Übersetzer im Vergleich

Was DeepL & Co. können

10.04.2023 von Andrea Modersohn und Jasmin Nesbigall
Übersetzungs-Tools wie DeepL, Google Translate oder Systran beherrschen ihr Handwerk immer besser. Sich in der geschäftlichen Kommunikation vollständig darauf zu verlassen, ist allerdings riskant.
  • Die Risiken sind besonders groß, wenn nicht in eine geläufige Sprache wie Englisch übersetzt wird
  • Fehler entstehen etwa durch fehlerhafte Textstrukturen oder schlecht trainierte Systeme
  • DeepL war der Gamechanger, der den Markt aufgerollt hat und zu einem der beliebtesten Übersetzungstools avanciert ist
Immer mehr Unternehmen nutzen Übersetzungstools, um Inhalte schnell weltweit zu distribuieren. Zwar werden DeepL & Co. immer besser, doch es gibt Fallstricke.
Foto: sweeann - shutterstock.com

Machine Translation (MT) ist nicht neu, schon seit den 1960er Jahren sind maschinelle Übersetzungen ein Thema. Zu Beginn beschäftigte sich vor allem die Forschung damit, dann - mit Aufkommen von Google Translate und den damit erzeugten oft unbeabsichtigt unterhaltsamen Ergebnissen - auch die Medien. 2016 erfolgte der Durchbruch für anwendungsfähige neuronale Machine Translation. Eine rasante Entwicklung für Sprachen und Services kam in Gang.

Heute sind maschinelle Übersetzungen aus dem privaten Umfeld und auch dem Geschäftsalltag nicht mehr weg zu denken. Nutzer können beliebige Texte und sogar Office-Formate in frei verfügbare Machine-Translation-Systeme eingeben und erhalten innerhalb von Sekunden ein Ergebnis. Die maschinelle Übersetzung wird dabei immer häufiger in andere Business-Systeme integriert, um internationale Prozesse zu vereinfachen und Inhalte schnell weltweit zu distribuieren. Und auch für die schnelle Informationsgewinnung setzen immer mehr Unternehmen auf eine maschinelle Übersetzungslösung, beispielsweise durch Anbindung eines Tools ins firmeneigene Intranet.

Übersetzungs-Tools: Fallstricke

"Für Englisch reicht uns jetzt DeepL, da lesen wir nochmal drüber und dann passt das" - diesen Satz haben Sie sicher auch schon gehört. Mit Blick auf Zeit und Kosten nutzen Unternehmen diese und andere Übersetzungs-Tools mittlerweile eben auch für die offizielle Unternehmenskommunikation. Doch Vorsicht: Keinem Machine-Translation-System gelingt es bis heute, Präsentationen und Dokumentationen, Fach- und Produkttexte wirklich fehlerfrei und konsistent zu übersetzen.

Die Nutzung solcher Tools birgt also einige Risiken. Das gilt für das von vielen gut beherrschte Englisch, aber noch viel mehr für Texte in Sprachen, die man nicht kennt, also auch nicht überprüfen kann. Hier kann es zu groben Schnitzern kommen, die im schlimmsten Fall das Unternehmens-Image beschädigen. Außerdem entstehen dabei konkrete Fehlerquellen für Anwendungen und Produktionen. Angesichts der begeisternden Möglichkeiten durch DeepL und Co. sind sich die Nutzer dessen oft nicht bewusst. Die Sache mit den Online-Übersetzern hat gleich neun Haken:

Machine Translation: DeepL vs. Systran vs. SDL

Die Übersetzung von deutschen Kurztexten ins Niederländische zeigen den Interpretationsspielraum, den sich die Systeme erlauben.
Foto: oneword.de

Welche Unterschiede bei der Nutzung auftreten, veranschaulicht ein Vergleich der drei genannten Systeme für maschinelle Übersetzungen, mit denen jeweils die gleichen niederländischen Kurztexte aus dem Bereich Software übersetzt wurden. Schon die erste Überprüfung zeigt: Ausgelassene Inhalte, Schwierigkeiten mit Sonderzeichen, Platzhalter und Tags. Zwei von drei Maschinen mischen die Anredeform, insgesamt weicht der Output teilweise voneinander ab:

Maschinelle Übersetzung: Erfolgsfaktoren

Machine Translation ist auch bei Sprachdienstleistern angekommen. Sie hilft, Übersetzungen - vor allem in großer Stückzahl - schnell und günstig anbieten zu können. Entscheidend hierfür sind drei Faktoren.

