ-Gebäuden) erlangen. Planungsgüte, effizientes Carrier- und Mandanten-Management sowie integrierte Sicherheitskonzepte sind die kommenden Herausforderungen. Externe Collaboration mit Geschäftspartnern ist sicherheitstechnisch nahtlos und schnell zu integrieren.

Standards und Herstelleroptimierung im Bereich der Systeme (Server, Storage, Backup, Betriebssysteme und Systems-Management) bilden die Grundlage für einen wirtschaftlichen Betrieb. Virtualisierung bietet weiteres Potenzial zur Kostensenkung durch bessere Ressourcenausnutzung und trägt zur Erhöhung der Flexibilität hin zu adaptiven IT-Services bei. Sie unterstützt ferner einen höheren Grad der Automatisierung und ist damit Wegbereiter für die Industrialisierung der IT.

Komplexitätsreduktion in der Bewirtschaftung lässt sich nur durch ein ganzheitliches System-, Applikations- und End-to-End-(E2E-)Management erreichen. Die Betriebskonzepte werden streng an einheitlichen Frameworks ausgerichtet sein (Itil, Cobit etc.) Dabei gilt es, Operational-Level-Agreements (OLAs) für jeden Delivery Block zu vereinbaren und zu leben. Das E2E-Service-Level-Management auf das Gesamtprodukt ist ferner ausschlaggebend für die Grundlage der Sourcing-Entscheidung.

IT-Verantwortliche sollten sich bewusst machen: In Zukunft werden Konzern-ITs nur mit einem auf die jeweilige Firma abgestimmten Produkt-Portfolio-Lifecycle einen Integrationsvorsprung erhalten. Dieser wird sie dauerhaft vor den größeren externen Anbietern auszeichnen."

Clemens Jochum, Group Chief Technology Officer, Deutsche Bank

Vor dem Hintergrund stark steigender Transaktionsvolumina, volatiler Marktbedingungen und einer wachsenden Zahl von Produktinnovationen in der Finanzindustrie steigen die Anforderungen an die Rechenzentrumsinfrastruktur hinsichtlich Kapazität, Flexibilität und Kosteneffizienz.

Foto: Deutsche Bank

Angesichts limitierender Faktoren wie Stromversorgung, Kühlung und zur Verfügung stehender Raumkapazitäten setzt die Deutsche Bank zunehmend innovative Lösungen wie etwa Virtualisierungstechnologien ein, um die Auslastung der vorhandenen Ressourcen zu optimieren.

Bezüglich des Themas Virtualisierung von IT-Ressourcen gilt: Applikationen greifen flexibel auf einen Ressourcenpool zu. Die direkte Zuordnung zu einer bestimmten physischen Hardware wird aufgehoben.

Die Vorteile hiervon sind etwa eine effizientere Nutzung und Auslastung der Infrastruktur, eine höhere Skalierbarkeit und Flexibilität, weil Ressourcen abhängig vom jeweiligen Bedarf flexibel zugewiesen werden können ("Kapazität auf Nachfrage"). Außerdem lassen sich auf diese Weise die Kosten senken.

Insgesamt verfolgt die Deutsche Bank für die IT-Infrastruktur den so genannten Service-oriented-Infrastructure-(SOI-)Ansatz: Nach erfolgter umfassender Standardisierung und Optimierung sowie der sich daran anschließenden Virtualisierung der IT-Infrastruktur (das heißt Entkoppelung der Services von der zugrunde liegenden Infrastruktur) besteht das Ziel in einer vollständig produktorientierten IT ("IT Productization"). Wurde früher Technik (Server, Speicherplatz etc.) zu fixen Kosten bereitgestellt, werden jetzt zunehmend IT-Produkte, also in Qualität und Preis klar definierte IT-Services, angeboten. Diese können flexibel an den jeweiligen Bedarf angepasst werden, wobei sich die Kosten nach dem tatsächlichen Verbrauch richten."

