Karrierethemen 2012

Was nach dem Burnout kommt

28.01.2012
2011 war das Jahr des Burnouts. Wie sehen die Karrierethemen 2012 aus? Wir haben den Karriereexperten Raoul Wintjes gefragt.

CW: 2011 war das Jahr des Burnouts. Was kann es danach noch geben?

Raoul Wintjes, Mitglied im Netwerk karriereexperten.com, prognostiziert Karrieretrends für 2012.
Foto: karriereexperten.com

Raoul Wintjes: Das Massen-Phänomen "Burnout" wird langsam entmystifiziert. Ein bewussterer Umgang mit den eigenen Ressourcen wird gesellschaftsfähig. Chefs achten mehr darauf, wie ihre Mitarbeiter arbeiten. Die Bedeutung der Präsenzkultur nimmt ab. Gleichzeitig handeln gerade junge Jobsuchende immer mehr Vorteile für sich aus: Extraleistungen wie 60 Tage Urlaub oder 30 Tage Urlaub am Stück sind für gefragte Mitarbeiter durchaus denkbar.

Karrieretrends 2012
Karrieretrends 2012
Die Karriereexperten.com, ein Netzwerk von Coaches und Beratern, haben die wichtigsten Karrieretrends zusammengestellt und bewerten ihre Relevanz für 2012.
1. Arbeitswelt
Die Arbeitswelt bleibt zweigeteilt: Auf der einen Seite die hoch qualifizierten Fachkräfte mit hohen und weiter stark steigenden Gehältern, auf der anderen Seite die Geringqualifizierten, aber auch weniger gefragte Akademiker mit niedrigen Löhnen. Mehr und mehr zeigt sich: Fachkraft ist nicht gleich Fachkraft. Gefragt sind vor allem Kräfte aus dem IT- und ingenieurnahen Umfeld, die zu ihrer inhaltlichen Spezifikation noch Methodenwissen und kommunikative Fähigkeiten mitbringen.
2. Auswahlverfahren
Der Trend geht hin zu Online-Verfahren. E-Assessment-Center gibt es schon lange, das Vorstellungsgespräch per Skype nur vereinzelt. Das setzt sich nun langsam durch. Die Webcam wird zu einem wichtigen Tool im Bewerbungsprozess, in dem vermehrt Skype und andere Formate eine Rolle spielen.
3. Bewerbung
2011 kam das Tool Visualize.me auf den Markt, mit dem ein Lebenslauf als Infografik dargestellt werden kann. Einige Karriereexperten sahen das erste Mal Lebensläufe, die auch in Word wie eine Infografik gestaltet waren. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Bewerbungen werden in 2012 informeller, frischer und frecher und vielleicht gerade deshalb qualitativ nicht besser. Daher gilt nach wie vor: Bewerbungen müssen die Informationen enthalten, die Entscheider brauchen. Mit Infografiken ist das nur teilweise möglich. Zum Beispiel sollten Führungskräfte darauf achten, ihre Leistungen möglichst an Zahlen und Fakten orientiert darzulegen.
4. Berufseinstieg
Rare Studienplätze durch doppelte Abiturjahrgänge und Wegfall der Wehrpflicht. Der Einstieg ins Studium musste für viele Fächer erkämpft werden. Die neuen Abiturienten werden durch die Situation unter Druck gesetzt. Zudem meinen sie, sie bräuchten Spitzennoten, sie dürften keine Zeit verlieren und müssten sich gleich nach dem Schulabschluss für den richtigen Weg entscheiden. Die Gelassenheit früherer Generationen fehlt heute. Genau eine solche sei aber nötig, um erfolgreich in den Beruf zu starten. Es bleibt abzuwarten, zu welchen Entwicklungen diese Verspannung bei der Berufswahl mittelfristig führt.
5. Fachkräftemangel
