DX treibt IT-Investitionen in Deutschland

Wenn Branchen von Branchen lernen

11.05.2017 von Laura Hopp
Die digitale Transformation (DX) ist der zentrale Wachstumsmotor für die deutsche IT-Branche. Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich für IT-Anbieter genauso wie für die Anwenderfirmen, etwa im Hinblick auf interessante Use Cases aus anderen Industriezweigen.

Der IT-Markt in Deutschland entwickelt sich auch im laufenden Jahr positiv. Die IT-Gesamtausgaben von Firmen und Organisationen werden 2017 voraussichtlich auf ein Volumen von rund 70,5 Milliarden Euro ansteigen, was einem Wachstum um 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. IDC erwartet, dass Investitionen in Technologien der Dritten Plattform – also Cloud Services, Mobility, Big Data/Analytics und Social Business – dabei einen beträchtlichen Anteil des Marktwachstums für Informationstechnologie ausmachen werden.

Der Blick über den Tellerrand bringt IT-Firmen mitunter wichtige Impulse über den Nutzen moderner Technologien und Lösungen für das eigene Unternehmen.
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Innovationsbeschleuniger, die aus der Dritten Plattform hervorgehen, wie beispielsweise das Internet of Things, Augmented/Virtual Reality, künstliche Intelligenz, Robotics oder auch 3D-Druck, treiben das Wachstum zusätzlich mit neuen Anwendungsmöglichkeiten voran. Die digitale Transformation ist somit unbestritten der zentrale Wachstumsmotor für die ICT-Branche.

Der Blick ins Detail und in diesem Fall in die einzelnen Industriezweige zeigt, dass die IT-Ausgaben nach Branchen stark variieren – und zwar sowohl absolut gesehen als auch im Hinblick auf die Wachstumsraten. Auch hier zeigt sich wieder: Es genügt längst nicht mehr, nur die eigene Branche im Blick zu haben. Interessante IT-Projekte aus anderen Industrien können wichtige Impulse über den Nutzen moderner Technologien und Lösungen für das eigene Unternehmen geben, der Blick über den vielzitierten Tellerrand zahlt sich also auch hier aus.

David und Goliath: Verarbeitendes Gewerbe vs. Bildungswesen

Bei der Betrachtung der IT-Ausgaben in absoluten Zahlen hat das verarbeitende Gewerbe in Deutschland wenig überraschend die Nase vorn. Mit einem prognostizierten Anteil von 26 Prozent und einem Marktvolumen von knapp 19 Mrd. Euro im laufenden Kalenderjahr trägt die Branche einen bedeutenden Teil zum IT-Gesamtmarkt bei. Industrie 4.0 ist hier das große Thema und treibt die IT-Investitionen voran.

Industrieunternehmen verfolgen damit zum einen das Ziel ihre Fabriken in Smart Factories zu verwandeln, um Prozesse und Abläufe auf Basis eines durchgängigen Engineerings weiterhin zu optimieren. Zum anderen geht es aber auch darum, den Kunden durch die Integration von IT in die Produkte neue Services anzubieten.

IDC beobachtet beispielsweise, dass sich Unternehmen wie Kaeser oder Schäffler vom klassischen Maschinen- und Anlagenbauer zum Service-Anbieter transformieren. Dies gelingt ihnen, indem sie ihren Kunden Dienstleistungen, wie etwa vorausschauende Wartung basierend auf Big Data Analytics, anbieten. Es liegt auf der Hand, dass hierfür der Einsatz moderner Informationstechnologie unabdingbar ist.

Die Branche mit dem kleinsten Anteil am IT-Gesamtmarkt hingegen ist mit „nur“ knapp 1,8 Milliarden Euro das Bildungswesen. Dies liegt zum einen an der Größe dieses „Wirtschaftszweiges“, wenn man es denn so nennen möchte, sowie an den traditionell knappen finanziellen Ressourcen – vor allem an den Schulen.

Nichtsdestotrotz wappnen sich auch Bildungseinrichtungen für die digitale Welt in etwa durch die Ausstattung der Schulen mit Breitbandanbindung, WLAN und mobilen Geräten bzw. dem Einsatz von Big Data Analytics und kognitiver Intelligenz in der Forschung an Universitäten und Hochschulen.

Positive Impulse werden künftig auch verstärkt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung kommen: In den nächsten fünf Jahren sollen rund fünf Milliarden Euro in IT an deutschen Schulen investiert werden. Diese geplante Maßnahme wird sich in jedem Fall positiv auf das Marktwachstum in diesem Sektor auswirken.

Größter Wachstumsmarkt in 2017: Das Gesundheitswesen

Das Gesundheitswesen bildet mit 2,8 Prozent zwar nur einen kleinen Teil des IT-Marktes bezogen auf die absoluten IT-Ausgaben ab, weist jedoch mit 2,9 Prozent in 2017 das größte Wachstum im Branchenvergleich auf – und ist damit auch die einzige Branche, bei der das Wachstum der IT-Ausgaben für 2017 höher sein wird als im vergangenen Jahr.

Getrieben wird diese Entwicklung insbesondere von den zahlreichen E-Health-Initiativen. Die Telemedizin bietet hierbei viele interessante Anwendungsfälle, wie beispielsweise die Ferndiagnose oder -untersuchung. Auch die elektronische Patientenakte, in der Daten aus bereits vorhandenen Anwendungen und Dokumentationen für Patienten ab 2018 bereitgestellt werden müssen, verlangt nach einer zunehmenden Digitalisierung der Branche.

Darüber hinaus kommen ganz neue Innovationen zum Einsatz, wie die Überwachung der Vitaldaten der Patienten über Wearables oder das Drucken maßgeschneiderter Prothesen und Implantate mittels 3D-Printer. Den spannenden Anwendungsmöglichkeiten stehen die strengen Datenschutzvorschriften gegenüber, denen die Gesundheitsbranche aufgrund der Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten unterliegt und die eine schnelle Umsetzung in vielen Bereichen ausbremsen. Dennoch zählt das Gesundheitswesen nach IDC-Einschätzungen für 2017 eindeutig zu den Aufsteigern.

Fazit

Die Digitalisierung ist in Deutschland überall zu spüren und sorgt für Umbruchsstimmung in fast allen Branchen. IDC geht davon aus, dass die digitale Transformation künftig über alle Wirtschaftszweige hinweg der Wachstumsmotor für den IT-Markt sein wird. Dennoch ist zu beobachten, dass einige Industrien deutlich hinterherhinken und so zeichnet sich ab, dass die IT-Ausgaben in diesen Wirtschaftszweigen in 2017 annähernd stagnieren werden. Dies ist auch ein Indikator dafür, dass die Digitalisierung noch nicht in allen Branchen gleichermaßen angekommen ist.

Unternehmen, die die digitale Transformation bisher noch nicht ausreichend vorangetrieben haben, sollten nicht länger zögern – auch wenn ein genauerer Blick ins Wettbewerbsumfeld nicht zwangsweise motivierend ausfällt. Auf dem Schirm haben sollte man allerdings, dass die Wettbewerber von heute und morgen nicht mehr unbedingt nur aus der eigenen Branche, sondern unter Umständen aus völlig branchenfernen Bereichen kommen. (mb)