Führung

Was deutsche CIOs erfolgreich macht

20.09.2021 von Wolfgang Herrmann
Führungs- und Business-Kompetenz gepaart mit visionärem Denken und Beharrlichkeit zeichnen erfolgreiche deutsche CIOs aus.
"Empathie ist eine erfolgskritische Charaktereigenschaft für CIOs", sagt Thomas Mannmeusel, CIO von Webasto und CIO des Jahres 2020.
Foto: Webasto

Im digitalen Zeitalter stehen CIOs an einem Scheideweg. Schaffen sie es, den Herausforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden und gewinnen so im Unternehmen weiter an Einfluss? Oder scheitern sie und entwickeln sich zurück in die ursprüngliche Rolle eines "IT-Leiters"? Diese Frage stellten sich Markus Matschi und Martin Stephany von der Managementberatung 4C Group. Welche Faktoren den Erfolg eines CIOs beeinflussen, untersuchten sie in einer breit angelegten Studie zur deutschen CIO-Szene. Die Berater kooperierten dazu mit Prof. Dr. Markus Westner von der Fakultät Informatik und Mathematik an der OTH Regensburg.

Eines vorweg: Tiefes IT-Wissen und eine exzellente technische Ausbildung gehören der Erhebung zufolge nicht zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren. Sie sind laut den Studienautoren zwar wichtige Größen, die sich zumindest indirekt auswirken können. Besonders erfolgreiche CIOs zeichnen sich aber vor allem durch Führungskompetenz, betriebswirtschaftliches Wissen und Eigenschaften wie Beharrlichkeit, visionäres Denken und Empathie aus.

Im ersten Teil beleuchtet die Studie im Rahmen einer quantitativen Analyse biografische Merkmale von 384 deutschen CIOs, darunter Ausbildung, Karrierepfade und Unternehmensdaten. In der Untersuchung wurden nur Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern berücksichtigt, da dort mit IT-Organisationen zu rechnen sei, die mehr als 100 Angestellte zählten.

Für den zweiten Teil befragten die Initiatoren 60 CIOs mit primär überdurchschnittlich langer Amtszeit in qualitativen Interviews zu ihren Erfahrungen. "Wer Erfolg hat, bleibt lange im Amt, und wer lange im Amt ist, ist erfolgreich," begründen die Autoren ihre Orientierung an der Verweildauer in der CIO-Position. Diese These lasse sich wissenschaftlich fundiert für C-Level Positionen belegen.

Nur vier Jahre bleiben deutsche CIOs im Amt

Von den biografischen Merkmalen erhofften sich die 4C-Berater erste Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang mit der Amtszeit der CIOs. Mit einer Verweildauer von durchschnittlich vier Jahren halten sich deutsche CIOs in Großunternehmen laut Studie deutlich kürzer im Amt als ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Management-Positionen. 88 Prozent der CIOs besitzen einen akademischen Bildungsabschluss.

Markus Matschi von der Managementberatung 4C Group: "Die Reporting-Line der CIOs ist nicht per se erfolgsentscheidend, ein Berichtsweg an den CFO kann aber die Gefahr bergen, dass der Fokus primär auf das Kostenmanagement und nicht auf den strategischen Mehrwert der IT gelegt wird."
Foto: 4C Group

Entgegen dem verbreiteten Bild vom CIO als "Techie" sind 46 Prozent Wirtschaftswissenschaftler, in der Erhebung finden sich in etwa genauso viele CIOs mit technischem wie mit Business-Hintergrund. Mit 43 Prozent berichtet die Mehrheit der CIOs an den CFO, nur ein Viertel an den CEO und sechs Prozent an den CTO. Weitere sechs Prozent sind dem CDO gegenüber berichtspflichtig. Matschi und Stephany sehen darin ein Dilemma vieler CIOs: "Diese Konstellation birgt die Gefahr, dass der Fokus primär auf das Kostenmanagement und nicht auf den strategischen Mehrwert der IT gelegt wird."

Unterm Strich zeigt die Analyse der biografischen Faktoren, dass weder die Größe oder Branche der Unternehmen noch der Bildungs- und Berufshintergrund der CIOs einen statistisch signifikanten Einfluss auf deren Amtszeit haben. Die Studienautoren schließen daraus, dass die Erfolgsfaktoren eher in der täglichen Arbeit und in der Person der CIOs liegen. Diese Aspekte untersuchten sie mithilfe von semistrukturierten Interviews.