  1. Machine Translation + Post-Editing (MTPE): Für Ergebnisse, die mit der Humanübersetzung vergleichbar sind, braucht es ausgebildete Post-Editoren. Gemeint sind muttersprachliche Übersetzer und Linguisten, die maschinelle Vorübersetzungen prüfen und systematisch nachbearbeiten. Sie müssen mit dem Kontext vertraut sein und den Zeit- und Kostenaspekt im Blick behalten. Je nach Textsorte und Sprache fallen unterschiedliche Korrekturen an. Erfahrungsgemäß werden mindestens 25 Prozent, meistens aber bis zu zwei Drittel des maschinellen Ergebnisses angepasst beziehungsweise überarbeitet. Das gilt auch für Texte, die auf den ersten ungeübten Blick gut aussehen.

  2. Terminologie-Management: Im Gegensatz zu trainierten Algorithmen kennen die allgemein verfügbaren Übersetzungsmaschinen keine unternehmensspezifische Terminologie. Sie geben Texte je nach gelerntem Wortschatz und Kontext von einem Satz zum anderen inkonsistent aus. Für eine konsistente und korrekte Kommunikation mit Kunden, Geschäftspartnern und Kollegen ist eine übergeordnete Instanz in Form einer Terminologie-Datenbank nötig, die die spezifische Sprache eines Unternehmens abbildet und klare Vorgaben macht.

  3. Translation Memory: Sind Texte bereits übersetzt worden, oder sie liegen in ähnlichen Varianten vor, müssen sie nicht neu übersetzt, sondern lediglich im Kontext geprüft und überarbeitet werden. Übersetzungen werden dafür in Translation-Memory-Systemen (TMS) gespeichert und neue Texte mit diesen abgeglichen. Auch ähnliche Sätze, in denen vielleicht drei Wörter anders sind, werden aus dem TMS übernommen und angepasst. Um zu verhindern, dass vorhandene Texte, ältere Broschüren etwa, komplett anders aussehen, braucht es das produktive Zusammenspiel aus Übersetzungsspeicher und Abfrage ans Machine-Translation-System für alle Textpassagen.

Im Idealfall werden für die professionelle Verwendung maschineller Übersetzungen alle drei Komponenten genutzt - vor allem deren Synergien untereinander. Trotz dieser Fortschritte ist der menschliche Übersetzer keineswegs überflüssig. Fehlerfrei ist bis dato noch kein System für maschinelle Übersetzung, und Posteditoren nehmen immer noch eine Schlüsselrolle ein. Gute Übersetzungen in einem wirtschaftlichen Umfeld verlangen nicht nur sprachliches, sondern auch technisches und wirtschaftliches Know-how.

Was heißt all das für professionelle Übersetzerinnen und Übersetzer? Machine-Translation-Systeme sind nicht als Konkurrenz und Gefahr zu sehen, sondern als Produktivitätsfaktor und neues Betätigungsfeld. Unternehmen werden mit den kostenlosen Systemen in der professionellen Kommunikation schnell an ihre Grenzen stoßen. Sie sollten auf trainierte Maschinen und versierte Sprachdienstleister setzen. In der Geschäftskommunikation sollte nicht an der falschen Stelle gespart werden, es gilt vielmehr Sprachverwirrungen und Inkonsistenzen, Missverständnisse und folgenschwere Anwendungsfehler zu vermeiden. Deren Kosten sind im Zweifel um ein Vielfaches höher. (hv)