AWS, OpenStack, Cloud Foundry

Was IT-Manager über Cloud-Standards wissen sollten

24.10.2016 von Wolfgang Herrmann
Cloud-Standards können helfen, die Abhängigkeit von einem Provider zu verringern. Doch die Fülle an Standardisierungsgremien und De-facto-Standards erschwert es IT-Verantwortlichen, auf das richtige Pferd zu setzen. Eine Studie von Forrester Research bringt Licht ins Dunkel.
  • AWS und OpenStack bleiben die wichtigsten De-facto-Standards im Cloud-Umfeld
  • Standardisierungsgremien haben eine Vielzahl von Spezifikationen erarbeitet, die in der Praxis aber wenig genutzt werden
  • Microsoft Azure macht Boden gut und könnte sich ebenfalls zu einem De-facto-Standard entwickeln

Mit Cloud-Services wollen Unternehmen mehr Flexibilität und Skalierbarkeit für ihre Applikationen gewinnen. Doch viele fürchten, dabei von einem Anbieter abhängig zu werden. Die Forrester-Analystin Lauren E. Nelson hält solche Bedenken für durchaus berechtigt. Ohne Standardisierung drohten Anwendungen, Produkte und im Extremfall ganze Unternehmen abhängig zu werden vom Erfolg und den Entscheidungen eines einzigen Anbieters.

Im Dickicht der Spezifikationen, Standards und De-facto-Standards können Cloud-Verantwortliche leicht den Überblick verlieren.
Foto: Tashatuvango / shutterstock.com

Standardisierungsorganisationen, die großen Cloud-Provider und insbesondere Open-Source-Communities versuchen in diesem Kontext, De-facto-Standards zu schaffen, die sich allmählich zu anerkannten Cloud-Standards entwickeln. IT-Verantwortliche sollten die wichtigsten Akteure und Entwicklungen kennen, um fundierte Entscheidungen hinsichtlich ihrer Cloud-Strategie treffen zu können.

AWS und OpenStack sind De-facto-Standards

Die Compute- und Storage-APIs von Amazon Web Services (AWS) bleiben im Public-Cloud-Markt das Maß der Dinge. Eine große Zahl damit verbundener Produkte und Services unterstützt diese Programmierschnittstellen ebenfalls. Für erfahrene Softwareentwickler im Public- wie auch im Private-Cloud-Bereich ist die Unterstützung von Amazon-APIs heute keine Option mehr, sondern schlicht eine Kernanforderung, urteilt Nelson.

Die zweite große Kraft OpenStack entwickelte sich im Jahr 2014 zu einem Quasi-Standard. Die OpenStack Foundation verkündete stolz, dass bereits die Hälfte aller Fortune-1000-Unternehmen das Softwarepaket einsetze. Heute bilden AWS und OpenStack nach Einschätzung von Forrester die zwei wichtigsten Plattformstandards, hinzu komme eine ganze Reihe schon länger existierender Virtualisierungs- und Management-Standards wie etwa VMware vSphere.

Viele "offizielle" Cloud-Standards bleiben unbedeutend

Trotz solcher De-facto-Standards beschäftigen sich zahlreiche Gremien und Organisationen aktuell mit Cloud-Standards. Von den diversen Open-Source-Communities im Cloud-Umfeld würden diese allerdings kritisch beäugt, berichtet Forrester. Die Reaktionszeiten auf aktuelle Entwicklungen seien zu lang, die Prozesse zum Teil antiquiert, kritisieren Anhänger quelloffener Software. Die Organisationen haben auf die Kritik reagiert und suchen in jüngster Zeit immer häufiger den Kontakt zu den Open-Source-Gruppen, die mit ihrer großen User-Basis einschlägige Standards viel schneller testen können.

Aus der Menge unterschiedlichster Organisationen und Verbände hebt Forrester die Cloud Security Alliance (CSA) hervor, die in Sachen Cloud Security inzwischen durchaus anerkannt ist und beispielsweise Hewlett-Packard Enterprise (HPE) als Partner gewonnen hat. Zu den Errungenschaften der CSA gehören vor allem Zertifizierungs- und Trainingsprogramme für Cloud-Experten, darunter das Certificate of Cloud Security Knowledge, CloudAudit und Cloud Controls Matrix.

Für besonders relevant halten die Forrester-Experten auch sogenannte Customer Councils. So sei etwa der Cloud Standards Customer Council (CSCC) der Object Management Group (OMG) derzeit die einzige auf Endbenutzer ausgerichtete Organisation im Cloud-Umfeld. Zu seinen Mitgliedern gehören mehr als 600 Unternehmen, darunter AT&T, Boeing, Citigroup, Ford Motor und Lockheed Martin. Der CSCC organisiert sich rund um typische Probleme von Cloud-Anwendern, darunter beispielsweise branchenspezifische Einsätze, Datenschutz, SLAs und Security.

