Nachdem die Taiwaner den Markt im vergangenen Jahr mit einer Vielzahl von weitgehend ähnlichen Smartphones wie dem "Desire S", "EVO 3D", "Velocity 4G", "Sensation XE" oder "Incredible S" überschwemmt hatten, will HTC 2012 nur wenige, aber dafür umso attraktivere Geräte auf den Markt bringen. Das Unternehmen stellte auf dem Mobile World Congress in Barcelona mit den Smartphones "One S", "One V" und "One X" eine neue Produktreihe vor, die nun auf den Markt kommt. Aktuelles Flaggschiff im HTC-Portfolio ist das High-End-Smartphone One X: Mit großem 4,7-Zoll-Display, Tegra 3 Chipsatz von Nvidia und Polycarbonat-Gehäuse will das Android-4.0-Gerät vor allem technikhungrige Käufer anziehen. Grund genug, sich das Device genauer anzusehen.
Tegra 3 in der Praxis
Das HTC One X nutzt als eines der ersten Smartphones eine mit 1,5 GHz getaktete Quad-Core-CPU. Der Prozessor ist allerdings mehr als ein "Quad-Core", in Wirklichkeit arbeiten fünf CPU-Kerne in dem Gerät: Einer davon ist der so genannte Battery Saver Core. Dieser kommt zum Einsatz, wenn das Device etwa im Stand-By ist. Der Hintergedanke: Solange die anderen CPU-Kerne nicht benötigt werden, lassen sie sich abschalten, um Strom zu sparen. Der CPU stehen ein Gigabyte Arbeitsspeicher zur Seite.Diese Rechenpower zeigt sich bereits beim normalen Arbeiten: Als Nutzer navigiert man schnell durch die HTC-Oberfläche, Anweisungen setzt das One X sofort und ohne merkliche Verzögerung um.
Seine volle Leistung zeigt das Smartphone aber bei Spielen, die für Tegra-3 zertifiziert sind. Riptide GP beispielsweise, ein Rennspiel mit Jetskies, zeigt nicht nur beeindruckende Wasser- und Welleneffekte, sondern spiegelt auch die Umgebung auf der Rennstrecke. Die Applikation läuft zwar auch auf "normalen" Smartphones, sieht dort aber bei weitem nicht so gut aus.
Schade ist allerdings, dass sich NVIDIA auf Spiele fokussiert. Denn die Tegra-Funktionen könnten auch bei ernsthaften Apps durchaus sinnvoll zum Einsatz kommen, etwa im Bereich der Bildbearbeitung. Ebenfalls interessant wäre eine Kooperation mit VMware, die kommende Virtualisierungslösung VMware Horizon könnte von der Technik sicher profitieren.
Das Smartphone zeigt die Inhalte in einer 720p-Auflösung von 720 x 1280 Pixel auf einem berührungsempfindlichen Display mit einer Bildschirmdiagonale von 11,9 cm (4,7 Zoll). HTC setzt beim Panel-Typ auf ein color Super LCD 2. Zum Vergleich, die Konkurrenz von Motorola und Samsung setzt bei den eigenen High-End-Geräten vorzugsweise auf Super AMOLED. Der Qualität tut das aber keinen Abbruch, Blickwinkel und Kontrast sind sehr gut, die Farben sind knackig.
Die restliche Hardware im Inneren des One X ist auf der Höhe der Zeit: Die 802.11b/g/n-WLAN-Komponente funkt nicht nur mit 2,4-GHz- sondern auch im weniger belegten 5-GHz-Band. Zusätzlich unterstützt das Gerät WLAN Direkt, eine Technik, mit der zwei Geräte zum schnelleren Datenaustausch ein Ad-Hoc-WLAN aufbauen können. Im mobilen Internet funkt das Smartphone mit HSDPA, der Nachfolger LTE ist noch nicht integriert - nach unseren Erfahrungen mit dem Velocity 4G ist dies aber bei der aktuellen Ausbaustufe des 4G-Netzwerkes kein Nachteil. Im Nahbereich funkt das One X nicht nur mit Bluetooth 4.0, sondern auch per Near-Field-Communication. Letzteres kann man beispielsweise für die Funktion Android-Beam nutzen, mit der sich Daten zwischen zwei kompatiblen Smartphones austauschen lassen.
