Weniger Jobs, höhere Anforderungen

07.03.2003 von Hans Königes
Die Zahl der IT-Stellen geht zurück und Unternehmen schrauben die Anforderungen an Bewerber immer höher. Erwartet wird ein gut abgeschlossenes Hochschulstudium mit fundierten IT-Kenntnissen.

Die Jahresbilanz 2002 auf dem IT-Arbeitsmarkt fällt ernüchternd aus: Laut Analyse von Adecco erschienen im Jahr 2002 nur noch 23 738 IT-Stellenangebote in den untersuchten 40 Tageszeitungen, im Jahr zuvor waren es noch immerhin 66 817 Offerten. Weniger dramatisch sieht die Entwicklung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für Fach- und Führungskräfte aus. Hier gingen die Jobofferten um 44 Prozent auf 168 822 Stellen zurück.

Am stärksten ist der Einbruch in der Telekommunikationsindustrie. Hier reduzierte sich die Zahl der Angebote auf 703, nachdem sie sich im Jahr 2001 noch auf 4974 belaufen hatte. Auch die größten Arbeitgeber für Computerfachleute, die IT-Beratungs- und Softwarehäuser, haben sich überdurchschnittlich stark bei den Einstellungen zurückgehalten. Nach den 19 248 ausgeschriebenen Stellen von 2001 annoncierten diese Firmen ein Jahr später nur noch 5582 freie Positionen. Bei Banken (443 Jobs, 2001: 1971) und Versicherungen (528 Jobs, 2001: 1246) sieht es ebenfalls schlecht aus.

Mehr Möglichkeiten gibt es in der klassischen Industrie. So meldeten die Elektrotechniker 1693 und die Maschinenbauer 1747 Jobs. Eine für diese Zeiten gute Nachricht kommt von den Behörden. Trotz Haushaltssperren und großer Finanzlöcher suchte der öffentliche Dienst immerhin 3190 IT-Experten. Damit ist Vater Staat im vergangenen Jahr zum zweitgrößten IT-Jobanbieter nach den Beratungs- und Softwarehäusern avanciert.

CAD/CAM-Experten gefragt

Langfristig aber, so die Einschätzung von Werner Dostal, Direktor am Bundesinstitut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg, zeichnet sich ein Trend ab, dass immer mehr Computerfachleute in der IT-nahen Industrie - sei es bei Herstellern, Beratungs- oder Softwarehäusern - unterkommen. Dies treffe schon heute auf fast drei Viertel der IT-Experten zu. Noch vor zehn Jahren seien es ein Viertel gewesen. Dies hängt nach Dostals Meinung mit der Professionalisierung der Branche zusammen, aber auch mit dem Trend, dass immer mehr Anwenderunternehmen Teile ihrer IT auslagern. Daraus entstünden dann oft eigenständige IT-Dienstleister.

Werner Dostal, IAB

Die Adecco-Auswertung zeigt auch eine Verlagerung bei den Jobprofilen. Jahrelang galten mit Abstand die meisten Offerten den Programmierern und den Anwendungsentwicklern. Nun stehen die CAD/CAM-Experten am besten da: Auf sie entfallen mittlerweile fast ein Viertel aller freien IT-Jobs, auf die Entwickler 20 Prozent, also rund 4800 Stellen. Die CAD-Experten kommen vor allem in Maschinen- und Fahrzeugbaufirmen, aber auch in Konstruktionsbüros oder in Hochschule und Forschung unter. Wer sich auf den IT-Vertrieb spezialisiert, konnte unter 2419 Stellenangeboten (2001: 7399) auswählen und wurde in erster Linie von Software- und Systemhäusern gesucht. Letztere hatten auch den größten Bedarf an System- und Datenbankspezialisten, die auch bei Behörden, Hochschulen und Forschungsinstituten gut unterkamen. Insgesamt reduzierte sich das Angebot für Datenbank- und Systemspezialisten von 10634 auf 3589 Jobs.

Noch empfindlichere Einbrüche mussten die Netzwerkfachleute (von 3273 auf 1004 Angebote) und Internet-Profis wie Web-Master oder Content-Manager hinnehmen (von 4090 auf 689). Vertreter beider Gruppen werden in den meisten Branchen nur noch vereinzelt nachgefragt - die Ausnahme bildet auch hier wieder der öffentliche Dienst. Der Anteil der Jobofferten, in denen ein akademischer Abschluss verlangt wird, ist mittlerweile auf 84 Prozent gestiegen. Arbeitsmarktexperte Dostal hat errechnet, dass der Anteil der Akademiker unter den Informatikern bei 40 Prozent liegt, Tendenz stark steigend.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten spielen formale Qualifikationen wieder eine größere Rolle, und Personaler sehen zuerst auf die Abschlüsse. Interessant ist, dass mittlerweile über ein Viertel der Unternehmen ein Ingenieurstudium als Qualifikation voraussetzt, ein Jahr zuvor betrug dieser Anteil nur 16 Prozent. Ansonsten wünschen sich die Firmen in erster Linie Informatiker. Fast ein Drittel der Anzeigen wenden sich an sie. 17 Prozent der Offerten sprechen ganz allgemein DV-Spezialisten an, und nur in drei Prozent der Fälle werden Wirtschaftsinformatiker gesucht.

