Pro und Contra

Was bringt die E-Plus-Übernahme durch O2?

23.07.2013 von Jürgen Hill und Manfred Bremmer
Mit dem Kauf von E-Plus durch Telefonica Deutschland entsteht auf dem Papier mit 43 Millionen Kunden der größte Mobilfunker der Republik. Die Redakteure Jürgen Hill und Manfred Bremmer diskutieren das Für und Wider des Deals.

Was haben die Benutzer von dem Deal?

CW-Redakteur Manfred Bremmer zeigt, was für eine Übernahme von E-Plus spricht.

Pro: Der Nutzer wird ganz sicher davon profitieren, so oder so: Klappt die Fusion, kann er auf ein gut ausgebautes Highspeed-Netz zugreifen. Gibt es Anlaufschwierigkeiten oder Schlimmeres, hat er immer noch die Option, nach Ablauf der Kündigungsfrist zu Vodafone oder der Telekom zu wechseln. Im Idealfall findet er dann dort sogar verbesserte Bedingungen, da die beiden Player sicherlich bei ihrer Preisstruktur und/oder der Netzqualität auf den erstarkten Wettbewerber reagieren müssen.

CW-Redakteur Jürgen Hill übernimmt den Contra-Part und zählt die Schwierigkeiten auf, die auf beide Unternehmen warten.
Foto: Joachim Wendler

Contra: Nichts, wenn es um die Netzqualität geht, denn dies ist eine Hochzeit von zwei Schwachen. So hat O2 häufig im Datenbereich mit Qualitätsproblemen zu kämpfen und die LTE-Qualität war im COMPUTERWOCHE-Reality-Check die schlechteste. Bei E-Plus steht der LTE-Ausbau noch am Anfang und viele User kritisieren die Qualität des UMTS/HSPA-Netze als schlicht "nicht vorhanden". Abzuwarten bleibt, ob der Konzern als Marktführer einen neuen Preiskampf startet.

Über 40 Millionen Kunden, das ist doch eine sichere Bank?

Pro: Im Prinzip ja, denn wer in Zeiten von Highspeed-Mobilfunk und insbesondere LTE noch E-Plus oder O2 nutzt, darf zu Recht als treuer Kunde bezeichnet werden. Beobachtet man den fortschreitenden Wandel der Nutzungsgewohnheiten weg von Telefonie und SMS hin zu mobilem Surfen etc., wird klar, dass die beiden Carrier damit einen starken Trumpf in der Hand halten, dessen Potenzial (= Umsatz) noch wächst.

Contra: Über 40 Millionen Kunden lesen sich auf dem Papier gut. Allerdings ist zu bedenken, dass diese meist von Discountern oder anderen günstigen, virtuellen Anbietern stammen. Diese Kunden bringen also einen niedrigeren Durchschnittsumsatz (ARPU, average revenue per user) als die User von Vodafone oder Telekom. Zudem sind viele dieser Kunden häufig reine Karteileichen, die eher Kosten verursachen, denn Umsatz bringen.

O2 und E-Plus, aus zwei Netzen wird ein großes, flächendeckendes Netz?

Pro: Im Prinzip ja, dazu müsste man allerdings im Detail überprüfen, inwieweit sich die Funkzellen von E-Plus und O2 insbesondere in ländlichen Gebieten überschneiden. Auch bei der genutzten Technik gibt es deutliche Unterschiede. Man darf daher nicht erwarten, dass der Netzausbau von heute auf morgen passiert.

Contra: In der Theorie mag das stimmen, in der Praxis weisen beide Netze in der Fläche große Lücken bei der schnellen Datenversorgung auf. Und in den Ballungsgebieten sind die Funkzellen der beiden Betreiber dank der Discounter-Kundschaft häufig überlastet, so dass keine vernünftigen Transferraten erreicht werden. Wer mobil arbeiten will, ist bei Telekom oder Vodafone besser aufgehoben - auch wenn er etwas mehr zahlen muss.

Nach der Übernahme spart der Mobilfunker laut O2 zwischen 5 und 5,5 Milliarden Euro im Vertrieb, beim Kundenservice sowie bei den Netzen? Das gibt doch Luft für Investitionen?

Pro: Auf jeden Fall, die genannten Einsparungen waren sicher der Hauptgrund für die Fusion. Gleichzeitig bekommen die Unternehmen nun mehr Druck auf geplante Investitionen wie die für 2014 anvisierte LTE-Einführung bei E-Plus und den fortschreitenden Ausbau des Highspeed-Netzes bei O2. Last, but not least rüstet sich der Zusammenschluss auch für die nächste Frequenzversteigerung Ende 2014/Anfang 2015.