Im Zeitraum von Januar bis Mai 2021 befragten sie 60 CIOs, die in der Regel bereits mehr als vier Jahre im Amt waren. "Lange Amtszeiten korrelieren mit überdurchschnittlichen Erfolgen", begründet Stephany das Vorgehen. Zudem brauche der Übergang in eine neue CIO-Position Zeit: "Um als 'Business Leader' wahrgenommen zu werden und einen eigenen, nachhaltigen und strategischen 'Footprint' zu generieren, können bis zu zwei Jahre vergehen."

"Um als 'Business Leader' wahrgenommen zu werden und einen eigenen, nachhaltigen und strategischen 'Footprint' zu generieren, können bis zu zwei Jahre vergehen", sagt Martin Stephany von der 4C Group.
Foto: 4C Group

In den Interviews ging es schwerpunktmäßig um große Erfolge, notwendige Kompetenzen, hilfreiche Charaktereigenschaften und den Einfluss gesetzter CIO-Rollen. Hinzu kamen der Einfluss des Management-Umfelds und die Frage nach einer erfolgssteigernden Organisationsstruktur. Die Befragten sollten zudem Angaben zum Reiz der CIO-Position und ihren Herausforderungen machen.

Führung als Schlüsselkompetenz des CIO

Ein klares Bild ergibt das Ranking der drei vorgegebenen Kompetenzen Führung, Business und Technik. 44 von 60 CIOs gaben an, dass gute Führung die wichtigste Kompetenz für ihre Arbeit sei. Nur sieben Befragte entschieden sich für Business und vier für Technik. "Als CIO ist es wichtig, vom Problem her zu denken, nicht zuerst von der Technik", erklärte etwa der CIO eines Verkehrsunternehmens. Für den CIO eines Herstellers von Haushaltsgeräten ist "CIO zu sein eine transformatorische Aufgabe. Man braucht eine Mannschaft, und die muss man führen können." Besonders relevant in Sachen Führung ist für die Befragten der Aufbau und die Pflege von Beziehungen sowie eine adressatengerechte Kommunikation.

Ralf Schneider, Group CIO der Allianz SE: "Die Position des CIOs ist herausfordernd und komplex, daher ist eine sehr hohe Problemlösungsfähigkeit gefragt. Wie sagen die Navy Seals so schön: The only easy day was yesterday."
Foto: Allianz SE

Die Berater wollten zudem wissen, welche Charaktereigenschaften erfolgreiche CIOs auszeichnen. Auch hier wurden die Interviewten zunächst um ein Ranking vorgegebener Begriffe gebeten. Visionäres Denken und Beharrlichkeit stehen hier ganz oben. Auf den Plätzen folgen Flexibilität, Kreativität und Risikobereitschaft.

Visionäres Denken zeige sich zum einen darin, die Zukunft zu antizipieren und "immer einen Schritt voraus zu sein", kommentieren die Studienautoren. Wichtig sei aber ebenso die Fähigkeit, "eine klare zielgerichtete Vision vorgeben zu können." Der CIO einer internationalen Bank erklärte dazu: "Eine Stadt verändert sich jedes Jahr nur um ein paar Prozent. Mit der IT ist es das Gleiche. Man hat eine Menge Altsysteme und kann diese nur nach und nach verändern. Dafür braucht man einen klaren Plan."

Neben dem Ranking vorgegebener Begriffe konnten die befragten CIOs weitere relevante Charaktereigenschaften angegeben. In der Studie wurden diese in drei Cluster eingeordnet: Empathie, Resilienz und Neugier. Thomas Mannmeusel, CIO von Webasto und CIO des Jahres 2020, hebt besonders den ersten Punkt hervor: "Empathie ist eine erfolgskritische Charaktereigenschaft für CIOs. Es ist essenziell, sich in Kollegen hineinversetzen zu können und deren Interessen und Beweggründe zu verstehen."

Auch andere weiche Faktoren spielen für IT-Chefs eine wichtige Rolle. "Wenn der Erfolg ausbleibt, wird eher die IT als das Business in Frage gestellt", war beispielsweise zum Thema Resilienz zu hören. Die Befragten gaben mehrheitlich an, dass man diese Kritik "nicht persönlich nehmen" dürfe und "ein dickes Fell haben" müsse. Daher wurden auch Eigenschaften wie Frustrationstoleranz und Leidensfähigkeit genannt. Die notwendige Resilienz beschrieb ein CIO mit der Eigenschaft, "gegen die Wand zu laufen und wieder aufzustehen."

