VMworld 2010

VMware propagiert den "New Stack"

13.10.2010 von Wolfgang Sommergut
Die Entwertung der reinen Virtualisierungs-Software veranlasst VMware, seine Plattform auszuweiten. Durch Akquisitionen und neue Produkte aus eigener Entwicklung reicht sie nun vom Hypervisor bis zu Anwendungen. VMware CEO Paul Maritz präsentierte auf der VMworld in Kopenhagen zahlreiche Neuerungen.

VMware ist seit Windows 2008 der Konkurrenz durch Microsoft ausgesetzt, das Hyper-V als Teil des Betriebssystems ausliefert. Red Hat verfolgt mit Enterprise Linux und KVM einen ähnlichen Kurs und Citrix versucht mit einer aggressiven Preispolitik, XenServer in den Markt zu drücken. Die Mitbewerber waren bis zuletzt damit beschäftigt, ihren Entwicklungsrückstand gegenüber ESX aufzuholen, etwa durch die Implementierung von Live Migration in Hyper-V 2008 R2 oder Dynamic Memory im kommenden SP1 für Windows Server 2008 R2.

VMware richtete dagegen sein Augenmerk darauf, seine Virtualisierungsplattform um zahlreiche Funktionen zu erweitern und als Betriebssystem für das Rechenzentrum zu positionieren, das sämtliche Rechen-, Speicher- und Netzwerkressourcen dynamisch auf die jeweiligen Arbeitslasten verteilen kann. Erst im Sommer gab das Unternehmen vSphere 4.1 frei, das im Vergleich zum Vorgänger besonders in puncto Skalierbarkeit zulegt.

Angriff auf die Betriebssysteme

CEO Paul Maritz auf der VMworld in Kopenhagen.
Foto: VMware

Auf der Fachkonferenz VMworld in Kopenhagen bekräftigte CEO Paul Maritz seinen Anspruch, mit seiner Virtualisierungssoftware die Bedeutung von Betriebssystemen weitgehend zu reduzieren. Schon 2009 sei laut IDC der Punkt erreicht worden, an dem mehr Instanzen von Windows in virtuellen Maschinen laufen als auf physikalischer Hardware. Indem es nicht mehr die Ressourcen des Rechners verwaltet, verliert es eine seiner bisher zentralen Funktionen.

VMware möchte Windows auch seine zweite wesentliche Aufgabe streitig machen, nämlich als Ablaufumgebung für Anwendungen zu fungieren, die Letztere über Programmschnittstellen wie Win32 oder .NET ansprechen können. Maritz betonte erneut die steigende Bedeutung von Frameworks wie Ruby on Rails, die vom darunterliegenden Betriebssystem abstrahieren. Daher überrascht es nicht, dass COO Tod Nielsen im Gespräch mit der Computerwoche Berichten widersprach, wonach VMware das SuSE-Business von Novell kaufen möchte.

Ausdehnung in Richtung Middleware

VMware dehnte seine Plattform letztes Jahr durch die Übernahme von Springsource in Richtung Middleware aus. Das Unternehmen erhielt dadurch nicht nur das populärste Java-Framework für Enterprise-Anwendungen, sondern auch RabbitMQ, eine Software für Message Queuing und die Monitoring-Tools von Hyperic. Zusätzlich erwarb es Gemfire und seine Technologie für Daten-Management.

VMware fasste sein Middleware-Portfolio nun unter der Marketing-Bezeichnung vFabric zusammen. Die mit dieser Bezeichnung geweckten Erwartungen kann es indes noch nicht erfüllen. Dies betrifft vor allem die Fähigkeit, das Deployment von Anwendungen zu automatisieren, indem ihnen alle benötigten Ressourcen wie Datenbanken oder virtuelle Maschinen automatisch zu Verfügung gestellt werden. Das von PAAS-Anbietern wie Microsoft (Azure) bemühte Modell des Fabric Computing bleibt aber ein Ziel von VMwares Middleware-Plänen.

Das mit Abstand meistgenutzte Virtualisierungssystem inklusive Middleware und Management-Tools möchte VMware als Sprungbrett für seine Cloud-Ambitionen nutzen. Wenn Unternehmen Spitzenlasten an öffentliche Cloud-Provider auslagern möchten, dann möchten sie dort die gleiche virtuelle Infrastruktur vorfinden wie in der eigenen IT, und das ist heute in den meisten Fällen VMware. Aufgrund fehlender Standardisierung ist der reibungslose bidirektionale Transfer von Daten und Anwendungen am ehesten in einer homogenen Umgebung gewährleistet.

Verbindung von privater und öffentlicher Cloud

VMware stellte als Bindeglied zwischen privater und öffentlicher Cloud nun vCloud Director vor. Die Software erlaubt das Einrichten von mandantenfähigen Self-Service-Umgebungen auf Basis interner und externer Ressourcen. Über eine Vielzahl von Richtlinien lassen sich Bedingungen festlegen, ob und wie bestimmte Workloads nach außen gelangen dürfen. Über das ebenfalls neue vShield Edge lassen sich VPN-Verbindungen zwischen privater und öffentlicher Cloud einrichten.

Während Microsoft für seine Cloud-Dienste mit Milliardenaufwand weltweit eigene Rechenzentren aufbaut, setzt VMware auf Partner. In Frage kommen dafür auch Hosting-Unternehmen, die künftig höherwertige Services anbieten möchten. Allerdings stehen diese Firmen wegen ihrer geringen Margen notorisch unter Kostendruck, so dass für sie Lizenzgebühren für vSphere wie beim Enterprise-Einsatz kaum in Frage kommen. Hinzu kommt, dass ein Konsortium aus der NASA, Rackspace, Citrix und anderen Herstellern eine mit vCloud konkurrierende Open-Source-Initiative namens Openstack ins Leben rief. VMware reagierte mit einem neuen Lizenzmodell für Provider, das keine Anfangskosten verursacht, sondern sich nur an der Nutzung bemisst.

Update für Desktop-Virtualisierung

Nach dem Update von vSphere auf 4.1 aktualisierte VMware kürzlich auch seine Software zur Desktop-Virtualisierung View, so dass diese nun mit der neuesten Ausführung der Plattform kompatibel ist. Zu den weiteren Neuerungen von VMware View 4.5 zählt der Local Mode, der die Ausführung des virtuellen Desktops auf dem lokalen Rechner erlaubt. Damit erlaubt er das Offline-Arbeiten und beseitigt einen wesentlichen Mangel von zentralen Desktops. Offline vorgenommene Änderungen synchronisiert das System mit dem Backend, sobald wieder eine Verbindung besteht.

Auf der VMworld kündigte das Unternehmen unter dem Codenamen "Horizon" eine weitere Software für sein Desktop-Business an. Dabei soll es sich um einen Service-Katalog handeln, aus dem Benutzer lokale, virtualisierte und Web-Anwendungen wählen und ausführen können. Im Prinzip handelt es sich dabei um einen App Store für Unternehmen, ergänzt um ein Single-Sign-On. Dieses wird auf der Software von TriCypher beruhen, ein Unternehmen, das erst im August von VMware übernommen wurde. Citrix kündigte kürzlich im Rahmen von XenDesktop 5 ebenfalls einen derartigen App-Store an, der das bisherige "Dazzle" ablösen soll.