ERP-Software

Was bietet SAP ERP für R/3-Umsteiger?

09.08.2009
Viele Firmen vollziehen eine technische R/3-Migration. Doch SAP ERP bietet Funktionen, die einen genauen Blick lohnen. Experten von Realtech fassen die wichtigsten Punkte zusammen.

Bereits seit dem Jahr 2005 liefert SAP ihr aktuelles Release SAP ERP 6.0 aus. Dennoch konnten sich zahlreiche SAP-Anwenderfirmen bislang nicht zu einem Wechsel auf diese Produktversion entschließen. Nach Informationen des Marktforschungsunternehmens Raad Research nutzt die Hälfte der SAP-Bestandskunden nicht die aktuellen SAP-Produkte, sondern Systeme wie etwa R/3 4.7, das in diesem Jahr aus der Standardwartung fällt (siehe "So bauen SAP-Kunden ihre Umgebungen aus"). Und viele, die von R/3 auf SAP ERP umsteigen, aktualisieren zwar die Softwaretechnik, ohne jedoch die neuen Features der Business-Applikation zu nutzen (siehe auch "Versicherung schickt R/3 in den Ruhestand").

Welche Funktionen das sind und was sie bringen, haben Senior Consultants von Realtech im Folgenden zusammengefasst.

ERP-Wartung bis 2013

Das Kernrelease 6.0 basiert auf der NetWeaver-Plattform. Mit ihr sollen Anwender Geschäftsprozesse durchgängig abbilden können. Ferner bietet Netweaver den Einstieg in Service-orientierte Architekturen (SOA) und vermag Stand-alone-Systeme mit der ERP-Software zu verbinden.

Nachdem SAP die Standardwartung für ERP 6.0 bis zum Jahr 2013 verlängerte, erhalten Unternehmen einen höheren Investitionsschutz und haben mehr Zeit, den optimalen Zeitpunkt für ein Upgrade-Vorhaben zu bestimmen. Mithilfe optionaler Erweiterungspakete, der SAP Enhancement Packages, können Unternehmen ihre Kernlösung künftig schnell und ohne großen Aufwand aktualisieren und funktional erweitern (siehe auch "SAP verspricht leichtere Softwareupgrades"). Dies versetzt die Firmen in die Lage, sich aus dem jährlichen Wettrennen der vergleichsweise aufwendigen Release-Wechsel zu verabschieden.

Neben diesen Eigenschaften verfügt ERP 6.0 über eine Reihe von Funktionen, mit denen Firmen ihre Geschäftsprozesse effizienter gestalten können.

Vertrieb, Einkauf und Logistik arbeiten effizienter

Für die durchgehend elektronische Abwicklung aller Einkaufs- und Verkaufsvorgänge, im SAP-System Trading-Geschäft genannt, steht in SAP Global Trade innerhalb der Global Trading Workbench ein neues Objekt zur Verfügung: der Trading-Kontrakt, der vom Positions-Management und der Nebenkostenabrechnung ergänzt wird. Der Vorteil: Unternehmen können ihr komplettes Trading-Geschäft zentral über die Trading Workbench abwickeln und brauchen nicht mehr wie bisher bei mehreren Transaktionen im Ein- und Verkauf den Überblick zu behalten. Dies spart Zeit und vermeidet Fehler.

RFID-Unterstützung

Darüber hinaus unterstützt SAP ERP 6.0 nun auch RFID-Lösungen (Radio Frequency Identification). Bisher waren Kunden, die ihre Lagerprozesse mit RFID-Tags effizienter gestalten wollten, komplett auf sich allein gestellt: Sie mussten sich selbst um Schnittstellen und die Eingangsverarbeitung der Daten kümmern und konnten bestenfalls auf den Hardware-Hersteller zurückgreifen, wenn es nicht funktionierte. NetWeaver unterstützt mittlerweile die Anbindung von RFID-Geräten gängiger Anbieter, um Daten im Wareneingang, im Lager und im Warenausgang mobil oder stationär zu erfassen und direkt in die jeweiligen Logistikprozesse einzubringen. Mit der direkten RFID-Unterstützung können Firmen Einführungsprojekte für diese Lösungen verkürzen. Hinzu kommen auf Prozessebene die langfristigen Zeit- und Arbeitsersparnisse für Lagermitarbeiter, die mit einer solchen SAP-Lösung arbeiten.

Effizientere Prozesse im Personalwesen

In jeder Personalabteilung ist mittlerweile Software zur Unterstützung von HR-Prozessen (Human Resources) zu finden. Für die IT-Abteilung ist es heutzutage wichtig, die Bedienbarkeit der Anwendungen für die Personalabteilung zu vereinfachen, ohne den Funktionsumfang zu reduzieren. Ein Konzept für ansprechende und einheitliche Benutzeroberflächen vereinfacht die Arbeit mit HR-Applikationen und anderen Unternehmensanwendungen und erhöht ihre Akzeptanz. Hierbei gilt es vor allem, das Potenzial aus der Synergie von NetWeaver und SAP ERP 6.0 HCM (Human Capital Management) nutzbar zu machen.