Ralf Schneider, Group CIO der Allianz SE, beschreibt noch eine weitere Kernkompetenz: "Die Position des CIOs ist herausfordernd und komplex, daher ist eine sehr hohe Problemlösungsfähigkeit gefragt. Wie sagen die Navy Seals so schön: 'The only easy day was yesterday'"

Was reizt CIOs an ihrer Position?

Um die vielfältigen Herausforderungen meistern zu können, brauchen CIOs einen inneren Antrieb. Was motiviert sie, was reizt sie an ihrer Position? Knapp die Hälfte der Befragten sieht den Reiz in den vielen Gestaltungsmöglichkeiten, die sich aufgrund der Querschnittsfunktion IT ergäben. "Das Reizvolle an der CIO-Position ist die Möglichkeit, sowohl Einfluss auf strategische Fragen zu nehmen als auch die Verantwortung für die Implementierung zu tragen", kommentiert Vonovia-CIO Karsten Rech.

"Das Reizvolle an der CIO-Position ist die Möglichkeit, sowohl Einfluss auf strategische Fragen zu nehmen als auch die Verantwortung für die Implementierung zu tragen", sagt Vonovia-CIO Karsten Rech.
Foto: Vonovia

Die Möglichkeit des Gestaltens hängt eng mit der gestiegenen Bedeutung der IT zusammen. Für einen interviewten CIO etwa ist die "IT wichtigstes Werkzeug für Change-Prozesse." Wandel funktioniere heute kaum mehr ohne IT. Ähnliches berichtet der CIO eines Medienkonzerns: "Jede Veränderung geht heutzutage über den CIO-Tisch."

CIOs und ihre größten Erfolge

Ihren größten Erfolg sehen knapp 50 Prozent der CIOs in der Aufwertung der IT-Organisation. Das zeige sich vor allem daran, dass die IT mittlerweile auf Augenhöhe mit dem Business als "Enabler" oder "Partner" wahrgenommen werde. Erik Hennig, CIO des Energieunternehmens Steag, sagt: "Der CIO ist heute eine absolute Schlüssel- und Gestaltungsfunktion im Unternehmen."

42 Prozent der CIOs sind zudem stolz auf konkrete Projekterfolge mit den Fachbereichen. Damit sei es ihnen gelungen, ihre Fähigkeiten zu demonstrieren und Vertrauen in die IT aufzubauen, kommentieren die Studienautoren. Ein gutes Drittel der Befragten sieht eine konsolidierte IT-Landschaft als Fundament erfolgreicher Arbeit an.

Auch in organisatorischer Hinsicht haben die CIOs nach eigener Einschätzung viel geleistet. Knapp ein Drittel berichtet, die IT-Organisationsstrukturen angepasst zu haben, was in vielen Fällen auf ein verändertes internes Operating Model hinauslief. Der CIO eines Anlagenbauers sieht beispielsweise die größte Leistung in der Strukturierung der IT, wobei regionale Einheiten in eine globale und integrierte Organisation transformiert wurden. Last, but not least, erklären 27 Prozent der CIOs, einen Kulturwandel eingeleitet oder vollzogen zu haben.

CIOs wollen Innovationen stärker vorantreiben

Wie erfolgreich ein CIO ist, hängt auch mit seiner Rolle im Unternehmen zusammen. Sie gibt Aufschluss über das Aufgabenspektrum und den Verantwortungsbereich. In den Interviews sollten die Befragten angeben, wieviel Zeit sie jeweils in verschiedenen Rollen verbracht haben und welche Verteilung sie in Zukunft anstreben. Zur Auswahl standen die Begriffe Technology Provider, Innovation Driver, Relationship Builder und Integration Advisor. Das Ergebnis: der aktuelle zeitliche Aufwand ist über alle vier Rollen nahezu gleich verteilt.

Heiko Weigelt, CIO der Funke Mediengruppe: "Der CIO muss in der heutigen Zeit auch Impulse für neue Geschäftsmodelle geben."
Foto: Funke Mediengruppe

Nach Einschätzung der CIOs wird sich das auch künftig nicht gravierend verändern. Nur beim Technology Provider ist eine Abnahme erkennbar, in die Rolle des Innovation Drivers wollen die Befragten indes mehr Zeit investieren. "Der CIO muss in der heutigen Zeit auch Impulse für neue Geschäftsmodelle geben", erklärt etwa Heiko Weigelt, CIO der Funke Mediengruppe.