Daten finden im Gerät auf zwei Partitionen Platz: Der Interne Speicher, wichtig für Apps, ist angenehme 2,11 GByte groß. Fotos, Musik, Videos und Co landen auf dem Telefonspeicher, bei unserem Testgerät standen dafür 25,24 GByte zur Verfügung. Beide Speicher lassen sich übrigens verschlüsseln. Leider hat sich HTC aus unverständlichen Gründen gegen eine Speichererweiterung per Micro-SD entschlossen. Bei der Verarbeitung setzt HTC auf einen interessanten Unibody aus Polycarbonat. Dieses Kunststoff ist besonders bearbeitet, so dass er beinahe Aussehen und Haptik von Keramik hat - ungewöhnlich und keine schlechte Wahl. Von der Seite wirkt es, als wäre das Display gekrümmt. Dabei handelt es sich aber um eine geschickte optische Illusion, der Touchscreen ist eben.
Bei der Akkulaufzeit rächt sich aber das helle Display und der Quad-Core-Antrieb, zumindest solange mehr Rechenleistung zum Einsatz kommt und der Battery Saver Core nicht mehr ausreicht. Bei voller Helligkeit und normaler Nutzung muss das Smartphone spätestens am Abend an die Steckdose. Sobald man bekannte Stromsparfunktionen, etwa ein deutlich abgedunkeltes Display, anwendet, schafft man in der Praxis bis zu eineinhalb Tage. Zudem wird das Smartphone auf der Rückseite während des Einsatzes spürbar warm. Die Sprachqualität des Smartphones war dabei im Test jederzeit gut.
Android 4.0.3 und HTC Sense 4.0
Nicht nur die CPU-Kerne tragen eine Vier im Namen, auch beim installierten Android setzt HTC auf Version 4.0.3, Codename Ice Cream Sandwich. Allerdings kriegt man davon nur wenig mit, da der Konzern zeitgleich Version 4.0 der Oberfläche HTC Sense installiert hat. Hier erwarten die Nutzer zahlreiche Neuerungen gegenüber der Vorversion, die meisten davon sind allerdings unter der Haube.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Benachrichtigungsleiste. Diese lässt sich wie gehabt von oben herunterziehen und zeigt die neusten Informationen des Smartphones. Drückt man aber oben rechts auf das Zahnradsymbol, zeigt HTC Sense nicht mehr irgendwelche Verknüpfungen, sondern springt direkt in die Android-Einstellungen - häufig genutzte Funktionen wie der Flugmodus, WLAN, Bluetooth oder das mobile Netzwerk sind ganz oben angebracht und lassen sich so vom Startbildschirm mit zwei Klicks an- oder abschalten. Zudem kann man so auch deutlich schneller andere Informationen und Einstellungen über das Smartphone aufrufen.
Etwas umdenken muss man allerdings bei den Sensortasten: Wie bei Android 4.0 vorgegeben, wurde die Taste für die Optionen wegrationalisiert. In jedem virtuellen Bildschirm und jeder App findet man die Einstellungen nun durch drei Punkte symbolisiert. Das ähnelt dem Ansatz von Windows Phone 7, langjährige Android-Nutzer sind aber zumindest zu Beginn verwirrt. Dazu kommt, dass die Einstellungen nicht immer am unteren Bildschirmrand zu finden sind, im App-Menü etwa ist der Punkt oben rechts neben der Verknüpfung zu Google Play, der Neuauflage des Marktplatzes. Davon abgesehen arbeiten Android 4.0.3 und HTC Sense 4.0 gut zusammen. Die Widgets sind bei früheren HTC-Smartphones sehr gut, dank der flotten CPU reagiert das Smartphone zügig auf Eingaben.