Unternehmen professionalisieren ihre Personalsuche, um dem Mangel zu begegnen, denn das Schwinden des Fachkräftepotenzials hat längst begonnen. Große Recruiting-Veranstaltungen wie die "Nacht der Unternehmen" in Stuttgart oder Aachen, Anwerbung von spanischen Spezialisten und die Diskussion über "Employer Branding" zeigen dies deutlich. Die umworbenen Fachkräfte selbst wissen indes noch nicht, wie sie den gewonnenen Spielraum für sich nutzen können. Dabei könnten sie viel aktiver ihre Berufs- und Lebensziele festlegen und sie selbstbewusster verfolgen.
6. Gefragte Skills
Die sozialen Kompetenzen stehen auf der Wunschliste für den perfekten Kandidaten im nächsten Jahr genauso im Vordergrund, wie das für die Position erforderliche Fachwissen. Englisch ist für alle Ebenen inzwischen Standard, gutes Englisch keine Besonderheit mehr. Wurde das vor zehn Jahren noch in Vorstellungsgesprächen thematisiert, wird es heute einfach vorausgesetzt. Ein Niveau von B1 nach europäischem Referenzrahmen (GER) gilt inzwischen als unterer Durchschnitt für einen Akademiker.
7. Karriere machen
Neben Führungslaufbahnen etablieren sich Experten-, Spezialisten- und Projektlaufbahnen. Das mittlere Management, lange als Übergangsposition gesehen, rückt in den Vordergrund als zentraler Baustein des Unternehmenserfolges. Somit ist das mittlere Management ein Karriereziel und nicht nur die Zwischenstufe zum Topmanagement. Nirgendwo sonst sind soziale Fähigkeiten so wichtig wie hier.
8. Social Media
Facebook werde der neue Renner für Personalberater, orakeln manche Blogs. Nur, wie soll man dort suchen? Das geht nicht. Deshalb gilt es hier zu entscheiden. Für die Jugend, die in erste Ausbildung und erste Joberfahrungen hineinwächst, wird Facebook zum beliebtesten Stellenmarkt. Sie findet im größten Netzwerk ihre Jobs über schon vorhandene Kontakte. 300 Facebook-Freunde sind für einen 18jährigen heute nichts mehr. Für weiterführende Karrieren bleiben Facebook und Co. jedoch bedeutungslos. Die richtig interessanten Job-Deals werden weiter über persönliche Kontakte oder Headhunter angebahnt und offline geschlossen.
9. Recruiting
Hochglanzbroschüren, die viel versprechen, aber nichts halten, ziehen den Nachwuchs nicht mehr an. Portale wie Kununu.com, die Arbeitgeber bewerten, werden zur normalen Anlaufstelle für Jobsuchende. Gleichzeitig wird den Siegeln wie "Great Place to work" nicht mehr viel zugetraut. Jobsuchende wünschen sich glaubwürdige Unternehmen. Authentische Kommunikation wird immer wichtiger - nach innen und nach außen. Nur die Unternehmen, die sich im Klaren sind, was und wen sie wirklich wollen, und dies umsetzen, haben Chancen im "War for Talents". Gleich, ob sie sich im Web, via Social Media, in Magazinen, am Telefon oder auf Messen präsentieren.
10. Weiterbildung
Das Thema Burnout wurde 2011 groß geschrieben, teilweise aber auch mystifiziert. Bei den Firmen ist inzwischen angekommen, dass sie etwas tun müssen, um ihre Mitarbeiter zu schützen. Deshalb werden Trainings zur Burnout-Prophylaxe der Renner 2012. Firmen werden sich zunehmend darauf einstellen, da auch ihr eigener Ruf davon abhängt, wie sie mit dem Thema Burnout umgehen.

CW: Was heißt das für die Manager?

Wintjes: Der Ruf nach sozial kompetenten, teamfähigen und Mitarbeiter-orientierten Managern wird 2012 noch lauter. Viele Führungskräfte sind darauf unzureichend vorbereitet. Sie rechnen auch nicht damit, dass Mitarbeiter zunehmend Forderungen stellen. Was die Firmenspitze fordert, ist bei den Managern teils noch nicht angekommen. Hier besteht erheblicher Schulungsbedarf.

CW: Sie sprechen vom demografischen Wandel. Welche Folgen hat dieser noch?