Zumindest in der Werbung gibt es bei O2 Highspeed schon zur Genüge.
Foto: Harald Karcher

Contra: Daran glaube ich nicht. Sowohl E-Plus als auch O2 müssten ihre Netze dringend ausbauen anstatt zu sparen. In der Branche munkelt man, dass vor allem die Backbones im Gegensatz zur Konkurrenz nicht für das durch LTE zu erwartende Datenaufkommen ausgelegt seien. Letztlich bringen beide Unternehmen bei der Technik teure Altlasten in die Ehe ein, die noch viel Geld kosten dürften.

Macht die Ehe unter dem Strich Sinn?

Pro: Für die beiden Fusionspartner auf jeden Fall, nicht umsonst liefen die Gespräche ja schon seit gut zehn Jahren. Wie zuletzt bei der LTE-Frequenz-Auktion im Jahr 2010 zu beobachten war, ist im Markt eigentlich kein Platz für einen vierten, zudem finanzschwachen Player. Im Detail man muss allerdings noch abwarten, unter welchen Auflagen die Bundesnetzagentur dem Deal zustimmt und wie schnell anschließend der Zusammenschluss voranschreitet.

Contra: Geht es nur um den Börsenwert, der sich auch an der Kundenzahl orientiert, dann macht die Übernahme sicher Sinn. Aus technischer Sicht sehe ich keinen Mehrwert, denn das E-Plus-Netz ist in Sachen schneller Datenübertragung nur rudimentär ausgebaut. Das Ganze wirkt auf mich eher so, als ob O2 einen lästigen Konkurrenten im Billig-Segment vom Markt kaufen wollte. Deshalb ist mittelfristig durchaus auch zu befürchten, dass die Konsumenten verlieren, wenn im unteren Preissegment kein Wettbewerbsdruck mehr herrscht.