Open-Source-Projekte für IaaS: OpenStack macht das Rennen

Die Bedeutung von Open-Source-Software in Cloud-Projekten nimmt weltweit zu. Fast 60 Prozent der von Forrester befragten IT-Entscheider mit Cloud-Plänen aus Europa und Nordamerika gaben an, in den kommenden 12 Monaten vermehrt quelloffene Software einzusetzen. Gefragt nach den Private-Cloud-Plänen, erklärte eine große Mehrheit, dafür eine kommerzielle Distribution eines einschlägigen Open-Source-Projekts nutzen zu wollen.

Im Bereich Infrastructure-as-a-Service (IaaS) gibt es aktuell vier maßgebliche Open-Source-Projekte: OpenNebula Project, Eucalyptus, Apache CloudStack und OpenStack. Nach Einschätzung von Forrester hat aber einzig OpenStack das Potenzial und die Marktpräsenz, um einen De-facto-Standard zu setzen.

OpenStack hat sich im IaaS-Segment gegen andere Open-Source-Projekte durchgesetzt.
Foto: Mirantis

Aufkommende Standards: Cloud Foundry, Kubernetes, Azure

Dessen ungeachtet empfiehlt Forrester IT-Verantwortlichen, auch aufkommende Standards im Auge zu behalten. Dazu gehört beispielsweise Cloud Foundry, laut den Analysten derzeit die größte Open-Source-Community im PaaS-Umfeld. Ähnlich wie bei OpenStack treibt hier eine Stiftung die Entwicklungsarbeiten voran, die von mächtigen IT-Herstellern unterstützt wird, darunter Dell, EMC, HPE, IBM, Pivotal und VMware.

Die größte Bedrohung für Cloud Foundry auf dem Weg zu einem De-facto-Standard könnte die Vorliebe etlicher Entwickler für Container-Techniken werden, erwartet Forrester. Hier kommt beispielsweise das Open-Source-System Kubernetes ins Spiel. Dabei handelt es sich nicht um eine Cloud-Plattform, sondern um eine Technologie zur Container-Orchestrierung, die einst von Google entwickelt und später der Open-Source-Community übergeben wurde.

Microsoft Azure macht Boden gut

Last, but not least ist auch Microsoft Azure dabei, sich zu einem De-facto-Standard für Cloud-Szenarien zu entwickeln, beobachten die Forrester-Experten. Zwar sei AWS in Sachen Funktionalität nach wie vor weit vorn im Public-Cloud-Markt. Doch dahinter platziere sich Azure als Nummer zwei. In jüngster Zeit habe Microsoft erheblich an Boden gut gemacht, beispielsweise unterstützten die hauseigenen Cloud-Management-Tools nun mehr Plattformen und der Anbieter gewährt Azure-Kunden großzügige Rabatte auf andere Microsoft-Produkte. Für viele Cloud-Entwickler werde die Unterstützung von Azure-APIs schon bald der Normalfall sein, prognostiziert Forrester deshalb.

Lesen Sie dazu auch unsere Serie "Cloud-Giganten":

Microsoft Azure - mit der deutschen Cloud zu neuen Geldquellen

Amazon Web Services - viel Cloud für wenig Geld

T-Systems - mit vier IaaS-Plattformen gegen AWS und Co.

IBM Softlayer und Bluemix auf dem Prüfstand

Die große Aufholjagd von Google

Die Oracle-Cloud hat noch viel Luft nach oben

Cloud-Standards: Was Forrester IT-Managern rät

IT-Verantwortlichen raten die Analysten vor diesem Hintergrund zu einer pragmatischen Herangehensweise:

Auch wenn Sie kein Experte in der Entwicklung von Cloud-Standards sind, können Sie von einem Engagement im Cloud Standards Customer Council (CSCC) mit seinen 600 Mitgliedsunternehmen profitieren. Die Organisation ermöglicht es unter anderem, Kontakte zu anderen Cloud-Nutzern zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen. Mindestens aber sollten Sie die Whitepapers der Organisation nutzen, wenn Sie ihre Cloud-Strategie ausarbeiten. Ein aktuelles Whitepaper beschäftigt sich beispielsweise mit der Migration von Anwendungen in die Cloud.

AWS ist der Defacto-Standard und die meisten anderen Lösungen im Markt (beispielsweise Management-Tools und Plattformen) schreiben gegen AWS-APIs um die Interoperabilität der Systeme zu gewährleisten. Die Kombination aus Ökosystem, Technologie und Marktanteil macht AWS zu einem wichtigen "Influencer" künftiger Cloud-Standards. OpenStack-basierte Lösungen sind gerade dabei, den Markt zu erobern und werden ebenfalls einen großen Einfluss auf API-Standards haben.

