Auf der Weltkarte des Internets und der Informationstechnik ist Nordkorea der letzte weiße Fleck. Nun hat der totalitäre Staat anscheinend einen ersten Schritt in Richtung World Wide Web gemacht: Ein Block mit 1024 IP-Adressen, der bereits seit Jahren für das Land reserviert ist, wurde nun dem Unternehmen Star Joint Venture übertragen. Die Firma, ansässig in der Hauptstadt Pjöngjang, gehört zum Teil der thailändischen Loxley Pacific Ltd. Die wiederum hat bereits Erfahrungen in Hightech-Projekten in Nordkorea gesammelt. Beispielsweise hat Loxley Pacific im Jahr 2002 das erste Mobilfunknetz (Sunnet) des Landes gebaut.
Der Schritt kommt in einer Zeit, in der Nordkorea unter starkem internationalem Druck steht. Das ohnehin weitgehend isolierte Land hat sich noch weiter ins Abseits manövriert, seit es Ende März ein südkoreanisches Kriegsschiff versenkt hat. Bei dem Angriff starben mehrere Seeleute. Ein internationales Ermittlerteam stellte fest, dass das Schiff von einem nordkoreanischen Torpedo getroffen worden war. Daraufhin verschärften sich die Spannungen mit Südkorea. Bei einer möglichen Verurteilung durch die UN und den Weltsicherheitsrat drohte die Staatsführung jüngst mit Krieg.
Was das Regime mit den IP-Adressen vorhat, ist unklar. Selbst Experten, die das Land seit Jahren beobachten, sind ratlos. "Es gibt keinen Platz für das Internet in der heutigen Demokratischen Volksrepublik Korea", schüttelt etwa Leonid A. Petrov, ein Dozent für koreanische Studien an der Universität von Sydney, den Kopf. "Hätten die Nordkoreaner einen offenen Zugang zum World Wide Web, würden sie die Wahrheit erfahren, die ihnen die Staatsführung seit mehr als sechs Dekaden verheimlicht." Solange der aktuelle Staatschef Kim Jong-il oder sein Nachfolger keine Lust auf politischen Selbstmord hätten, würden sie das Internet sowie sämtliche anderen freien Medien im Land verbieten, so der Hochschullehrer. Die thailändische Loxley bestätigte Projekte mit Pjöngjang, äußerte sich jedoch nicht zu Plänen mit den IP-Adressen. "Sie sind Teil des Geschäfts. Dazu werden wir keine Informationen veröffentlichen", sagte Sahayod Chiradejsakulwong, Manager bei Loxley.
Nur die Elite hat Zugang zum Web
Bislang ist Nordkorea weitgehend vom Internet getrennt. Die offizielle Nachrichtenagentur und das Sprachrohr der Regierung betreiben eine eigene Website, deren Server in Japan stehen. Ein paar Privilegierte haben Zugang zu einem zensierten Teil des Internets. Die Website www.uriminzokkiri.com ist so etwas wie die offizielle Homepage des Landes. Auf ihr werden die Verdienste des Staatsführers Kim Jong-il gepriesen. Für die normalen Bürger gibt es seit dem Jahr 2000 ein nationales Intranet namens Kwangmyong, das im Korea Computer Center in Pjöngjang gehostet wird. Es verbindet Universitäten, Bibliotheken, Cyber-Cafes sowie andere Institutionen und betreibt Websites sowie E-Mail-Dienste. Eine Tür zum weltweiten Netz bietet es nicht.
Nur wenige tausend Mitglieder von Nordkoreas Elite, so schätzen Experten, können ins Internet, wie wir es kennen. Der Zugang erfolgt über China. Zudem existiert eine zweite Kommunikationsverbindung via Satellit nach Deutschland. Sie wird von Diplomaten und einigen Firmen benutzt.
Während der Bevölkerung der Zugang zum Internet versagt bleibt, surft Kim Jung-il dort offenbar gerne. Auf einer koreanischen Konferenz im Jahr 2007 brüstete er sich mit seiner Online-Erfahrung. Eine bestehende Internet-Verbindung in den Kaesong Industrial Park wollte er dagegen nicht ins Landesinnere verlängern lassen. Der Industriepark liegt im Norden des Landes an der Grenze zu Südkorea. Er wird von beiden Ländern als Sonderwirtschaftszone betrieben. Dort haben sich viele Unternehmen aus dem demokratischen Süden der koreanischen Halbinsel angesiedelt. "Es gäbe zu viele Probleme, wenn wir die Internet-Verbindung im Kaesong-Park mit anderen Teilen Nordkoreas verbinden würden", wird der Staatsführer zitiert. Er selbst fragte bei einem Treffen die damalige US-amerikanische Außenministerin Madeleine Albright im Jahr 2000 nach ihrer E-Mail-Adresse.
Der Staat kontrolliert die Medien
Die absolute Informationshoheit sichert sich die Staatsführung nicht nur in den digitalen Medien. Die Radios in Nordkorea werden beispielsweise auf bestimmte Empfangsfrequenzen fixiert, so dass die Bevölkerung keine ausländischen Sender empfangen kann. Die Übertragung der IP-Adressen auf ein westliches Unternehmen werten Beobachter angesichts der anhaltenden totalen Kotrolle des Staates auch nicht als Entspannung. Sie sind vermutlich für militärische Zwecke oder Regierungsaufgaben gedacht. Möglicherweise sind sie auch für Unternehmen vorgesehen. Nordkorea arbeitet intensiv daran, eine eigene IT-Industrie im Land zu etablieren (siehe Nordkorea: Die ungewöhnlichste Offshore-Adresse). (jha)