Multimedia
Musik- und Videofans profitieren nicht nur von dem Display, sondern auch von einer integrierten Beats-Audio-Funktion. Diese sind auf die gleichnamige Kopfhörer-Serie ausgerichtet, an der HTC eine Großteil der Anteile besitzet. Beim Thema Audio zeigt sich das One X recht vielseitig. Das Smartphone spielt neben MP3s auch FLAC-Dateien problemlos ab, scheitert aber bei der Wiedergabe von OGG-Dateien. HTC liefert auch eine interessante Musik-App, die neben der normalen Musikwiedergabe auch vorinstallierte Apps wie ein Radio, den Musikladen 7digital und die Musikerkennung Soundhound enthält.
Beim Thema Video fiel allerdings ein seltsames Verhalten auf: Unsere Testdateien in den Formaten AVI und MP4 wurden perfekt wiedergegeben. Bei Dateien in den Formaten m4v und mkv dagegen ist das Bild seltsam in die Länge gestreckt, die Inhalte werden aber trotzdem wiedergegeben. WMV-Dateien spielt das Smartphone ebenfalls ab, allerdings im Test ohne Ton, möglicherweise tritt hier ein Codec-Fehler auf. Leider erhalten die Videos nicht dieselbe Betreuung wie Musikstücke, die Dateien oder die "Alben" müssen über einen separat installierten Videoplayer ausgewählt und angezeigt werden. Dafür lassen sich Multimedia-Daten per DLNA auf kompatiblen Geräten wiedergeben. Für eine HDMI-Schnittstelle war aber offensichtlich kein Platz, dafür ist Micro-USB-Anschluss um den MHL-Standard erweitert. Mit Hilfe eines separat zu kaufenden Kabels lassen sich Videos so auf HDMI-Geräten wiedergeben.
Eigene Videos nimmt auf Wunsch die 8-Megapixel-Kamera mit bis zu 1080p auf. Die Kamera verfügt über eine F2.0-Blende sowie ein 28-mm-Objektiv. Auf der Vorderseite ist eine zweite Kamera mit 1,3 Megapixel angebracht, diese wird etwa von Skype unterstützt. Für Fotos bringt das HTC One X einen so genannten Burst-Modus mit. Dabei nimmt das Smartphone automatisch ein Bild nach dem anderen auf, solange der Auslöser gedrückt bleibt. Anschließend kann man alle Bilder speichern oder sich die Besten aussuchen. Die Bilder des Smartphones sind dabei durchaus in Ordnung.
Fazit: Ein Großes Smartphone
Das HTC One X ist nicht nur von den Abmessungen her ein großes Smartphone, es verfügt zudem über eine hohe Leistungsfähigkeit. Der Quad-Core-Tegra-3-Prozessor kann seine wahren Stärken noch überwiegend nur bei optimierten Spielen voll nutzen. NVIDIA sollte die Entwickler unterstützen, auch populäre Apps möglichst schnell anzupassen. Das Display ist des HTC One X ist großartig, wer allerdings kleinere Hände hat, dem ist das Smartphone unter Umständen zu groß. Ebenfalls interessant ist da Gehäuse. Obwohl es komplett aus Kunststoff gefertigt ist, fühlt es sich angenehm und wertig an.
Das Smartphone ist aber auch ein gutes Aushängeschild für Android 4.0. HTC hat sich sehr viel Mühe bei der Optimierung der Sense-Oberfläche für die neue Android-Version gegeben. Im Vergleich zur "rohen" Version von Android fühlt sich HTC Sense deutlich runder und für den Smartphone-Einsatz optimiert an. Mit WLAN Direkt, NFC und Bluetooth 4.0 bringt das One X außerdem interessante neue technische Funktionen.
Das HTC One X besticht in jedem Fall durch aktuelle Technik. Early Adopter machen hier keinen falschen Kauf, ob allerdings jeder diese Rechenpower benötigt, ist aktuell noch fraglich. (mb)
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der Schwester-Publikation Tecchannel.de.