Christian Hofer, Vorstandsmitglied der HUK-Coburg für das IT-Ressort

"Die HUK-Coburg hat nahezu alle Voraussetzungen an ein modernes neues Rechenzentrum (RZ) im 2007 fertig gestellten Zweit-RZ umgesetzt.

Wir betreiben unser RZ als ein Cost-Center. Die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit werden durch Service-Level-Agreements (SLAs) bestimmt, die wir innerhalb des Konzerns definieren. Alle für den RZ-Betrieb relevanten Kosten inklusive Energie und Entsorgung werden dem RZ zugeordnet. Ziel ist eine weitestgehend energieeffiziente und ökologische Bewirtschaftung des RZ.

Foto: HUK

Unser RZ-Szenario sieht zwei Standorte vor, die weder durch Naturgewalten noch durch industrielle Gefahrenpotenziale wie beispielsweise Flughäfen oder chemische Industrie bedroht sind. Die besonders schutzbedürftigen Bereiche sind unterirdisch anzusiedeln.

Bei Bau, Stromversorgung und Klimatisierung werden die neuesten Technologien und Standards geprüft, um im Gesamtkonzept ein "Niedrigenergie-RZ" zu erstellen, das so weit wie möglich von den großen Stromerzeugern und deren Preisgestaltung unabhängig ist. Neben Klimaschutzmaterialien, die dem Stand der Entwicklung entsprechen, sind das vor allem Technologien wie Blockheizkraftwerke, Brennstoffzellen, Wärmerückgewinnung zur Heizung von Flächen außerhalb des RZ, Solarenergie und Geothermie.

An Bedeutung gewinnt das intelligente Energie-Management. Es beginnt mit der konsequenten Verringerung potenzieller Verbrauchsquellen. Unser bevorzugter Ansatz lautet hier Server-Virtualisierung. Sie ist neben den Administrations- und Hochverfügbarkeitsaspekten ein wesentliches Mittel zur Steuerung der Betriebskosten. Als Beispiel lässt sich sagen, dass wir die installierte Hardware überwachen und in lastarmen Phasen den Strom- und Kühlungsbedarf der Systeme automatisch reduzieren.

Server, Speicher und Sicherungssysteme werden physikalisch auf beide Lokationen verteilt und logisch über Virtualisierungstechniken als ein System dargestellt. Alle Daten werden im zentralen RZ gespeichert und gespiegelt. Die Systeme werden zentral aus einem Leitstand gesteuert und überwacht. Die eigentlichen RZ-Räume werden komplett ohne Personal automatisch betrieben.

Das IT-Services-Continuity-Management setzt auf der Virtualisierung von Hardware und Daten auf. Jeder der beiden RZ-Standorte ist in der Lage, die produktionsrelevanten IT-SServices und insbesondere den Online-Betrieb für den Konzern bereitzustellen."

Claus Hohmann, Leiter Prozess- und Technologie-Management (CTO), Autostadt GmbH, Wolfsburg

"Um ein Rechenzentrum seriös zu planen, ist der erste Schritt eine Anforderungsanalyse. Auf Grundlage der Bedarfsanalyse kann die eingesetzte IS/IT-Technologie determiniert werden. Dabei sollen Plattformen und Produkte standardisiert werden, um die Personal- und Wartungskosten zu optimieren.

Die Server-Technologie (Mainframe, Midrange-Server, Group-Server) und die benötigten Betriebsysteme (OS/390, Unix/Linux, Windows usw.) werden hier sehr oft die geplanten Anwendungen bestimmen. Bei der Überlegung zur Größenordnung der Hardware sollte als Daumenregel eine Lebensdauer für die Server von drei bis vier Jahren angesetzt werden. Eine flexible Ressourcennutzung kann durch Server-Virtualisierung erreicht werden, die heute auf allen Plattformen verfügbar ist. Durch Rightsizing und die Virtualisierung lassen sich Energieeffizienzen erzielen. Mit Clustering-Techniken sichert man zudem die Hochverfügbarkeit der Systeme ab.