Wintjes: Die Unternehmen müssen sich öffnen, das bezieht sich nicht nur auf den Abbau der Präsenzkultur. Sie müssen sich auch neu aufstellen, um überhaupt gute Fachkräfte zu gewinnen. Jeder muss sich klar sein: Familienfreundlichere Rahmenbedingungen erschließen inländische Arbeitsmarktreserven, da die gezielte Zuwanderung auf niedrigem Niveau stagniert und Fachkräfte weiterhin fehlen. So hat sich etwa schnell herausgestellt, dass die Öffnung des deutschen Marktes für osteuropäische Kräfte im Mai 2011 kaum zu dem teils erwünschten, teils befürchteten Zustrom geführt hat. Die deutsche Wirtschaft ist auf die inländischen Arbeitnehmer angewiesen.

CW: Auf welche Branchen wird sich das besonders beziehen?

Wintjes: Natürlich vor allem auf die, die den Mangel am deutlichsten spüren. High Tech mit Fokus auf Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Effizienz (zum Beispiel Antriebstechnik) sowie Medizintechnik sind Wachstumstreiber.

CW: Welche Themen werden Ihrer Meinung nach kommen?

Wintjes: Der Renner dürfte weiterhin Corporate Social Responsibility sein sowie auch ökosoziale Bilanzierung und gerechte globale Arbeitsteilung. Das sind die Herausforderungen, denen sich Unternehmen stellen müssen, die 2012 und darüber hinaus erfolgreich sein wollen. Survival of the fittest - ja - aber fit wird neu definiert.

Bewerbungen werden informeller, Freiberufler mehr

CW: Wirkt sich der Trend zum umworbenen Bewerber auch auf Bewerbungen selbst aus?

Wintjes: Bewerbungen werden 2012 informeller, frischer und frecher und vielleicht gerade deshalb qualitativ nicht deutlich besser. Die Webcam wird zu einem wichtigeren Tool im Bewerbungsprozess, in dem vermehrt Skype und andere Videoformate wie zum Beispiel viasto.de eine Rolle spielen. Der erste Schritt im Auswahlprozess ist somit immer seltener das Vorstellungsgespräch vor Ort, sondern immer häufiger ein Skype- oder Telefoninterview. Erst danach wird entschieden, ob es persönlich weitergeht.

