Mehr als nur ein Datenspeicher

Voraussetzungen erfolgreicher Cloud-Migration

05.06.2018 von Eveline Oehrlich
Immer mehr Firmen verlagern ihre IT-Infrastruktur ganz oder zum Teil in die Cloud. Erfahren Sie, wie Unternehmenskultur eine erfolgreiche Migration beeinflusst.

Immer mehr Unternehmen verlagern ihre IT-Infrastruktur ganz oder teilweise in die Cloud. Dieser Trend ist längst nicht mehr nur in Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley zu beobachten. Bis 2020 prognostiziert IDC für den Cloud-Markt in Westeuropa eine Wachstumsrate von 23,2 Prozent - und damit 3,3 Prozent mehr als in den für ihre Innovationsbereitschaft bekannten USA.

Wer die Cloud lediglich als digitalen Speicher verwendet, verschenkt Chancen. Mit dynamischer Cloud-Nutzung können Unternehmen Ressourcen effizient verteilen und Cloud-basierte Services flexibel nutzen.
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Argumente wie das einfache Skalieren und schnellere Ausrollen Cloud-basierter Applikationen, Kosteneinsparungen durch eine gezieltere Ressourcenverteilung und mehr Innovationskraft überzeugen Unternehmen, in Cloud Computing zu investieren. Doch wie können sie dafür sorgen, dass die Cloud-Migration wirklich zum Erfolg führt? Die Antwort ist keine naheliegende: Es ist oft eine Frage der Einstellung.

Trend in Europa: Koppelung aus privater und Public Cloud

Welche Art von Cloud-Infrastruktur wird gewählt und wie wird die Cloud von den Unternehmen genutzt? Hierzu bietet der Cloud Survey Report von New Relic überraschende Einblicke:

Interessant ist, dass laut Report europäische Unternehmen zwar selten ausschließlich mit der Cloud arbeiten, doch knapp mehr als die Hälfte (51%) nutzt eine Kombination aus privatem Data Center und Public Cloud. Im Vergleich dazu behaupten das nur 36 Prozent der amerikanischen Unternehmen von sich. Und die Zahl der Unternehmen, die Workloads in die Cloud verlagern, wird weiter wachsen: 38 Prozent der europäischen Unternehmen plant in den nächsten Jahren eine Cloud-Migration fest ein - weitere 51 Prozent denken darüber nach.

Agile Nutzung und ein Kulturwandel als Schlüssel zum Erfolg

Angesichts dieser Zahlen sollten Unternehmen sich damit auseinandersetzen, welche Vorteile eine Cloud ihnen bringen kann. In vielen IT-Organisationen wird die Cloud lediglich als eine Alternative für traditionelles Hosting gesehen. Cloud-Infrastruktur bietet aber die Möglichkeit, Ressourcen auf internationaler Ebene zu teilen, diese optimal einzusetzen und auch einzusparen beziehungsweise umzuwidmen.

Allein das Verlagern von Applikationen in die Cloud reicht nicht, um die Vorteile dieser Umstellung voll ausschöpfen zu können. Um tatsächlich von den Möglichkeiten der Skalierbarkeit, Ressourcenverteilung und Kosteneinsparung zu profitieren, sollten Unternehmen die dynamischen Fähigkeiten der Cloud nutzen.

Multi-Cloud: Verschiedene Ansätze und viel Flexibilität

Dieser kulturelle Unterschied zeigt sich bereits bei der Wahl der Cloud-Infrastruktur, zum Beispiel am Modell Multi-Cloud. Dabei wird eine Applikation, ein Service oder ein Bündel an Applikationen in mehreren Cloud-Umgebungen verortet. Diese könnten verschiedene Cloud-Provider sein oder auch eine Kombination aus einer privaten und einer Public Cloud.

Eine Variante ist, einen Teil der Applikation in Cloud A, den anderen Teil in Cloud B laufen zu lassen. Oder man betreibt dieselbe Applikation bei mehreren unterschiedlichen Cloud-Providern. Ein letztes Szenario ist, dass sich unterschiedliche Teile eines Unternehmens für unterschiedliche Cloud-Anbieter entscheiden oder durch die Übernahme eines anderen Unternehmens eine Multi-Cloud-Umgebung entsteht.