Solange es noch keine echten Standards gibt, füllen Management-Tools die Lücken in Sachen Funktionalität und Interoperabilität. Nutzen Sie solche Lösungen, um ihr Cloud-Portfolio über eine einzige Plattform wie etwa RightScale zu verwalten. Sie übernimmt Aufgaben wie Security, Monitoring und Cloud-Lifecycle-Management.

Wenn Cloud-Standards noch fehlen, sollten Sie, wo immer möglich, auf Standards in den Bereichen Internet, Management, Virtualisierung und Web Services setzen. Cloud-Standards werden häufig aus eben solchen Spezifikationen abgeleitet. Wenn Sie beispielsweise Netzwerk-Monitoring und Analytics-Lösungen bewerten, achten Sie auf standardisierte Monitoring-Methoden oder Data-Center-zu-Data-Center-Protokolle.

Cloud-Giganten: Amazon Web Services
AWS Umsatz
Im Geschäftsjahr 2015 erzielte AWS einen Umsatz von rund 7,9 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Der Mutterkonzern Amazon verbuchte im Geschäftsjahr 2015 einen Umsatz von rund 107 Milliarden Dollar und ein Betriebsergebnis von 7,88 Milliarden Dollar.
Cloud-Ausprägungen
Die Abgrenzung von Infrastructure, Platform und Software as a Service (IaaS, PaaS, SaaS), die Experton Group sie sieht.
Weltweiter Umsatz mit Public-Cloud-Diensten
Der weltweite Umsatz mit Public-Cloud-Diensten und entsprechender Hard- und Software weist hohe zweistellige Zuwachsraten auf. Das gilt mit einem Plus von 49 Prozent vor allem für Infrastructure as a Service (IaaS).
AWS Services
Übersicht über die Services von AWS: Ausgehend von Kernservices wie Rechenleistung und Speicherressourcen aus der Cloud hat das Unternehmen seit 2007 seine Produktpalette sukzessive erweitert, im Jahr 2015 beispielsweise um Workspaces und Analytics-Applikationen.
AWS Innovationen
AWS steigert sein Angebot an Cloud-Diensten und neuen Funktionen für bestehende Services in rasantem Tempo. So kamen im Jahr 2015 an die 720 Ergänzungen des Produktportfolios hinzu.
AWS im Mittelstand
Laut einer Studie von Crisp Research setzen nicht nur Großunternehmen in Deutschland Cloud-Services von AWS ein, sondern auch mittelständische Unternehmen.
AWS versus Microsoft Azure
AWS versus Microsoft Azure: Ein Vergleich der wichtigsten Services und Funktionen
Umsatzverteilung IaaS-Markt
Umsatzverteilung bei Infrastructure-as-a-Service-Angeboten: Nach Daten der IT-Community Wikibon war AWS im ersten Halbjahr 2015 weltweiter Marktführer im Bereich IaaS-Dienste, die über eine Public Cloud bereitgestellt werden.
Amazon Workspace Application Manager
Mit dem Amazon Workspace Application Manager können Unternehmen Cloud-basierte IT-Arbeitsplätze (Amazon Workspaces) einrichten und mit den benötigten Applikationen bestücken.
Cloud Vendor Benchmark
Der Cloud Vendor Benchmark 2015 der Experton Group sieht AWS in Deutschland im Bereich IaaS-Dienste vor Microsoft. Bei Platform-as-a-Service-Angeboten ist es dagegen umgekehrt.
AWS-Nutzung
Beherrschende Position: Rund 57 Prozent aller Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen nutzen zumindest einen Public-Cloud-Dienst von Amazon. Die Daten basieren auf einer Befragung von IT-Fachleuten und Business-Managern in Nordamerika, Europa und Asien/Pazifik.
AWS Infrastruktur
Die Cloud-Infrastruktur von AWS: Derzeit verfügt das Unternehmen über 32 Availability Zones in zwölf Weltregionen, unter anderem in Frankfurt am Main. Weitere fünf Regionen sollen 2016 hinzukommen, davon eine in Europa (Großbritannien).
AWS Marketplace
Über den Marketplace bietet AWS Applikationen und Systemsoftware aller Art an. Anwender können diese über die Amazon-Cloud nutzen.
Cloud-Markt Deutschland
Ein Umsatzwachstum von jährlich 38 Prozent prognostiziert die Marktforschungsgesellschaft Crisp Research für den Cloud-Markt Deutschland bis 2018.
AWS Architektur
Eine typische AWS-Architektur: Die Basis bildet eine virtuelle private Cloud-Umgebung, die der Nutzer über eine Web-Konsole verwaltet. Ergänzend dazu können Unternehmen Web Application Firewalls und weitere virtualisierte Sicherheitssysteme einsetzen, beispielsweise von Anbietern wie Imperva