Vodafone stürzt sich aufs Festnetz

30.05.2006
Neue Strategie, neue Struktur, mehr Dividende, weniger Zukäufe: Der Mobilfunkkonzern muss reagieren, weil seine Kernmärkte gesättigt sind.

Der britische Mobilfunkkonzern Vodafone will neben dem Mobilfunk ins Festnetzgeschäft expandieren. Hintergrund ist die Sättigung der Handy-Märkte in Europa. Deutschland komme mit der Festnetztochter Arcor eine Vorreiterrolle im Konzern zu, sagte der Chef von Vodafone D2, Fritz Joussen, am Dienstag in London bei der Präsentation der Jahresbilanz. Künftig will das Unternehmen Bündelangebote von Mobilfunk und DSL offerieren und so den Druck auf die Deutsche Telekom verstärken. Ein Verkauf der Festnetztochter Arcor ist damit vorerst vom Tisch, womit der Konzern frühere Angaben aus Unternehmenskreisen bestätigte.

Die Erfahrungen in Deutschland will Vodafone für die Expansion im Festnetz nutzen, wobei nach Angaben von Vodafone-Chef Arun Sarin keine Zukäufe geplant sind. Vodafone will vor allem als Wiederverkäufer von DSL-Anschlüssen auftreten. Der Konzern verfügt nur in Deutschland über ein nennenswertes Festnetzgeschäft. Der nach Umsatz weltgrößte Handy-Anbieter reagiert mit dem Strategieschwenk auf das Zusammenwachsen von Mobilfunk und der klassischen Telefonie. D2-Chef Joussen beteuerte, dass der DSL-Markt in Deutschland mit einer Penetration von 25 Prozent genügend Spielraum für organisches Wachstum biete. In den vergangenen Monaten war wiederholt über Zukäufe im Festnetz spekuliert worden.

Im deutschen Mobilfunkgeschäft fiel Vodafone im vergangenen Quartal mit 26.000 Neukunden hinter der Konkurrenz zurück. T-Mobile hat damit seine Marktführerschaft ausgebaut. Mit Arcor erhält Vodafone D2 einen neuen Wachstumstreiber. Die in Eschborn angesiedelte Tochter sollte ursprünglich trotz zweistelliger Zuwachsraten verkauft werden, da Vodafone sich ausschließlich auf das Handy-Geschäft fokussiert hatte.

Die defizitäre Vodafone-Gruppe verordnete sich einen rigiden Sparkurs, der die Auslagerung von IT-Abteilungen umfasst. Betroffen sind davon vor allem die Aktivitäten in Europa. Nach Konzernangaben sollen dadurch mittelfristig rund 550 Millionen britische Pfund eingespart werden. Zudem ist der Abbau von 400 Arbeitsplätzen in der Zentrale geplant. Experten rechnen mit weiteren Einschnitten. In Deutschland werde sich die Stellenzahl von 9.000 nicht verändern, sagte Joussen. Im April hatte sich Vodafone eine neue Konzernstruktur gegeben.

Arun Sarin, CEO Vodafone.

Nach den milliardenschweren Zukäufen der vergangenen Jahre will sich Vodafone künftig bei Akquisitionen zurückhalten. "Wir sind zufrieden mit dem Footprint, den wir haben", sagte Sarin. Geprüft werde aber, ob Minderheitsbeteiligungen aufgestockt werden könnten. Dies gilt vor allem für die Wachstumsmärkte Südafrika und Indien. Sarin hielt sich über die Beteiligung an der amerikanischen Verizon Wireless bedeckt. "Wir sind zufrieden mit der Entwicklung des Unternehmens", sagte er. Der Mehrheitsaktionär des Mobilfunkanbieters, die amerikanische Verizon, will das Gemeinschaftsunternehmen komplett übernehmen und verhandelt dem Vernehmen nach mit Vodafone über die Höhe des Kaufpreises. Laut früheren Angaben aus Kreisen könnte dieser bei rund 50 Milliarden US-Dollar liegen.

Statt Akquisitionen rückte Sarin die Dividende in den Mittelpunkt. Mit neun Milliarden Pfund sollten im laufenden Geschäftsjahr (bis Ende März 2007) drei Milliarden Pfund mehr ausgeschüttet werden als zuvor angekündigt, sagte der Vorstandschef. Im vergangenen Jahr war die Dividende um 49 Prozent auf 6,07 Pence pro Aktie erhöht worden.

Wegen hoher Abschreibungen auf die deutsche Tochter Vodafone D2 sackte der weltgrößte Mobilfunker im abgelaufenen Geschäftsjahr 2005/06 tief in die roten Zahlen. Trotz des hohen Verlustes erfüllte Vodafone aber die eigenen Erwartungen und die der Analysten. Der Jahres-Fehlbetrag beläuft sich auf 17,23 Milliarden Pfund nach einem Überschuss von 5,42 Milliarden Pfund ein Jahr zuvor. Hintergrund der Abschreibungen sind vor allem die schwächeren Wachstumserwartungen in Deutschland.

Das Unternehmen hatte die Abschreibungen vor einigen Wochen bereits angekündigt. Der Umsatz stieg im Geschäftsjahr 2005/2006 (bis Ende März) um 10 Prozent auf 29,35 Milliarden Pfund. In die Zahlen nicht mit eingeflossen ist die japanische Tochter, die mittlerweile von der Firma Softbank übernommen wurde. Mit der japanischen Tochter kommt Vodafone auf einen Jahresverlust von 21,8 Milliarden Pfund.

Für das laufende Geschäftsjahr rechnet Vodafone mit einem Zuwachs von 5 bis 6,5 Prozent beim Umsatz im Mobilfunk. Die Aktie des Unternehmens legte nach Vorlage der Zahlen um über drei Prozent zu. (dpa/ajf)