Die Option, dass mehrere Cloud-Anbieter in einem Unternehmen aufgrund von Übernahmen oder unterschiedlichen Entscheidungen in einzelnen Abteilungen verwendet werden, beiseitegelassen, stehen sich zwei verschiedene Strategien und somit auch zwei verschiedene Philosophien gegenüber:

Variante A - Das Beste der jeweiligen Anbieter nutzen
Wer Applikationen zwischen zwei oder mehreren Clouds aufteilt, tut dies oft, weil verschiedene Clouds mit unterschiedlichen Programmiersprachen besser umgehen können und um das Beste der jeweiligen Angebote zu nutzen.
Wer beispielsweise eine .NET-Anwendung programmiert, entscheidet sich höchst wahrscheinlich für Microsoft Azure. Wer hoch entwickelte Sicherheits-Features oder Tools für künstliche Intelligenz benötigt, ist mit der IBM Cloud gut beraten. Je nach Anforderungen an die eigene Applikation wird diese also auf die jeweils am besten passenden Teile unterschiedlicher Clouds aufgeteilt.

Ein Nachteil dieser Methode ist die steigende Komplexität: Wenn eine Applikation aufgeteilt wird und in mehreren unterschiedlichen Umgebungen laufen soll, muss das Augenmerk vor allem auf API-Kompatibilität gelegt werden, denn deren Struktur kann sich von Anbieter zu Anbieter unterscheiden. Deshalb muss die Applikation in den jeweiligen Teilbereichen unterschiedliche Modelle beinhalten, wie sie mit unterschiedlichen Clouds arbeitet. Und das führt zu mehr Komplexität.

Variante B - Multi-Cloud als Backup-Modell
Die zweite Möglichkeit: Hier wird die App so gebaut, dass sie ohne Änderungen in mehreren Cloud-Umgebungen gleichzeitig laufen kann. Dahinter steckt die Idee, dass Ausfälle bei einem Anbieter leicht aufgefangen werden können.
Mit diesem Modell ist man auch nicht abhängig von einem bestimmten Anbieter und kann eventuell bessere Konditionen verhandeln. Man gewinnt also mehr Flexibilität für das Unternehmen.

Ein Nachteil ist jedoch, dass man nicht die Möglichkeit hat, spezifische Services eines Cloud-Providers zu nutzen. Man ist beschränkt auf die grundlegenden Angebote. Dies macht es sehr schwer, komplexe Cloud-basierte Applikationen zu betreiben. Eine weitere Möglichkeit wäre, einen entsprechenden Service selbst zu bauen oder auf den Service eines Drittanbieters zurückzugreifen, was wiederum die Komplexität steigert.

Innovation versus Sicherheit

Wie bereits erwähnt haben beide Methoden ihre Verfechter und auch ihre Berechtigung. Welche Art der Cloud-Nutzung gewählt wird, hängt jedoch meist von der im Unternehmen vorherrschenden Kultur ab. Hier unterscheiden sich Unternehmen die entweder auf Innovation oder auf Sicherheit Wert legen.

Unternehmen, die auf die Integration von Services unterschiedlicher Anbieter setzen, machen sich meist weniger Sorgen um die wirtschaftliche Existenzfähigkeit eines Cloud-Anbieters oder haben diese Frage für sich schon geklärt. Ihr Hauptaugenmerk gilt der Qualität der Services, die sie benutzen. Meist sind sie auch aggressiver und testen die Grenzen der Technik aus, wenn sie Applikationen bauen.

Einem Unternehmen, das eine konservativere Kultur pflegt, ist meist wichtig, dass eine Applikation unabhängig von einem bestimmten Cloud-Anbieter laufen kann - etwa für den Fall, dass er insolvent wird, die Preise erhöht oder die Service-Qualität nicht halten kann. Diese Unternehmen sind weniger auf Innovation bedacht als auf finanzielle und operative Stabilität.

Eine dynamische Cloud ist eine Frage der Unternehmenskultur

Das Beispiel der Multi-Cloud-Modelle zeigt, dass Cloud-Migration ein vielschichtiger Prozess ist und dass es vor allem auf die Unternehmenskultur ankommt. Zu diesem Ergebnis kommt auch der New Relic Cloud Survey Report wenn es um die dynamische Cloud-Nutzung geht.

Dynamische Cloud-Nutzung bedeutet zum Beispiel, dass Container, serverlose Architekturen oder auch nur skalierbare Amazon EC2-Cluster in Umgebungen eingesetzt werden, in denen Ressourcen sehr schnelllebig sind - und das nur, wenn sie wirklich nötig sind. So müssen Unternehmen eine Kultur etablieren, die in einem hoch dynamischen und stets im Wandel begriffenen Umfeld nach Erfolg strebt. Der beste und meist genutzte Weg, um das umzusetzen, ist laut Report die Anwendung der DevOps-Methode.