Erfolgreich bewerben - 10 Tipps
Bewerbungsgespräch
"Warum sollen wir gerade Sie einstellen?" Als Bewerber zahlt es sich aus, auf diese Frage im Vorstellungsgespräch vorbeireitet zu sein. Was Sie sonst noch über eine erfolgreiche Bewerbung wissen sollten, das sagt Ihnen Cornelia Riechers, Autorin des paradoxen Bewerbungsratgebers "So bleiben Sie erfolgreich arbeitslos.", in den folgenden zehn Tipps.
Traumberuf
Der erfolgreiche Bewerber weiß, was er will. Er hat das, was er am allerliebsten tut, zu seinem Beruf gemacht. Die Freude an seiner Arbeit gibt ihm immer genug Kraft, um sich und seine Familie damit zu ernähren, auch in schlechten Zeiten. Wenn er in einer Firma seinen Job verliert, findet er im Handumdrehen etwas Neues oder macht sich selbständig.
Eigeninitiative
Der erfolgreiche Bewerber wartet nicht, wie der Mann auf dem Bild, bis jemand an seiner Haustür klingelt und ihm seinen neuen Job auf dem Silbertablett serviert. Er wird selbst aktiv und setzt alle Hebel in Bewegung. In seine Bewerbungskampagne investiert er genauso viel Arbeit wie in eine Vollzeitanstellung. Rückschläge verkraftet er gut, weil er immer mehrere Eisen im Feuer hat.
Zielgerichtete Bewerbung
Der erfolgreiche Bewerber sieht ein Unternehmen nicht als Anlaufstelle für seine Versorgungsansprüche. Vielmehr agiert er wie ein Verkäufer, der dem Arbeitgeber einen Nutzen bietet und dafür eine Vergütung erhält. Er zeigt dem Unternehmen, was er leisten kann, um dessen Umsätze und Gewinne zu steigern.
Selbstpräsentation
Der erfolgreiche Bewerber knausert nicht und übertreibt nicht. Sein Foto misst etwa sechs mal neun Zentimeter, seine schlichte, praktische Bewerbungsmappe umfasst maximal sieben bis zehn Dokumente. Sein Anschreiben passt auf ein Blatt; sein Lebenslauf darf sich über zwei bis drei Seiten erstrecken. Beim Vorstellungsgespräch tritt er bescheiden, jedoch nicht unterwürfig auf und strahlt Selbstvertrauen aus, ohne arrogant oder anmaßend zu wirken. Achten Sie auf Ihre Körperhaltung: verkrampfte Hände und unruhige Füße wirken unsicher.
Stärken und Schwächen
Der erfolgreiche Bewerber besinnt sich auf seine besonderen Stärken. Dann findet er heraus, welche Unternehmen Bedarf an seinem Können haben. An diese wendet er sich, lange bevor sie ein Stellenangebot veröffentlichen. So erschließt er den verdeckten Stellenmarkt und verschafft sich dadurch Vorteile.
Wege zum Markt
Der erfolgreiche Bewerber kennt mehr als einen Weg zum neuen Job. Er reagiert auf Angebote in Printmedien und Internet-Jobbörsen, er schaltet auch ein eigenes Stellengesuch. Die Möglichkeiten der Agentur für Arbeit schöpft er aus, einschließlich der angeschlossenen Institutionen wie ZAV (Zentrale Auslands- und Fachvermittlung). Er geht von selbst auf Firmen zu, nicht nur per Telefon, Brief und E-Mail, sondern auch persönlich. Sein berufliches und privates Kontaktnetzwerk nutzt er, um seinen Aktionsradius zu erweitern. Und er optimiert seinen Auftritt mit der Unterstützung eines Outplacement- oder Karriereberaters.
Bewerbungsmappe
Der erfolgreiche Bewerber gestaltet seine Bewerbungsunterlagen so, dass der Arbeitgeber seine Eignung für den angestrebten Job erkennt. Er legt den Schwerpunkt auf diejenigen Erfahrungen und Kompetenzen, die ihn dafür qualifizieren.
Anschreiben
Der erfolgreiche Bewerber befasst sich gründlich mit einem Stellenangebot, bevor er es beantwortet. Seine Analyse beginnt ganz oben, bei der Selbstdarstellung des Unternehmens und der Beschreibung der Aufgaben. Er versteht, worauf es bei der ausgeschriebenen Position ankommt, und arbeitet in seinem Anschreiben Punkt für Punkt alles ab, was er in Bezug auf die Anforderungen zu bieten hat. Dabei vergisst er auch seine Englisch- und IT-Kenntnisse nicht.
Vorstellungsgespräch
Im Vorstellungsgespräch zeigt der erfolgreiche Bewerber, dass er sich mit seinem zukünftigen Unternehmen und seiner Tätigkeit dort intensiv beschäftigt hat und dass er die anstehenden Aufgaben lösen kann. Außerdem spürt man seine Freude an genau dieser Arbeit, deshalb hat er die Nase vorn und kann die Konkurrenz ausstechen.
Einarbeitungszeit
In der Probezeit achtet der erfolgreiche Bewerber vor allem darauf, sich in das bestehende Team einzufügen. Er weiß, dass sein Erfolg nur zu zwanzig Prozent von seinen fachlichen Leistungen abhängt. Weil er dafür sorgt, dass sein Chef und seine neuen Kollegen ihn mögen, umgibt ihn automatisch auch der Nimbus des Tüchtigen.

CW: Was machen Mitarbeiter, die intern, zum Beispiel mit ihrer Work-Life-Balance nicht zufrieden sind, weil sich ihre Unternehmen nicht schnell genug wandeln ?

Wintjes: Am Arbeitsmarkt nehmen selbständige Tätigkeiten weiterhin zu. Trotz Kürzungen beim Gründungszuschuss wird es mehr Freiberufler geben, zum Beispiel in der IT. Die Flexibilität, in wechselnden Projekten zu arbeiten, schätzen einige sehr. (kf)

(Teaserbild: Peter Atkins/Fotolia.de)