Das Anwendungspaket SAP ERP HCM nutzt die SAP NetWeaver-Funktionen, um Prozesse in den Bereichen E-Learning, E-Recruiting, HCM Performance Management sowie formularbasierte Geschäftsabläufe abzubilden. Beispielsweise bietet SAP mit ERP 6.0 eine engere Integration von HCM-Prozessen und -Formularen im Bereich HCM Shared Service Delivery und SAP E-Recruiting, um automatisierte Personalprozesse zu realisieren.

Im SAP-Jargon Trading-Geschäft genannte Prozesse für Vertrieb, Einkauf und Logistik.

Auch hat SAP das Employee Interaction Center für die Integration von HCM-Prozessen und -Formularen erweitert. Dieses ermöglicht nun das Ausführen vordefinierter Prozesse, eine Automatisierung und -Standardisierung der HR-Abläufe sowie die Kollaboration zwischen Geschäftspartnern.

Die SAP Enterprise Learning Solution erlaubt nun einen Web-basierenden Zugriff und virtuelle Lernräume. Mithilfe dieser Neuerungen können Unternehmen sowohl ihre Aufwendungen im Hinblick auf Reisekosten und Mieten von Lernräumen reduzieren als auch Akzeptanz und Anwenderfreundlichkeit aufgrund optimierter Benutzeroberflächen erhöhen.

Beim E-Recruiting hat SAP vor allem an den Manager Self Services gearbeitet. So erhalten die Führungskräfte nun detaillierten Zugriff auf Bewerberinformationen. Zudem haben die Walldorfer Entwickler an Benutzeroberflächen gefeilt, neue Rollen implementiert und die Suchfunktion optimiert.

Die neuen HCM-Funktionen bieten die Möglichkeit, bisherige Kernaufgaben der Personalabteilung an die Mitarbeiter und Führungskräfte zu übertragen, indem sie ihnen die SAP HCM Employee und Manager Self Services zur Verfügung stellen - zum Beispiel beim Reise-Management oder den Self-Service-Szenarien "Meine Daten / Mein Team". Diese Szenarien können die Transparenz erhöhen und Abstimmungsschritte reduzieren. Auch die papierlose Gehaltsabrechnung ist machbar.

Rechnungswesen - Finanzabschlüsse beschleunigen

Das SAP Closing Cockpit ist ein Standardprogramm von ERP 6.0, das sich besonders für wiederkehrende Abschlussarbeiten eignet - insbesondere wenn unterschiedliche Verantwortliche beteiligt sind. So können Unternehmen mithilfe der Lösung ihren Periodenabschluss standardisiert, transparent, automatisiert und auditierbar gestalten. Das Closing Cockpit ermöglicht es, Abschlussprozesse von einer zentralen Stelle auszuführen und zu überwachen - selbst wenn die eigentlichen Prozesse in einem anderen SAP- System ablaufen. Der Vorteil: Die Firmen können so ihre Finanzabschlüsse deutlich schneller erstellen.

Neues Hauptbuch, Controlling und Profit-Center-Rechnung

Das neue SAP Hauptbuch ist eine der bedeutendsten Neuerungen seit dem Release ERP 2004. Es umfasst die Funktionen des klassischen Hauptbuchs, wurde darüber hinaus jedoch um Funktionen des Hauptbuchs (Special Ledger) erweitert, um so eine größere Flexibilität für das Rechnungswesen zu schaffen. Beispielsweise hat SAP die Profit-Center-Rechnung integriert und eine Reduktion der Abschlussarbeiten im Bereich Special Ledger und Controlling sichergestellt. Unternehmen können so über ERP 6.0 auf Ebene der Profit-Center oder Segmente bereits vollständige Bilanzen abbilden.

Darüber hinaus hat die parallele Rechnungslegung in den vergangenen Jahren verstärkt an Bedeutung gewonnen. Doch wo und wie lassen sich die Wertansätze der unterschiedlichen Rechnungsabschlussvorschriften effizient erfassen, speichern und dem Berichtswesen zur Verfügung stellen? Bislang bot SAP R/3 als Lösung zur parallelen Rechnungslegung zwei Möglichkeiten: Die einzelnen Konten und das Hauptbuch (Special Ledger). Die Kontenlösung ist die von den meisten Kunden verwendete und von SAP empfohlene Abbildungsmöglichkeit.

Der Nutzen des neuen Hauptbuchs ist gerade unter Harmonisierungs- und Standardisierungsaspekten ersichtlich. So ist das bisher verwendete Abstimmungsbuch zwischen Controlling und Finanzabteilung zum Monats- oder Jahresende hinfällig. Durch eine Echtzeitintegration leitet das System alle für die Hauptbuchhaltung relevanten Controlling-Belege sofort in die Finanzbuchhaltung weiter. Für jede Buchung im Controlling entsteht ein Beleg im Finanzwesen. Aus technischer Sicht baut das neue Hauptbuch auf einer breiteren einheitlichen Datenbasis auf. Beispielsweise sind Sachkonten, Funktionsbereiche und Profit-Center in einem Datensatz enthalten. (fn)

Die Experten

Die Details zu SAP ERP stammen von Carmen Uckermann, Wolfgang Elbel und Morteza Chobari, alle Senior Consultants bei REALTECH Consulting.