E-Learning stoppt den Fachkräftemangel

Weiterbildung bindet Mitarbeiter

12.02.2018 von Barbara Schrettle
In Zeiten des Fachkräftemangels herrscht ein harter Kampf um die größten Talente. HR-Abteilungen müssen sich kräftig ins Zeug legen, um Nachwuchskräfte zu gewinnen und talentierte Mitarbeiter zu halten. Eine wichtige Rolle spielen dabei attraktive Weiterbildungsangebote. Das Beispiel der Akademie von Vinci Energies in Deutschland zeigt, was Unternehmen tun können.
  • Ein attraktives Weiterbildungsangebot ist für HR-Manager ein wichtiges Kriterium der Mitarbeiterbindung.
  • Für die reine Wissensvermittlung sind E-Learning-Angebote besonders geeignet.
  • Ausgewählte Talente können durch Förder-Pools gezielt in ihrer Entwicklung unterstützt werden.

Was macht ein Unternehmen attraktiv? Das ist eine zentrale Frage, die sich HR-Manager heute unbedingt stellen müssen. Denn sie entscheidet darüber, ob begabte Fachkräfte dort arbeiten möchten - und auch bleiben. Dabei geht es um deutlich mehr als ein gutes Gehalt. Eine aktuelle Studie von TNS Infratest zeigt:

Angela Köhler, HR Director Human Resources bei Vinci Energies Europe, bestätigt dieses Studienergebnis: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Weiterbildungsangebote ein gutes Argument für Recruiting sind. Häufig rufen Bewerber auch nach dem Vorstellungsgespräch noch einmal bei uns an, um sich genauer über unsere Akademie zu informieren."

Weiterbildung sorgt für eine stärkere Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und fördert den digitalen Kulturwandel.
Foto: Wolfilser - shutterstock.com

Fortbildung im eigenen Unternehmen

Vinci Energies ist Teil des französischen Vinci-Konzerns. In Deutschland beschäftigt er rund 12.000 Mitarbeiter, die sich auf die Tochtermarken Actemium, Axians, Omexom, Vinci Facilities, Fire Protection Solutions und G+H verteilen. Da schon früh bekannt war, dass sich Unternehmen auf das digitale Lernzeitalter ausrichten müssen, hat der Konzern bereits 2003 die firmeneigene Vinci Energies Akademie in Deutschland gegründet. Diese bietet Mitarbeitern vorwiegend im Bereich Soft Skills individuelle und praxisnahe Weiterbildungsangebote wie Management-Trainings oder spezielle Förderprogramme.

Das Schulungsangebot der Vinci Energies Akademien weltweit spricht für sich:

• Mehr als 70 Prozent der Vinci-Energies-Mitarbeiter nehmen jedes Jahr an einer Schulung teil.

• 2016 wurden 93 Millionen Euro in die Weiterbildung der Mitarbeiter investiert.

• 2016 haben die Vinci Energies Akademien 155.000 Schulungsstunden organisiert.

Die 11 wichtigsten Soft Skills
1. Kommunikative Kompetenz
Ihre Kommunikationsfähigkeit hilft Ihnen, Konsens herzustellen und Verständnis für Ihre Ziele und Wünsche zu erzeugen.
2. Selbstbewusstsein
Selbstbewusst bedeutet unter anderem, sich selbst bewusst wahrzunehmen, die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen.
3. Einfühlungsvermögen
Wer empathisch ist, kann andere leichter von seiner Sache überzeugen.
4. Teamfähigkeit
In jeder Stellenanzeige ist Teamfähigkeit gefordert. Teamfähig zu sein bedeutet unter anderem, seine Rolle im Team zu erkennen und sich entsprechend der an diese geknüpften Erwartungen zu verhalten.
5. Kritikfähigkeit
Kritikfähig zu sein bedeutet nicht nur, Kritik zu üben (fair, sachlich), sondern auch Kritik annehmen, reflektieren und entsprechend umsetzen zu können. Besonders in Teams, Projekten und in Führungssituationen spielt der Umgang mit Kritik eine entscheidende Rolle.
6. Analytische Kompetenz
Wenn Sie Ihre analytischen Fähigkeiten trainieren, sind Sie in der Lage, Situationen rasch zu erfassen und entsprechend schnell zu reagieren.
7. Vertrauenswürdigkeit
Vertrauen ist die Erwartung, sich in kritischen Situationen auf den anderen verlassen zu können.
8. Selbstdisziplin/Selbstbeherrschung
Wer sich nicht selbst beherrscht, bleibt immer Knecht. Nur wer sich selbst im Griff hat, kann andere überzeugen.
9. Neugierde
Neugierde ist die Voraussetzung für Kreativität.
10. Konfliktfähigkeit
Nur wenn Sie andere Auffassungen akzeptieren können und sich offen mit Ihren Mitmenschen auseinander setzen, leben Sie ein selbstbestimmtes Leben.
11. Durchsetzungsvermögen
Sich angemessen durchzusetzen bedeutet zu überzeugen, statt zu überreden - oder zu zwingen. Überzeugt folgen Ihnen andere gern auf Ihrem Weg.
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Neun Mitarbeiter, aufgeteilt in die Teams Organisation, Training und Entwicklung, konzipieren und organisieren die Weiterbildungsmaßnahmen in enger Abstimmung mit den HR-Abteilungen in den Tochtermarken und der Geschäftsführung. Für die Kurse engagieren sie interne und externe Trainer. 2017 hat die Einrichtung 4000 Mitarbeiter fortgebildet. Arne Lange von der G+H Business Unit Kühllagerbau Bremen hat an der Schulung "Projektführerschein für Fortgeschrittene" teilgenommen. Seine Erfahrung: "Das Trainingsprogramm der Vinci Energies Akademie ist sehr gut und passgenau für uns entworfen." In seiner Entwicklung, so Lange, hätten ihm besonders die Ansätze für Selbstorganisation und Selbstreflektion geholfen. Auch das Thema Recht sei gut vermittelt worden - sehr praxisnah und anregend, statt belehrend.