Die Geschichte von O2
Telefónica Deutschland, vormals O2, ist nicht einmal "volljährig" und hat doch schon mehrere Eigentümerwechsel hinter sich. Ende Oktober brachte der spanische Mutterkonzern Telefónica SA knapp ein Viertel seiner deutschen Tochtergesellschaft an die Börse.
1995: Viag Interkom wird gegründet
Vor gerade einmal 17 Jahren begann die Geschichte des Unternehmens, das heute als Telefónica Deutschland firmiert: 1995 gründen der deutsche Industriekonzern Viag und die British Telecommunications (BT) die Viag Interkom, zunächst als WAN-Dienstleister für Geschäftskunden.
1997: Einstieg ins Mobilgeschäft
Früh entscheidet das Management, ins Mobilfunkgeschäft einzusteigen. Die Lizenz dafür erhält Viag Interkom im Mai 1997. Im gleichen Jahr ändert sich die Eigentümerstruktur zum ersten Mal: Der norwegische Telekommunikationskonzern Telenor steigt ein und übernimmt von den beiden bisherigen Gesellschaften je fünf Prozent.
Im Oktober 1998 ...
... tritt der Newcomer als vierter Anbieter nach Deutscher Telekom, Mannesmann (heute Vodafone) und E-Plus mit Mobilfunkangeboten für den Verbraucher auf den Markt.
1999: Genion und "Home Zone"
1999 zeigt Viag Interkom die Innovationsmöglichkeiten, die im Mobilfunk liegen, und bringt sein Produkt "Genion" auf den Markt: In der sogenannten Homezone werden Kunden unter einer Festnetznummer auf ihrem Handy erreichbar und können dort verbilligt über ihr Mobiltelefon auch anrufen. Die Idee dahinter: Die Kunden können so auf einen Festnetzanschluss verzichten, ohne zu Hause die höheren Kosten für Mobilfunkgespräche zahlen zu müssen.
2000: Teure UMTS-Versteigerung
Als einer von sechs Bietern beteiligt sich Viag Interkom an der Versteigerung der UMTS-Lizenzen im Jahr 2000. Wie die Wettbewerber legt das Unternehmen mehr als 8 Milliarden Euro auf den Tisch, um am aussichtsreichen Geschäft mit schnellen Datenverbindungen verdienen zu können. Doch das läuft erst spät so richtig an.
Doch erst 2005 kommen mehr ...
... multimediataugliche Handys auf den Markt, die Nachfrage nach schnellen Mobilfunkdatenverbindungen steigt. Heute sind es gerade die mobilen Datenverbindungen, die für Dynamik bei den Telekommunikationsunternehmen sorgen. In diesem Jahr, so die Marktforscher von Dialog Consult, soll das mobile Datenvolumen um rund ein Drittel auf 130,7 Millionen Gigabyte steigen, knapp 200 Megabyte pro Monat und Nutzer.
2001: mm02 an der Börse
Ein riesiger Schuldenberg von mehr als 50 Milliarden Euro lastet auf British Telecommunications. Um sich finanziell wieder Luft zu verschaffen, trennt sich das ehemalige Staatsunternehmen Ende 2001 von seinem Mobilfunkgeschäft, in das er auch den Großteil von Viag Interkom eingebracht hat, durch einen Aktiensplit. Die Aktien des neuen Unternehmens mit Namen mmO2 werden fortan in London und New York an der Börse gehandelt.
2003: UMTS startet langsam
2003 wird das Startjahr für UMTS in Deutschland. Zumindest theoretisch. Nach der Versteigerung der Lizenzen hatten sich die Telekommunikationsunternehmen verpflichtet, bis 2003 25 Prozent der Bevölkerung mit UMTS zu versorgen. O2 erweitert seinen Vertrag über das nationale Roaming mit T-Mobile um UMTS.
2004: UMTS-Karte für Notebooks
Erst 2004 beginnt die kommerzielle Nutzung der teuer ersteigerten UMTS-Frequenzen. O2 Germany bringt mit einer UMTS-/GPRS-Karte für Notebooks sein erstes UMTS-Produkt mit entsprechendem Tarif auf den Markt. Das Unternehmen investiert in seine Marke O2 und eröffnet unter anderem seinen ersten Flagship-Store in München.
2006: O2 Germany überspringt die 10-Millionen-Marke bei Kunden.
Technisch schaltet das Unternehmen gegen Ende 2006 den Turbo für UMTS an und startet HSDPA (High Speed Downlink Packet Access) und ermöglicht so Megabit-Geschwindigkeiten im Mobilfunknetz.
2007: Einstieg ins Discountgeschäft mit Fonic
Der Wettbewerb um Marktanteile auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt wächst. Insbesondere E-Plus erhöht immer wieder mit niedrigen Preisen für Flatrates unter seiner Marke Base den Preisdruck im Markt. O2 Germany steigt 2007 in das Discountgeschäft ein und geht mit der Marke Fonic an den Start. Im Festnetzgeschäft verschärft sich der Ton unter den Wettbewerbern.
2008 passt O2 ...
... seinen Unternehmensnamen an den Mutterkonzern Telefónica an. Die deutsche Tochter bekommt den Namen Telefónica O2 Germany. O2 bleibt die wichtigste Marke, unter der das Unternehmen seine Produkte und Services anbietet. Das Festnetz von Telefónica Deutschland gehört jetzt auch zum Unternehmen.
2009: "Kostenairbag" für O2-Kunden
Das immer dichter und für Kunden verwirrender gewordene Tarifdickicht bekämpft Telefónica O2 Germany im Jahr 2009 mit dem Tarif "O2o" und beschert der Welt das Wort "Kostenairbag". Die Leser des Telekommunikationsmagazins connect wählen O2o zur Tarif-Innovation des Jahres.
2010: LTE-Versteigerung
Im Mai des Jahres bietet Telefónica O2 Germany bei der Versteigerung der LTE-Frequenzen mit. Verglichen mit der UMTS-Auktion im Jahr 2000 bleiben die Preise niedrig: 1,38 Milliarden Euro muss das Unternehmen für seine ersteigerten LTE-Frequenzen hinlegen. Unternehmenschef René Schuster kündigt noch für Ende des Jahres den Betrieb des ersten regionalen LTE-Netzwerks an.
2010: Mobilfunk im eigenen Netz
2010 hat die ehemalige Viag Interkom es geschafft und kann ohne die Hilfe der Deutschen Telekom bundesweit Mobilfunk über das eigene Netz anbieten. Das hatte O2 bereits Ende 2008 so ausgebaut, dass das Unternehmen nach eigenen Angaben 99 Prozent der Bevölkerung erreichte. Die Kooperation mit T-Mobile endet Anfang des Jahres. Sein Festnetzgeschäft vergrößert Telefónica in Deutschland durch den Erwerb der Hansenet.
2014: Übernahme von E-Plus
Im Sommer 2014 übernimmt Telefónica O2 den Konkurrenten E-Plus und steigt damit zum größten deutschen TK-Konzern auf. Die Marke "Base" wird im Zuge der Fusion aufgegeben, insgesamt 1600 Stellen fallen bis 2018 weg.

Teaserbild: E-Plus