Wer in der IT-Branche Fuß fassen will, hat zurzeit noch am ehesten gute Chancen in Nordrhein-Westfalen. Das Kohle- und Stahlland ist auf dem Weg Richtung Hightech-Standort. 4745 Stellen, also fast ein Fünftel des Angebots, waren in dieser Region frei. Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen in den letzten Jahren mit Bayern entfallen jetzt auf das südliche Bundesland 16 Prozent der Angebote, 13 Prozent auf Baden-Württemberg und fast zehn Prozent auf Hessen. 15 Prozent der Ausschreibungen kommen aus dem Osten der Republik, was einem Plus von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dostal sagt einschränkend: "Der IT-Arbeitsmarkt konzentriert sich auf Zentren", wobei vor allem einige große Städte wie München, Stuttgart, Franfurt am Main, Düsseldorf, Köln und auch immer stärker Hamburg eine wichtige Rolle spielen.

Welches IT-Know-how erwarten nun Arbeitgeber von ihren künftigen Mitarbeitern? Der Trend der vergangenen Jahre setzt sich weiter fort: Unternehmen erwarten von Bewerbern einen ganzen Strauß an IT-Qualifikationen, angefangen von Programmiersprachen über Netzwerke und Betriebssysteme bis hin zu Datenbanken. Auch wenn die Zahl der IT-Stellenangebote rapide abgenommen hat, erweist sich der IT-Arbeitsmarkt in einem Punkt als stabil: Ob Programmierung, IT-Beratung oder Netzadministration, die Unternehmen fordern für diese Einsatzgebiete die bekannten Qualifikationen ein.

Blick über den Tellerrand

Sie wünschen sich zudem Bewerber, die auch "ein generalistisches Wissen mitbringen und über den eigenen Tellerrand hinausschauen, um abteilungsübergreifend agieren zu können", so Ralph Neukirchen, Geschäftsführer der CDI Deutsche Private Akademie für Wirtschaft. Der Münchner Weiterbildungsanbieter untersucht den IT-Stellenmarkt nach qualitativen Gesichtspunkten, also welches Know-how in einer Anzeige nachgefragt wird.

So sollen Entwickler idealerweise ein Informatikstudium absolviert haben und mindestens eine Programmiersprache beherrschen. Favorit ist C++, gefolgt von Java und C. An die vierte Stelle ist SQL vorgerückt, die Microsoft Visual Basic überholt hat. In 21 Prozent der Anzeigen für Programmierer wurden auch Kenntnisse in Softwaretechniken wie Objektorientierung und UML gefordert. Bei den Script- und Markup-Sprachen hat sich XML zum ersten Mal vor HTML und Perl an die Spitze gesetzt. Zusätzlich sollten laut CDI-Analyse Programmierer über Erfahrungen mit Microsoft- und Unix-Betriebssystemen sowie Oracle- und IBM-Datenbanken verfügen.

 Einsatz finden die gesuchten IT-Experten nicht nur als reine Entwickler, sondern auch in der Konzeption, der Implementierung und im Testen der Programme. Ihre Arbeitgeber sind Software- und Systemhäuser, Beratungsgesellschaften sowie das produzierende Gewerbe wie etwa die Automobilindustrie. Von Netz- und Betriebssystem-Experten werden vor allem Kenntnisse über Unix-/Linux- und Windows-Betriebssysteme erwartet, die mit 67 beziehungsweise 66 Prozent fast gleichauf liegen. Darüber hinaus sollten sich System- und Netzadministratoren mit Groupware von Lotus und MS Exchange Server auskennen sowie sich mit Firewall-Systemen auseinander gesetzt haben.

Während Administratoren häufig kein Studium brauchen, ist es für IT-Berater schon fast Voraussetzung: "In 76 Prozent aller Anzeigen für IT-Consultants wird ein Informatik-, Wirtschaftsinformatik- oder BWL-Studium erwartet. Es ist hier kaum durch Berufserfahrung zu ersetzen", so die CDI-Analyse. Einschlägige Berufserfahrung von mehreren Jahren wird von IT-Beratern zusätzlich zum Studium in über 60 Prozent der untersuchten Anzeigen verlangt. Im Unterschied zu Programmierern und Netzadministratoren liegt bei Beratern kein deutlicher Schwerpunkt auf Programmierung oder Systemsoftware. Von ihnen werden IT-Kenntnisse aus so unterschiedlichen Bereichen wie Netze, Internet-Protokolle, Sicherheit, Web-Technologien ebenso erwartet wie Customer-Relationship-Management, Microsoft- und Unix-Systemsoftware sowie Programmiererfahrung in Java oder C++.

Vorteil durch Erfahrung

Auf stabilem Kurs befindet sich der Stellenmarkt für SAP-Experten. Schon im vergangenen Jahr zeichnete sich eine Wiederbelebung ab, die sich weiter fortsetzt. Mittlerweile richten sich 13 Prozent aller IT-Stellenanzeigen an SAP-Berater, -Projektleiter oder -Anwendungsentwickler. Mit Wissen um die klassischen Anwendungskomponenten Controlling, Vertrieb, Materialwirtschaft oder Finanzwesen können die Bewerber immer noch bei den Unternehmen punkten, die in jeder fünften Anzeige diese Qualifikationen einfordern. In 30 Prozent der SAP-Stellenanzeigen stehen aber die neuen Lösungen im Vordergrund, angeführt von Mysap CRM, einer Software, die die Beziehungen zu den Kunden unterstützt.