Praxis und Zwischenmenschliches verbinden

Die Weiterbildungsmaßnahmen sind praxisbezogen und auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnitten. Dazu steht die Akademie in engem Kontakt mit den Marken, besucht sie vor Ort und sondiert ihre Wünsche. Angestellte rufen auch selbst an und machen Schulungsvorschläge. "Der Großteil unseres Angebots basiert direkt auf den Wünschen der Mitarbeiter", sagt Birgit Postler, Leiterin der Vinci Energies Akademie in Deutschland. Der Trend gehe dahin, dass zunehmend auch individuelle Angebote für einzelne Fachbereiche erstellt würden.

Postler: "Der Großteil unseres Angebots basiert direkt auf den Wünschen der Mitarbeiter."
Foto: Postler - Vinci Energies

Zu diesem Zweck macht die Akademie konkrete Bedarfsanalysen. Dazu führt sie sogenannte Development Center durch, die ähnlich wie ein Assessment Center funktionieren. Sie richten sich an ausgewählte Mitarbeiter von der mittleren Führungsebene aufwärts und testen, welche Fähigkeiten und Kompetenzen die Teilnehmer mitbringen. Daraus ergibt sich dann das individuelle Förderpotenzial. So kann die Akademie zielgerichtet und passgenau Weiterbildungen entwickeln.

Mix aus Präsenzkursen, E-Learning und Networking

Die Fortbildungen bestehen zu 50 Prozent aus Präsenzveranstaltungen. Sie werden durch E-Learning und Trainingsvideos im Akademie TV ergänzt. Die Mischung ist wichtig, denn sowohl digitale als auch persönliche Kurse haben ihre Vorteile. Wenn die reine Wissensvermittlung im Vordergrund steht, setzt die Akademie E-Learning-Angebote ein. So können die Mitarbeiter flexibel lernen, wann und wo sie möchten. Für Soft Skills empfehlen sich dagegen Präsenzkurse, denn hier geht es um menschliche Interaktion. Dafür ist es wichtig, dass sich die Teilnehmer persönlich kennenlernen und Netzwerke bilden.

E-Learning: Wie Mitarbeiter neue Skills im Job erlernen
E-Learning im Job und Talent-Management
Unternehmen müssen im Talent-Management neue Wege gehen und verstärkt in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren. Folgende Tipps zum Thema E-Learning können den Experten von Right Management zufolge helfen, die Weichen in Sachen Skills und Ausbildung neu zu stellen und das Lernen attraktiv zu gestalten.
Tipp 1: Lernen ohne Ausbilder
Um Neues zu lernen, muss nicht immer ein Ausbilder präsent sein. E-Learning erlaubt Experten, Lehrpläne granular zu entwerfen, Kurse oder einzelne Lektionen aufzuzeichnen und alles über eine Online-Plattform abrufbar zu machen. Damit ist E-Learning ein wichtiger Schritt in Richtung selbstbestimmtes Lernen.
Tipp 2: Lernfreude im Team
Online- und selbstbestimmtes Lernen bedeutet nicht notwendig allein lernen. Die gemeinsame Schaffung von Lerninhalten sowie das Kategorisieren und Teilen von Content sind gut geeignet, einen Geist der Zusammenarbeit zu schaffen. Geschieht das unter Zuhilfenahme von Elementen aus Social Media, Smartphone-Apps und Spielen, erleben die Mitarbeiter die Faszination der Echtzeit-Zusammenarbeit.
Tipp 3: Lernen überall und jederzeit
In der modernen Business-Welt erweist sich der allgegenwärtige und zeitunabhängige Zugang auch zu sehr spezialisierten Informationen als großer Segen. Ein Lern- beziehungsweise Talent-Management-System sollte dabei auch stark die Aspekte einer zunehmend mobilen Welt berücksichtigen.
Tipp 4: Produktive Lernportale
Bei Weiterbildungsmaßnahmen ist zu vermeiden, dass sich Mitarbeiter langweilen und länger aus dem produktiven Business abgezogen werden. Das gelingt am besten über geeignete Lernportale, vor allem wenn sie populäre Trends wie zum Beispiel Gamification und Mikro-Learning berücksichtigen. Lernen wird so zur arbeitsbegleitenden Sofortmaßnahme, über die Mitarbeiter kontinuierlich ihre Qualifikation verbessern.
Tipp 5: Talent-Management & Learning
Lernen ein starker Treiber für Qualität und Leistung. Sicht- und messbar wird das aber nur, wenn die Disziplinen E-Learning, Personalwesen und IT ihre Synergien ausschöpfen. Tools, die E-Learning und Talent-Management-Programme zusammenführen, sind dafür eine gute Basis.
Tipp 6: Lernbereitschaft fördern
Um Lernakzeptanz bei den Mitarbeitern zu erzielen, empfiehlt sich für Unternehmen ein Mix aus traditionellem Lernen und digitalen, selbstbestimmten Lernprogrammen. Letztere wiederum sollten die gesamte Palette von einfachem E-Learning über Mischprogramme bis hin zu virtuellen 3D-Elementen abdecken.