Die Auswahl der Speichertechnologie (intern, DAS, NAS, SAN) ist abhängig vom Datenvolumen und von Verfügbarkeitsanforderungen. Auch hier kann durch Virtualisierung bei SAN-Speichern eine hohe Flexibilität erreicht werden. Grundsätzlich gilt für die zu nutzenden Backup-Techniken, dass sie für alle Server-Typen möglichst einheitlich verwendbar sein müssen.

Zudem könnte der Einsatz von Backup-to-Disk oder Virtual Tape Library (VLT) die Backup- und Recovery-Zeiten dramatisch verkürzen. Auch damit lässt sich die Verfügbarkeit erhöhen. Für eine hohe Verfügbarkeit sollten IT-Verantwortliche schließlich auf eine redundante Vernetzung mit allen aktiven Komponenten wie WAN- und LAN-Anbindungen, Firewalls, Gateways etc. achten."

Hugo Plüss, Global Head of Enterprise Computing Services, Roche

Die Infrastruktur der meisten Rechenzentren ist heute komplex und schwierig zu managen - verbunden mit hohen Fixkosten und Ressourcensilos, die ein Reagieren auf sich verändernde Anforderungen erschweren. Eine Verbesserung der Effizienz und Zuverlässigkeit dieser kritischen Ressourcen ist zum wesentlichen Bestandteil der Rationalisierung von Unternehmensprozessen und der Verbesserung von Vertriebs- und Kundendiensten geworden.

Foto: Roche

Das RZ der Zukunft wird von vier Kräften gestaltet sein: Standardisierung, Rationalisierung, Virtualisierung und Service-Orientierung.

Als ein Grundstein der Infrastrukturstrategie müssen standardisierte Prozesse und Technologien gelten. Hierzu zählen ein Itil-Framework, eine standardisierte Hardware/Software- Umgebung und selektives Sourcing inklusive all jener Anwendungen und Dienste, die in einer kostengünstigen und sicheren Art von Mainstream-Providern angeboten werden können. Berücksichtigt werden müssen darüber hinaus alternative Sourcing-Modelle, womit Ankäufe nur noch strikt nach dem jeweiligen Bedarf realisiert werden sollten. Ferner ist das Thema Software as a Service (SaaS) als Hauptoption einer IT-Strategie anzusehen.

Die erste Phase zur Verbesserung einer Infrastruktur sollte die physischen Standorte, die IT-Anlagen beherbergen, reduzieren. Das Ziel besteht dabei nicht notwendigerweise darin, das gesamte Equipment in einem einzigen RZ zu zentralisieren. Jedoch sollte die Anzahl solcher Örtlichkeiten auf das nötige Minimum gebracht werden. So können die Effizienz des Administrationspersonals maximiert und gemeinsam genutzte IT-Management-Prozesse geschaffen werden.

Rationalisierungen konzentrieren sich auf Einsparungen im Umfang der verwendeten Systeme. Demgegenüber will Virtualisierung Bereichsgrenzen aufheben und Ressourcen in gemeinsam genutzten Einrichtungen zusammenfassen. Dadurch lassen sich sowohl die Effizienz als auch die dynamische Zuteilung von Einrichtungen erhöhen. Die Virtualisierung reduziert Kosten, weil durch sie die gemeinsame Nutzung von Ressourcen erst möglich und so die verfügbaren IT-Einrichtungen ausgelastet werden können.

Strategisch äußerst wichtig, erhöht die Virtualisierung die Agilität eines Unternehmens erheblich durch die Möglichkeit, alle IT-Syste-me dynamisch und granular zu skalieren. Service-Levels verbessern sich dank einer dynamischeren, auf dem jeweiligen Bedarf aufbauenden Ressourcenzuteilung. Virtualisierung stellt das Fundament dar, auf dem eine Service-Level-Automation aufgebaut werden kann. (jm)