Die größten Herausforderungen für den CIO

Um die unterschiedlichen Rollen wahrnehmen zu können, brauchen CIOs ein geeignetes Management-Umfeld. Zwar gehen fast alle Befragten von einer hohen Bedeutung der IT für den Erfolg ihres Unternehmens aus. Doch die Mehrheit stuft etwa die IT-Kompetenz der Geschäftsbereiche nur als moderat ein und wünscht sich offenbar mehr davon.

Das gilt auch für einen anderen Aspekt: Trotz der insgesamt hohen Bedeutung der IT sind noch längst nicht alle CIOs in die Entwicklung der Geschäftsstrategie eingebunden. Geht es um die operative Umsetzung der IT-Strategie, genießen sie dagegen hohe Freiheitsgrade. "Viele CIOs werden noch schlicht als oberste IT-Verantwortliche wahrgenommen", kommentiert Christian Graf, CIO beim Bauzulieferer Schüco. "Um nachhaltig einen Impact zu generieren, muss man als CIO jedoch die Transformation vom 'Technologie Caterer' hin zum 'Business Enabler' schaffen."

Zu den größten Herausforderungen zählt eine Mehrheit der CIOs die Personalentwicklung und -rekrutierung. Der CIO eines Mobilitätsdienstleister etwa hält es für entscheidend, Schlüsselkompetenzen künftig im eigenen Haus zu haben: "Es wird interessant sein zu sehen, ob man alle notwendigen Kompetenzen auf dem Markt findet oder selbst entwickeln muss." Um Fachkräfte zu gewinnen, wollen die CIOs insbesondere ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen und innovative Arbeitsmodelle realisieren. Kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzuentwickeln und zu halten, ist dabei eine zusätzliche Herausforderung. "Natürlich muss man Fähigkeiten neu ausbilden, aber man darf auch nicht die älteren Themen aus den Augen verlieren", sagt der CIO eines Versicherers dazu.

Mehr als die Hälfte der IT-Manager sieht es zudem als große Herausforderung, sich nicht als Kostenfaktor, sondern als "Innovation Enabler" zu positionieren. Dazu braucht es unter anderem eine "integrative und skalierbare IT-Architektur", die 45 Prozent der Befragten nennen. Viele CIOs wollen ferner die Geschwindigkeit und Flexibilität der IT-Organisation steigern.

Security: "Sudden Death" des CIO

Unabdingbar ist zudem eine sichere Systemlandschaft. 35 Prozent der CIOs sehen Kernherausforderungen im Bereich Information Security. Die Relevanz von Sicherheitsthemen nehme durch die Verknüpfung von neuen Plattformen weiter zu, erklärt etwa der CIO eines produzierenden Unternehmens. Und der IT-Chef eines Versicherers kommentiert, ein gravierender "Security Incident" könne zum "Sudden Death" als CIO führen. "Ein CIO hat viele Möglichkeiten zu scheitern. Wenn allerdings ein großer Hack reinkommt, dann ist man schnell weg."

Den Wertbeitrag der IT messbar zu machen, ist nach wie vor eine große Herausforderung für die IT-Organisationen, sagt Thomas Kleine-Möllhoff, IT-Chef für die DACH-Region bei Pfizer.
Foto: Pfizer

Ein Drittel der Befragten will sich künftig auch intensiver mit dem Wertbeitrag der IT beschäftigen. Diesen messbar zu machen, sei "nach wie vor eine große Herausforderung für die IT-Organisationen", sagt Thomas Kleine-Möllhoff, IT-Chef für die DACH-Region bei Pfizer. Ein weiterer Aspekt: Obwohl die CIOs zum Teil mit steigenden Budgets rechnen, spielt Kosteneffizienz nach wie vor eine große Rolle. Der CIO eines Energieversorgers beschreibt seine Situation so: "Auf der einen Seite wächst der Kostendruck, auf der anderen Seite das Anforderungsspektrum."

Das wünschen sich deutsche CIOs

Um ihre Ziele besser erreichen zu können, wünschen sich die befragten CIOs auch Veränderungen in der Organisation ihrer Unternehmen. Viele möchten direkt im Einflussbereich des CEO verortet sein und möglichst der Geschäftsführung angehören. "Die Bedeutung der IT muss im gesamten Unternehmen erkannt und IT- sowie Digitalkompetenz weiter ausgebaut werden", fassen die Studienautoren zusammen. Dazu gehöre neben einem starken Einfluss der CIOs, dass die Fachbereiche vermehrt Verantwortung für IT-Themen übernähmen.