Von der dynamischen Cloud profitieren

Die Einführung von DevOps und einer dynamischen Cloud-Nutzung setzt eine große Veränderung im Unternehmen voraus. Nicht nur in Bezug auf Änderungen der IT-Infrastruktur, sondern auch, auf welche Weise Teams diese nutzen. Die gesammelten Daten des Cloud Survey Report zeigen, dass dynamische Methoden wie DevOps das Wachstum und die Innovationskraft eines Unternehmens deutlich steigern.
So berichten 44 Prozent der Unternehmen mit hoher DevOps-Nutzung, dass sie große Verbesserungen bei der Verfügbarkeit der Applikationen und der Fehlerbehebung sehen.

Was ITSM-Experten zu Scrum, DevOps, Cloud und Edge sagen
Ottmar Höhenberger, Geschäftsführer, Omninet Solutions
“Die Unternehmen sind mehr und mehr prozessgesteuert. Dazu wird auch die IT in den Vordergrund gedrängt, und das Service-Management wird immer entschiedener zu einem Vehikel für die IT. Agilität und Prozesse schließen sich dabei überhaupt nicht aus. Allerdings werden die Prozesse häufig vergewaltigt. Hier muss man sich pragmatisch und lösungsorientiert mit den Betroffenen abstimmen.“
Martin Landis, Business Unit Manager, USU AG
“In vielen Innovationsprojekten zählt vor allem die Entwicklungsgeschwindigkeit. Schwergewichtige ITIL-Prozesse wie Change- oder Release-Management bremsen da nur – und sind anfangs auch nicht notwendig. Ohnehin geht ja nur eins von zehn Projekten tatsächlich in Produktion. Aber ITSM kann die Entwicklung in agilen Projekten auch beschleunigen, zum Beispiel durch sekundenschnelle, vollautomatisierte Bereitstellung von Cloud-Ressourcen.“
Stefanie Siegmann, Principal Consultant, CA Deutschland
„Das Thema Service-Management verliert bei den Verantwortlichen an Fokus; es gilt als teuer und behäbig. Aber genau das ist der Bereich, wo die IT direkten Anwenderkontakt hat, quasi das Dokumentationswerkzeug, um das sich die gesamte IT rankt. Außerdem braucht man ITSM-Prozesse, um die Freiheit der Agilität in einen strukturierten Unternehmenskontext einzubetten.“
Gerald Haberecker, Head of Sales, Axios Systems
„Speed ist doch eigentlich nur ein Schlagwort. Auch die agilen Projekte bewegen sich idealerweise innerhalb eines bestimmten Grundgerüsts. Und Service-Management ist eine wichtige Schnittstelle, über die Informationen im Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Ohne solche Prozesse funktioniert auch kein Speed. Doch viele Prozesse finden keinen Owner; das ist eines der wirklichen Probleme.“
Steven Handgrätinger, Vorstandsvorsitzender des itSMF
„ITIL ist nicht die eierlegende Wollmilchsau. Aber aus der Best-Practices-Sammlung kann sich jeder das zusammensuchen, was er für den Erfolg benötigt. Zudem hilft sie, einen organisatorischen Unterbau zu schaffen, der sich mit den Werkzeugen aus dem ITSM-Portfolio ergänzen lässt. Das ist aus meiner Sicht die einzige Chance, die digitale Transformation zu meistern.“

Zudem können sie neue Produkte und Services schneller auf den Markt bringen. 30 Prozent gaben außerdem an, die Entwicklungszeit signifikant verkürzt zu haben. Dabei nutzen sie die automatische Skalierung, dynamisches Routing, Functions-as-a-Service (FaaS) und andere "serverlose" Technologien.

Im Grunde sehen Unternehmen, die ihre Cloud dynamisch nutzen, dieses Investment nicht als eine eigene Technologie, sondern als eine Ausweitung an. Sie kombinieren Cloud-Investment mit anderen neu aufkommenden Technologien, stets darauf bedacht, ihre Ressourcen dynamisch und effizient einzusetzen.

In der Tat zeigt der Report, dass Nutzer einer dynamischen Cloud mit 23 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit auch Technologien wie FaaS (zum Beispiel AWS Lambda) nutzen, mit 26 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit Container wie Docker einsetzen und 39 Prozent eher Container-Orchestrierung (zum Beispiel mit Kubernetes) nutzen. Ihre Unternehmenskultur ist auf Wandel und Flexibilität ausgelegt - und so beschränkt sich die Transformation nicht nur auf die IT-Infrastruktur, sondern wird zum integralen Teil der Arbeitsweise jedes Businessteams und eines jeden Mitarbeiters.