Gerade dieser Networking-Gedanke ist ein zentrales, übergeordnetes Ziel, mit dem Fachkräfte auch längerfristig an ein Unternehmen gebunden werden können. Präsenzkurse der Vinci Energies Akademie enthalten deshalb auch immer eine Abendveranstaltung, bei der die Teilnehmer zwanglos miteinander reden und Erfahrungen austauschen können. Ein Konzept, das aufgeht, bestätigt Jörg Bastel, Teilnehmer eines Förderprogramms und Teamleiter Business Analytics bei Axians: "Die Teilnahme am Förder-Pool bringt mich nicht nur fachlich weiter, sondern auch mit unterschiedlichen Menschen im großen Konzernnetzwerk zusammen. Das schafft eine persönliche Bindung zu Kollegen." Im Rahmen der Teilnehmergruppe seien interessante Potenziale für Kooperationen entdeckt und bereits konzernübergreifende Projekte gestartet worden.

Intern ausbilden und fördern

Der Förder-Pool ist ein spezielles Zusatzprogramm der Vinci Energies Akademie, um ausgewählte Talente in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Es beginnt mit einem Development Center, um den Ist-Zustand der Mitarbeiter zu messen. Anschließend durchlaufen die Kandidaten über das Jahr verteilt fünf bis sechs Blöcke an Workshops, die individuell auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Ein Block dauert drei bis vier Tage und hat maximal zwölf Teilnehmer, die aus unterschiedlichen Gesellschaften und Fachbereichen kommen. Das soll Grenzen aufbrechen und gezielt zum Netzwerken anregen. Ergänzt wird das Programm durch einen sozialen Tag, an dem die Teilnehmer in Frankfurt in die Praunheimer Werkstätten gehen, um zusammen mit benachteiligten Menschen an einem Projekt zu arbeiten. Dies soll ihre Wahrnehmung für die Realität jenseits der Karrierewelt schärfen.

Am Ende des Jahres findet ein zweites Development Center statt, um den Fortschritt und Erfolg der Weiterbildungsmaßnahmen zu messen. "Es beeindruckt mich immer wieder, was da mit den Teilnehmern passiert", sagt Köhler. "Die sind wirklich Vincianer geworden. Sie haben die Unternehmenswerte im Blut, leben den digitalen Kulturwandel und tragen diesen auch weiter." Die Vinci Energies Akademie führt den Förder-Pool bereits im fünften Jahr durch. Ehemalige Teilnehmer sind mittlerweile bis zur Divisionsleiterebene aufgestiegen.

Ein Erfolgskonzept für die Zukunft

Gerade das High-Potential-Programm zur Förderung von Nachwuchsführungskräften trägt wesentlich dazu bei, Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Akademieleiterin Postler resümiert: "Wir haben immer wieder Teilnehmer dabei, die sich unschlüssig sind, ob sie im Unternehmen bleiben wollen. Durch den Förder-Pool fühlen sie sich geschätzt und wachsen zu einer eingeschweißten Gemeinschaft mit den Kollegen zusammen. Die meisten sind heute noch im Unternehmen."

Vinci Energies hat erkannt, wie wichtig solche Weiterbildungsangebote sind, und arbeitet kontinuierlich daran, sie zu verbessern. So tauschen sich die Mitarbeiter der Akademie einmal im Jahr bei einem speziellen Event mit den HR-Managern der verschiedenen Geschäftsbereiche aus, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren. An einem Best Partner Day kommen außerdem die wichtigsten Trainer und externen Partner zusammen, um Ideen und Anregungen zu sammeln. Auch Erweiterungspläne gibt es schon. Die aktuell fünf Akademien im weltweiten Konzern sollen bis zum Jahr 2025 auf 25 bis 30 weltweit aufgestockt werden.